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Geldwäschefahnder nehmen Leasingfirma Grenke ins Visier

Die Zoll-Spezialeinheit FIU geht mehreren Geldwäsche-Verdachtsmeldungen nach. Dabei geht es auch um Anlagebetrug, Insiderhandel und Marktmanipulation.

Der MDax-Konzern will mit den Behörden kooperieren. Foto: dpa
Der MDax-Konzern will mit den Behörden kooperieren. Foto: dpa

Neue Probleme für Grenke: Der Baden-Badener Leasingspezialist ist in den Fokus der „Financial Intelligence Unit“ (FIU) geraten, der Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.

Die FIU reagiert damit auf die Vorwürfe des britischen Analysehauses Viceroy Research, hinter dem der Shortseller Fraser Perring steht, der sich in der Vergangenheit bereits mit Wirecard angelegt hatte.

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„Die FIU hat gegenwärtig acht Verdachtsmeldungen identifiziert, die in einem möglichen Zusammenhang mit den aktuell gegen Unternehmen der Grenke-Unternehmensgruppe erhobenen Vorwürfe stehen könnten“, erklärt das Bundesfinanzministerium auf eine schriftliche Anfrage der finanzpolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Paus. Ob es einen solchen Zusammenhang gebe, könne gegenwärtig „noch nicht abschließend beantwortet werden“.

Das Ministerium erklärte weiter: „Fünf der acht Meldungen, die sämtlich vor Bekanntwerden der Vorwürfe gegen die Grenke AG eingegangen sind, wurden direkt infolge der Erstanalyse an die Strafverfolgungsbehörden abgegeben.“ Die übrigen drei Meldungen befänden sich bei der FIU in der Analyse, so das Ministerium weiter. Dabei flössen auch „neue Erkenntnisse“ ein.

Pikant: Die Spezialeinheit hat ihren Fokus über ihr primäres Tätigkeitsfeld, die Geldwäschebekämpfung, hinaus ausgeweitet. Der Antwort zufolge hat die FIU nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Grenke am 14. September „unverzüglich eine vertiefte Analyseoperation aufgenommen“, die die Verdachtsmeldungen auch im Lichte der Viceroy-Feststellungen erneut untersuche.

„Im Rahmen der Analyseoperation prüft die FIU – über ihren gesetzlichen Kernauftrag hinaus – insbesondere mögliche Deliktsbezüge zu Anlagebetrug, Insiderhandel und Marktmanipulation“, eventuell auch weitere Delikte, erklärt das Bundesfinanzministerium abschließend.

Auf Handelsblatt-Anfrage erklärte die Grenke AG am späten Donnerstagabend: „Selbstverständlich kooperieren wir vollumfänglich mit allen Behörden in allen Fragen.“ Und weiter: „An uns ist bislang keine Anfrage der FIU herangetragen worden.“ Daher könne Grenke auch nichts zur Frage sagen, um welche Verdachtsmeldungen es hierbei gehe.

Schwere Vorwürfe

Paus, die Stellerin der Anfrage an die Bundesregierung, kündigt unterdessen weitere Aufklärung an: „Beim nächsten Finanzausschuss wird der Fall Grenke Thema sein“, sagte sie dem Handelsblatt. „Wir werden nachbohren, auch was die konkreten Maßnahmen angeht, zu denen die Bundesregierung bisher keine Auskunft geben will. Auch zu klären gilt, wann erstmal Hinweise auch bei der Anti-Geldwäsche-Behörde eingegangen sind“, so Paus weiter.

In Baden-Baden dürfte das Handeln der FIU für neue Unsicherheit sorgen. Seit zweieinhalb Wochen ist Grenke damit beschäftigt, die schweren Vorwürfe der britischen Shortseller zu widerlegen, die den Aktienkurs um mehr als die Hälfte einbrechen ließen.

Viceroy hatte Grenke unter anderem vorgeworfen, ein undurchsichtiges Geflecht von personell oder finanziell verbundenen Firmen geschaffen zu haben, das im Geschäftsbericht nicht erläutert wird. Hier fehle es an Transparenz. Zu vermuten sei außerdem, dass Grenke über das System entweder Scheinumsätze in Goodwill, also überhöhte Bilanzbewertungen verwandele, oder Geld aus dem Konzern herausschleuse.

Außerdem sei die Grenke-Bank in schmutzige Geschäfte verwickelt, behauptet Viceroy, darunter in die Zahlungsabwicklung für betrügerische Tradingseiten und Plattformen für binäre Optionen. „Grenkes Bank ist für die Erträge aus Verbrechen und für Geldwäsche eingesetzt worden und könnte die Lizenz verlieren“, heißt es im Report. Dieser rückt das Leasingunternehmen wiederholt in die Nähe der Machenschaften beim Zahlungsdienstleister Wirecard, der im Zuge eines milliardenschweren Bilanzskandals untergegangen war.

Die Grenke AG hatte die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. Im Interview mit dem Handelsblatt hatte Konzerngründer Wolfgang Grenke erklärt: „Ich habe nichts zu verbergen.“

Hinter den Vorwürfen von Viceroy vermutet Wolfgang Grenke simple finanzielle Motive. „Der Angriff ist offensichtlich mit Eigeninteresse verbunden. Mindestens drei Wochen lang wurden Positionen aufgebaut und für die Leihe der Aktien extrem hohe Prämien gezahlt. Dass Aktien geliehen werden, um dann den Kurs nach unten zu holen, ist ja nicht unbekannt.“

Ein Shortseller-Winkelzug?

