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„Es geht ums nackte Überleben“: Händler starten Klagewelle gegen den Lockdown

Nicht nur Modehändler Breuninger will die Öffnung seiner Warenhäuser vor Gericht erzwingen. Immer mehr Firmen wehren sich gegen die Staatsmaßnahmen.

Die Kaufhäuser des Luxusanbieters müssen derzeit geschlossen bleiben – das passt Breuninger so wenig wie dem gesamten Handel. Foto: dpa
Die Kaufhäuser des Luxusanbieters müssen derzeit geschlossen bleiben – das passt Breuninger so wenig wie dem gesamten Handel. Foto: dpa

Breuninger-Chef Holger Blecker reicht es. In gleich sechs Bundesländern hat der Chef des Modehändlers Eilanträge auf Wiedereröffnung seiner Warenhäuser oder Entschädigungsmaßnahmen gestellt. „Auch ein Haus wie Breuninger kann nicht ewig von der Substanz leben“, stellt er fest. „Das oberste Credo ist die Zukunftssicherung des Unternehmens und der 5500 Mitarbeiter.“

Der monatelange Lockdown ohne klare Perspektive, wann die Läden wieder öffnen dürfen, bringt auch Vorzeigebetriebe wie Breuninger an die Grenze. „Wir haben die Beschränkungen als tiefen Einschnitt in das Eigentumsrecht und in die Berufsfreiheit empfunden“, erklärt der 50-jährige Vorsitzende der Unternehmensleitung. Breuninger steht nicht allein. Nachdem der Handel bis zuletzt noch auf ein Einlenken der Politik gehofft hat, rollt jetzt eine Klagewelle auf die Bundesregierung zu. In mehreren Bundesländern wollen Händler die Öffnung ihrer Geschäfte erzwingen.

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Am Mittwoch hat das Familienunternehmen Riani aus Schorndorf, das mehrere Boutiquen betreibt, einen Eilantrag am Verwaltungsgerichtshof Mannheim gestellt. „Wir klagen auf Gleichstellung mit den Friseurbetrieben, denen die Öffnung ja erlaubt wurde“, sagt Mona Buckenmaier, die Tochter der Gründer Martina und Jürgen Buckenmaier. „Wir können die Entscheidungen der Regierung nicht mehr nachvollziehen, der Handel wird von der Politik nicht gehört.“

Unterstützt wird Riani von mehr als 150 Modeunternehmen, darunter sowohl kleine Luxushändler als auch Branchengrößen wie Gerry Weber und Seidensticker, große Kaufhäuser wie Engelhorn und L+T und Verbunde wie Katag und Intersport. „Wir freuen uns sehr, dass Riani hier die Initiative ergriffen hat“, sagt Seidensticker-Chefin Silvia Bentzinger. Ihr Unternehmen sei davon überzeugt, dass bei Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann. „Daher unterstützen wir dieses Vorgehen und stellen uns mit unserem Namen hinter Riani.“

Außerdem sind zahlreiche Pilotprozesse und Sammelklagen in Vorbereitung. So sammelt der Textilverbund Unitex gemeinsam mit der Kanzlei Niedig + Barth klagewillige Händler. Sie haben bereits Zusagen von Prozessfinanzierern für Pilotklagen, die in allen Bundesländern eingereicht werden. Dafür werden nun im nächsten Schritt ausgewählte Fälle in einem sogenannten „Klägerkorb“ zusammengestellt. Auch die Berliner Kanzlei Schirp und Partner bereitet Klagen vor.

Fachleute wundert es nicht, dass die Händler nun auch juristisch in die Offensive gehen. „Es geht ums nackte Überleben“, sagt Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. „Viele vorher kerngesunde Unternehmen stehen jetzt am Abgrund“, beobachtet er. Da sei es verständlich, dass sie gerichtlich alle Register ziehen.

Handelsverband unterstützt die Klagen

„Wir haben durch die Teil-Lockdowns und Lockdowns einen hohen Millionenbetrag allein 2020 im stationären Handel verloren, aber auch eine sehr positive Entwicklung online genommen. Dies kann die stationären Umsatzverluste leider nicht vollumfänglich kompensieren“, erklärt Breuninger-Chef Blecker.

