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Es geht um mehr als Geld: Warum Ungarn und Polen die EU lahmlegen

Der Streit um das Budget und den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus steckt in einer Sackgasse. Dabei geht es auch um verdrängte Konflikte.

Polen und Ungarn setzen in der aktuellen EU-Haushaltsdebatte auf Konfrontation. Foto: dpa
Polen und Ungarn setzen in der aktuellen EU-Haushaltsdebatte auf Konfrontation. Foto: dpa

Es sind happige Vorwürfe, die gerade zwischen Brüssel, Warschau und Budapest hin- und herfliegen. Von Erpressung und Verrat ist die Rede, seit die Ostmitteleuropäer mit ihren Vetos das EU-Budget für die nächsten sieben Jahre und die Corona-Hilfen blockieren. Es geht um viel Geld: 1,8 Billionen Euro.

Die Ministerpräsidenten Polens und Ungarns bedienen sich dabei auch problematischer historischer Analogien: Die Rechtsstaatlichkeit sei zu einem Mittel geworden, um die schwachen Mitglieder der Europäischen Union in die Ecke zu drängen, erklärte Mateusz Morawiecki am Mittwochabend. „Wir Polen kennen den Einsatz solcher Propaganda-Knüppel aus dem Kommunismus sehr gut.“ Viktor Orban glaubt sogar, dass aus der EU eine „zweite Sowjetunion“ werden könnte.

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Die Kritik aus Warschau und Budapest ist zwar überzogen, aber nicht ohne Grund. Die Regierungen sind erzürnt darüber, dass sie ausmanövriert wurden: Der Streit darüber, ob die EU im Kampf gegen die seit Jahren offenkundige Schwächung der Gewaltentrennung und die Machtanhäufung der Regierungen in Polen und Ungarn die Auszahlung von Geldern an rechtsstaatliche Kriterien knüpfen soll, wurde im Juli nur übertüncht. Am Gipfel kam damals eine Einigung auf ein neues Budget nur deshalb zustande, weil die Details der Einführung des Rechtsstaatsmechanismus unklar blieben.

Eine Klausel schrieb zwar fest, eine qualifizierte Mehrheit genüge zur Einführung. Sie enthielt aber auch den Nachsatz, der Europäische Rat, wo das Prinzip der Einstimmigkeit gilt, werde sich „rasch mit der Angelegenheit befassen“.

Warschau und Budapest feierten dies voreilig als Sieg, da sie davon ausgingen, sie könnten eine definitive Einführung blockieren. Auf diese Weise sorgen die zwei Hauptstädte seit Jahren dafür, dass die Artikel-7-Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit ohne Folgen bleiben.

Flügelkämpfe in Polen

Doch Anfang November erfolgte die Entscheidung mittels Mehrheitsentscheid. Polen und Ungarn nutzen jetzt das Veto gegen das Budget als Waffe, da dessen Verabschiedung Einstimmigkeit benötigt. Die Ostmitteleuropäer sind nicht die Einzigen, die kritisieren, dass der Rechtsstaatsmechanismus juristische und politische Diskussionen vermenge und bereits andere Mittel zur Bekämpfung von Missbrauch zur Verfügung stünden, etwa Vertragsverletzungsverfahren.

Doch gerade Ungarn hat eine Meisterschaft darin entwickelt, diese Schutzvorkehrungen für die europäische Rechtsordnung zu umgehen. Orbans dank EU-Geldern reich gewordene Entourage hat kein Interesse an einer Stärkung der Kontrollen.

Die Lage in Polen ist mit jener in Ungarn kaum vergleichbar: Korruption im Zusammenhang mit EU-Mitteln ist kaum ein Problem. Orban mag sich als großer Ideologe der illiberalen Demokratie aufspielen, doch die wahren Revolutionäre sitzen im Justizministerium in Warschau.

Sein Chef ist Zbigniew Ziobro, ein rechter Missionar, der mit seinen Reformen die Zerstörung der bestehenden Rechtsordnung beabsichtigt und mit seinem autoritären und chaotischen Vorgehen auf Konfrontationskurs mit Brüssel ist. Es war zunächst auch Ziobros Partei Solidarisches Polen, die mit dem Slogan „Veto oder Tod“ den Widerstand gegen die Verknüpfung von Budget und Rechtsstaatsmechanismus anführte.

Ministerpräsident Morawiecki, der als Vertreter des gemäßigten Flügels der drei-Parteien-Koalition in der Regierung gilt, hielt sich zunächst zurück. Noch im Sommer hatte er von einer „goldenen Ära“ gesprochen, die in den nächsten sieben Jahren dank den 160 Milliarden Euro aus Brüssel auf Polen zukomme.

In den letzten Tagen ist er aber auf die harte Linie Ziobros umgeschwenkt. Der schwache Regierungschef tat dies zweifellos auf Druck von Jaroslaw Kaczynski, der nach internen Querelen Zugeständnisse an die erstarkten Fundamentalisten um Ziobro machen muss.

Die Flügelkämpfe in Warschau, bei denen es auch um die Nachfolge des alternden Kaczynski geht, verkomplizieren die Lösungsfindung auf europäischer Ebene. Diplomaten und Kommentatoren gehen zwar mehrheitlich davon aus, dass finanziell und wirtschaftlich zu viel auf dem Spiel stehe, als dass die Regierungen einen Bruch mit der EU forcieren würden.

Die bürgerliche Zeitung „Rzeczpospolita“ spekuliert in ihren Kommentaren darüber, wie ein gesichtswahrender Kompromiss für Morawiecki aussehen könnte. Laut Medienberichten wird in Brüssel über eine leichte Abschwächung des Mechanismus, eine Zusatzvereinbarung oder eine Präzisierung der Vorbedingungen diskutiert.

Ob es der deutschen Ratspräsidentschaft allerdings gelingt, eine solche Lösung zu zimmern, muss sich erst weisen, zumal wichtige Geberstaaten und das Europaparlament kaum bereit scheinen, eine Verwässerung des Rechtsstaatsmechanismus hinzunehmen.

Pessimisten wie Tibor Navracsics, ein ehemaliger Orban-Vertrauter und EU-Kommissar, der als relativ gemässigt gilt, glauben, die europäischen Konfliktlösungsmechanismen stießen an Grenzen. Es gehe Polen und Ungarn nicht mehr um Geld.

„Es geht um Identität und nationale Souveränität“, schreibt er in einem vielbeachteten Kommentar. Die Länder fühlten sich immer stärker eingeschränkt und lehnten entsprechende Integrationsschritte ab. Es ist ein Grundkonflikt, der schon während des Streits um die Flüchtlingskrise 2015 aufbrach und bis heute weiterschwelt.