Bei der Grenke AG wisse man nichts von den Meldungen, heißt es auf Nachfrage auch bei einem der Anwälte des Konzerns. Weder die FIU, noch eine Staatsanwaltschaft seien mit entsprechenden Verdachtsmomenten an Grenke herangetreten.
Aus dem Unternehmensumfeld wird nun sogar darüber spekuliert, ob möglicherweise auch die Geldwäsche-Verdachtsmeldungen Teil der Attacke von Viceroy sein könnten, oder Teil einer länger vorbereiteten Kampagne.

Zum konkreten Inhalt der Meldungen ist bis dato nichts bekannt. Unklar ist auch, wann und von wem sie eingingen. Die FIU gab dazu auf Nachfrage an, dass sie „grundsätzlich keinen Kommentar zu möglicherweise bei ihr vorliegenden Sachverhalten bzw. damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen abgibt.“ Offen ist damit auch, welche Staatsanwaltschaften mit den von der FIU abgegebenen Meldungen betraut sind und wie der jeweilige Verfahrensstand ist.

Bei Grenke ist man derweil mit den aktuell laufenden verschiedenen Sonderprüfungen befasst. Diese dürften das Unternehmen in den kommenden Wochen erheblich beschäftigen. Insbesondere die Finanzaufsicht Bafin soll nach den Erfahrungen im Wirecard-Skandal derzeit besonders gründlich hinschauen, heißt es aus dem Grenke-Umfeld.

Das dürfte den MDax-Konzern aus Baden-Baden nicht nur einige Nerven kosten, sondern auch Geld. Denn neben der selbst in Auftrag gegebenen Sonderprüfung muss der Konzern auch die Prüfungen durch die Bafin bezahlen. Auf einen sechsstelligen Betrag dürften die anfallenden Rechnungen der Prüfer laut Insidern in jedem Fall hinauslaufen.

Bafin zieht Prüfung an sich

Nicht nur die FIU nimmt Grenke im Zuge der schweren Vorwürfe nun genauer unter die Lupe: Am Mittwoch zog die Finanzaufsicht Bafin die Überprüfung des Jahresabschlusses 2019 der Leasingfirma an sich. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hatte sich zunächst die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) mit der Grenke-Bilanz beschäftigt.

Damit ist die oberste Aufsichtsbehörde selbst eingeschritten – ein seltener Vorgang. Geprüft werde unter anderem die Werthaltigkeit von Forderungen aus Leasingverträgen sowie von Geschäfts- und Firmenwerten. Darüber hinaus nehme die Bafin „Angaben zu Beziehungen und Geschäftsvorfällen mit nahestehenden Personen oder Unternehmen im Konzernanhang“ unter die Lupe, erklärte die Behörde. Die Bafin geht damit anders vor als im Betrugsskandal bei Wirecard, wo die DPR wegen der schleppenden Bilanzprüfung scharf kritisiert wurde.

Grünen-Parlamentarierin Paus begrüßt das neue Tempo der Behörden. „Bafin und Finanzministerium scheinen nervös nach dem Wirecard-Skandal. Im Fall Grenke geht auf einmal alles ganz schnell: Was bei Wirecard nach mehr als 1,5 Jahren nicht möglich war, nämlich dass die Bafin selbst das Verfahren an sich zieht, geht hier in wenigen Tagen“, sagte sie.

Das liege auch an der Einstufung der Grenke AG als Finanzfirma, nicht als Technologiefirma wie im Fall Wirecard. Hätte die Bafin Wirecard als Finanz-Holding eingestuft, hätte sie „deutlich mehr Befugnisse und Prüfrechte“ gehabt: „Außerdem hätte die Finanzaufsicht einen umfassenderen Blick gehabt, gerade was interne Zahlungsströme und strategische Investitionen angeht.“ Die Bafin hätte „früher und entschiedener handeln können und müssen“, bilanziert Paus.

Auch die FIU war für ihre zögerliche Bearbeitung von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen mit Wirecard-Bezug kritisiert worden. Ein Neuaufleben der Kritik will die Zoll-Spezialeinheit im Fall Grenke nun offenbar verhindern.

Grenke verdient sein Geld vor allem mit dem Verleih von IT und anderen Technologieprodukten an kleine und mittelgroße Firmen sowie mit verwandten Dienstleistungen. Zum Kerngeschäft des MDax-Konzerns gehört es, neue Regionen mit Franchisenehmern aufzubauen und diesen die neuen Unternehmen nach einigen Jahren abzukaufen. Die konzerneigene Grenke Bank bietet Konten und Zahlungsdienstleistungen für Firmenkunden an.

In puncto seines Tagesgeschäfts konnte der Konzern am Freitag unterdessen einen positiven Aspekt vermelden. Im vergangenen Quartal hat das Unternehmen etwas mehr Leasing-Neugeschäft verbucht als erwartet, teilte Grenke mit. Der Wert lag aber deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Konkret kam Grenke im Zeitraum Juli bis September auf Neugeschäft in Höhe von 518 Millionen Euro nach 687 Millionen Euro im dritten Quartal 2019. Das Unternehmen hatte eigentlich einen Rückgang um fast ein Drittel vorhergesagt. Ein Zusammenhang mit den Viceroy-Vorwürfen besteht dabei nicht.