Und das, wo das Unternehmen bereits 2018 ein Drittel des Umsatzes in Höhe von 900 Millionen Euro online generierte. Bei den Öffnungen werde mit zweierlei Maß gemessen, ärgert er sich im Hinblick auf die Öffnung der Friseurbetriebe ab 1. März. Auch bei Breuninger wurde ein hoher sechsstelliger Betrag in Hygienekonzepte investiert. Jeder Mitarbeiter muss eine Hygieneschulung absolvieren, ein Ampelsystem, das via App ausgewertet wird, regelt die Zugänge.

An der Tür stünde Personal bereit, um Kunden Masken zu reichen, hinzu kommen eine umfangreiche Wegeführung und schnellere Reinigungsintervalle. „Wenn man die Sicherheit von Kunden und Mitarbeitern gewährleisten kann, dann müsste einer Öffnung nichts entgegenstehen“, so Blecker.

Breuninger gilt in der Branche als Vorzeigeunternehmen. Mit elf Häusern und Onlineshops in Deutschland, Österreich und der Schweiz sucht Blecker mit hochwertigen Events, etwa mit Sterneköchen, und der engen Verzahnung von stationärem und Onlinehandel den direkten Draht zum Kunden. „Unsere Erfolge werden angegriffen“, mahnt Blecker. Das Unternehmen investiere jedes Jahr 100 Millionen in die Häuser und Systeme, um aktuelle Trends aufzugreifen. Doch nun gefährde jeder geschlossene Monat immer stärker die langfristige Perspektive.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) unterstützt das Vorgehen. „Als HDE drängen wir auf eine zügige Wiedereröffnung der Geschäfte und haben großes Verständnis für diese Klagen, die wir auch selbstverständlich im Rahmen unserer juristischen Dienstleistungen, auch durch unsere Handelsverbände vor Ort, unterstützen“, sagt ein Verbandssprecher auf Nachfrage. Die Chancen der Händler vor Gericht sind ungewiss. „Die konkreten Erfolgsaussichten lassen sich nicht pauschal beur- teilen, das hängt von den Vorgaben im jeweiligen Bundesland, der Entwicklung des Infektionsgeschehens und dem konkreten individuellen Sachverhalt ab“, sagt der HDE-Sprecher.

Einen ersten Dämpfer hat Breuninger bereits erhalten. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim lehnte am Donnerstag einen Eilantrag mit der Begründung ab, die grundrechtlich geschützten Belange des Händlers müssten hinter dem öffentlichen Gesundheitsschutz zurückstehen. Die Einschränkungen hält das Gericht für „zumutbar und verhältnismäßig“, selbst wenn der Händler keine staatliche Entschädigung bekomme. Das Unternehmen will weiterkämpfen.

Bereits im ersten Lockdown hatten einige Händler gegen die Maßnahmen geklagt und waren meist vor Gericht gescheitert. Lediglich die Begrenzung der Öffnungen auf Geschäfte mit weniger als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche wurde von einigen Gerichten gekippt. Auch deshalb zögern einige Händler noch, juristisch aktiv zu werden. Der Warenhausbetreiber Galeria Karstadt Kaufhof beispielsweise, der im ersten Lockdown noch zahlreiche Gerichtsverfahren angestrengt hatte, plant aktuell keine entsprechenden Schritte, wie aus Unternehmenskreisen zu erfahren war. Ein Sprecher wollte sich auf Nachfrage dazu nicht äußern.

Handelsexperte Heinemann dagegen wundert sich, dass nicht schon viel früher zahlreiche Händler vor Gericht gezogen sind. „Was die Regierung macht, kommt einer Enteignung gleich“, sagt er. Speziell dem Modehandel gehe langsam die Liquidität aus. Die Unternehmen säßen auf vollen Lägern mit nicht mehr verkaufbarer Ware und hätten nicht mehr die finanziellen Mittel, um neue Ware zu ordern. „Es droht eine nicht mehr zu stoppende Abwärtsspirale“, warnt er.

Breuninger-Chef Blecker setzt alles daran, seine Häuser sofort wieder öffnen zu können. Er will seinen Kunden wieder reale Erlebnisse auf allen Ebenen bieten. „Wir als Händler brauchen eine Perspektive für die Öffnung und damit eine Zukunft für eine weiter lebendige Innenstadt mit einem gesunden Mix aus Handel, Gastronomie und Kultur.“

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