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Das Geheimnis der RTL Group – warum Bert Habets geschasst wurde

Der ehemalige RTL-Chef Bert Habets muss weiter auf seine Entlastung warten. Sein Nachfolger lässt seine Entscheidungen und Geschäftsvorgänge prüfen.

Thomas Rabe ist auf dem Luxemburger Kirchberg – dem Europaviertel des Großherzogtums – zuhause. Hier fing die außerordentliche Karriere des geborenen Luxemburgers mit deutschem Pass vor 19 Jahren als Finanzvorstand an. Der heutige Bertelsmann-Chef und seit April amtierende CEO der RTL Group hatte sich bereits im Jahr 2003 zum engen Vertrauten des damaligen Konzernchefs Gerhard Zeiler gemacht.

Der Österreicher schätzte – trotz seines Misstrauens – die Dienste seines ehrgeizigen Finanzvorstands. Rabe, der sportlich-asketische Sohn eines EU-Beamten, wollte schon damals alles. Vor allem wusste er sich in den eigenen Reihen beliebt zu machen. In frühen Jahren spielte Rabe mit den Kollegen regelmäßig Fußball. Dafür fehlt dem Chef des mächtigsten Medienkonzerns in Europa heute die Zeit.

Sein Netzwerk pflegt er heute anders. Am vergangenen Sonntag fuhr er zum Sommerfest der RTL Group am Konzernsitz – seine erste Firmenparty als neuer CEO des börsennotierten Fernsehkonzerns mit rund 600 Beschäftigen in Luxemburg. Für Rabe wurde es zu einem Welcome-back-Fest.

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Das Eigenartige: Der Abgang seines Vorgängers, Bert Habets, war ein Vierteljahr nach dessen Ausscheiden dort kein Thema mehr. Dabei hätte der Abgang des Niederländers nicht spektakulärer und geheimnisvoller sein können. Anfang April verließ Habets nach zwei Jahrzehnten in Diensten der Bertelsmann-Fernsehtochter den Chefsessel. Aus „persönlichen Gründen“ wurde damals geheimnisvoll als Ausrede gedichtet.

Danach gab es viel Rätselraten über den Auslöser des abrupten Endes. Doch es war keine Einzelentscheidung, die zum Bruch mit Habets führte. Das Geheimnis der RTL Group ist viel banaler. Es war Habets Führungs- und Entscheidungsschwäche, die zum schnellen Ende führte. „Mit den Details war er nie richtig vertraut“, kritisiert einer, der mit ihm zusammengearbeitet hat.

Das Verhältnis zum einflussreichen Nicolas de Tavernost, CEO der französischen RTL-Tochter M6 und zur früheren RTL-Deutschlandchefin Anke Schäferkordt, galt als schwierig. Die Erkenntnis, den falschen Mann am falschen Ort in schwierigen Zeiten gewählt zu haben, wuchs. Aus der Sicht des Großaktionärs musste die personelle Fehlentscheidung schnellstmöglich korrigiert werden. Deshalb zog Rabe die Reißleine und übernahm in Personalunion neben dem Vorstandsvorsitz von Bertelsmann auch den Chefposten der RTL Group. Eine für einen deutschen Dax-Konzern nicht vorstellbare Ämterhäufung.

Erinnerungen an Habets werden gelöscht

Habets tauchte unterdessen ab. Doch gut schlafen wird der Niederländer vermutlich eher nicht. Denn eine Entlastung durch die Hauptversammlung erhielt der frühere CEO im April bislang nicht. Wie es in Unternehmenskreisen heißt, kommt auch die ersehnte Entlastung für den abgesetzten Vorstandschef nicht so schnell.

Rabe lässt die Entscheidung und Geschäftsvorgänge seit Wochen minutiös überprüfen. Dafür lässt sich der neue RTL-CEO viel Zeit. Auch eine außerordentliche Hauptversammlung (HV) mit der möglichen Entlastung von Habets will er nicht einberufen. Insider berichten, dass dieser Schritt erst auf der nächsten Aktionärsversammlung im April 2020 stattfinden soll.

Habets wird also weiter auf heißen Kohlen sitzen müssen. Die HV bei der RTL Group ist ohnehin ein Privatissimum. Zur vergangenen Aktionärsversammlung im Konzernsitz Luxemburg unweit des Europäischen Gerichtshofs kamen zuletzt nur rund zwei Dutzend Aktionäre. Bertelsmann beherrscht schließlich den Konzern. Kritische Nachfragen zu Habets blieben aus. Nach gut zwei Stunden war das Aktionärstreffen auch schon wieder vorbei.

Der stets gute gelaunte Habets kam im April 2017 als Co-Chef zur RTL Group. Nach dem Ausscheiden des Co-CEOs Guillaume de Posch leitete der Holländer ab Januar 2018 den Konzern allein – bis zum 1. April 2019. Heute ist die Erinnerung an seine Managementleistung wie ausgelöscht. Das hat bei Bertelsmann Tradition. Wer in Ungnade gefallen ist, wird aus den Annalen des Konzerns gestrichen. Davon kann der frühere Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff ein Lied singen.

Der smarte Ökonom Rabe soll schon in jungen Jahren, als er noch zwischen seiner Wohnung im Luxemburger In-Viertel Limpertsberg und seiner Frau in Berlin-Mitte pendelte, von einem Job mit Einfluss geträumt haben. Sein Traum ist in Erfüllung gegangen. Kein Bertelsmann-Chef besaß je eine ähnliche Omnipotenz wie er. Ähnlich wie Mathias Döpfner und seine Rolle bei Axel Springer hat sich die Familie Mohn in eine große, derzeit unumkehrbare Abhängigkeit zu Rabe manövriert – mit offenem Ausgang.

Jede Woche schreibt Handelsblatt-Korrespondent und Buchautor Hans-Peter Siebenhaar seine Sicht auf die Kommunikationswelt auf.