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Die Krux mit Schmidts neuem Tierwohllabel

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) will ein staatliches Label für mehr Tierwohl einführen. Aber schon vor dem offiziellen Start hagelt es Kritik an den Plänen des Ministers.

Der Minister hat sich redlich Mühe gegeben, für das Thema zu trommeln. Seit Tagen wirbt Christian Schmidt für seine Pläne, ein staatliches Tierwohllabel einzuführen. Auf der Internationalen Grünen Woche solle es vorgestellt werden, hieß es. Nun beginnt die Berliner Agrarschau - aber viele Neuigkeiten gibt es noch immer nicht. Sein Ziel sei bis Ostern Klarheit über die Grundstrukturen zu schaffen, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag. Er gehe davon aus, dass die neue Kennzeichnung „im nächsten, übernächsten Jahr“ in den Ladentheken sein könne.

Mit dem Label soll Fleisch von Tieren gekennzeichnet werden können, deren Haltungsbedingungen über dem gesetzlichen Standard liegen. Den Plänen des Ministeriums zufolge soll das Label mehrere Stufen umfassen: je höher die Stufe, desto besser die Haltungsbedingungen der Tiere. Zunächst solle es zwei Stufen geben, sagte Schmidt in Berlin. „Eine dritte Stufe kann ergänzt werden, wenn sich nach der Markteinführung des Labels zeigt, dass es hierfür eine Nachfrage gibt.“

Dem Tierwohllabel liegt ein umfangreicher Kriterienkatalog zu Grunde, der unter anderem die Größe der Ställe, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere, Aufzuchtfragen und die Dauer von Tiertransporten umfasst, heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums. Gestartet wird mit Schweinefleisch, danach soll das Label für Geflügelprodukte erweitert werden. Zur Unterstützung der Markteinführung hat das Bundeslandwirtschaftsministerium 70 Millionen Euro eingeplant. Schmidt geht davon aus, dass das Label auf Interesse der Verbraucher stößt und verweist auf den Ernährungsreport 2017. Demnach würden 88 Prozent der Befragten mehr Geld für ausgeben, wenn diese aus Haltungen mit höheren Tierwohl-Standards stammten. Klar sei: „Tierwohl zum Nulltarif kann es nicht geben“, sagte Schmidt.

Trotz vieler Fürsprecher für mehr Tierwohl hagelt es bereits massiv Kritik. „Tierwohl hört sich gut an, aber das Tierwohl-Label des Bundeslandwirtschaftsministers greift zu kurz“, sagt Reinhild Benning, Expertin für Landwirtschaft und Tierhaltung bei der Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisation Germanwatch. Die Verbraucher wollten kein Tierleid im Stall. Damit sie sich aber bewusst gegen Produkte aus industrieller Tierhaltung entscheiden können, müssen diese beim Kauf leicht erkennbar sein. Bisher ist das nur bei Eiern der Fall: Der Handel ist gesetzlich verpflichtet, alle Eier mit Ziffern von 0 für das Bio-Ei bis 3 für das Ei aus Käfighaltung zu kennzeichnen.

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Das Tierwohl-Label sei ein Versuch des Handels, eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für die Haltungsform auf allen Lebensmitteln von Tieren zu verhindern, kritisierte Germanwatch. „Das Label ändert nichts daran, dass Konzerne und Discounter weiterhin Billigfleisch massiv bewerben dürfen, oft mit falschen Versprechen wie „Wiesenhof“ und „Bauernglück“, auch wenn die Tiere nie auf der Wiese waren und Bauern ruinöse Preise erhalten.“ Nur wenn diese legale Irreführung der Verbraucher gestoppt werde, hätten Bauernhöfe mit tiergerechterer Haltung und zumeist geringerem Antibiotikaeinsatz eine faire Chance am Markt. Der Bundesrat, so Germanwatch, habe bereits 2014 Vorschläge für eine Pflichtkennzeichnung auf den Weg gebracht, die Bundesminister Schmidt bislang jedoch nicht konstruktiv aufgegriffen habe.

Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sprach sich für ein verpflichtendes Tierwohllabel aus, unterstützt jedoch Schmidts Vorstoß, ein freiwilliges Tierschutzlabel zu initiieren, als einen ersten Schritt. Nötig seien aber weitere konkrete Maßnahmen für mehr Tierwohl und die bessere Orientierung der Verbraucher, sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Bei einem freiwilligen Label dürfe man es nicht bewenden lassen. „Wir brauchen eine EU-weite Haltungskennzeichnung für alle Nutztiere und eine Nutztierhaltungsstrategie, die klar definiert, wie wir die Haltungsbedingungen verbessern können.“

Die Grünen kritisierten das Label als „reines Wahlkampfgetöse“. Die Bauern müssten wissen, wo die Reise hingehen soll, doch Schmidt lasse sie im Ungewissen, sagte der agrarpolitische Sprecher Friedrich Ostendorff der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Statt unmittelbar Geld in die Verbesserung des Tierschutzes zu investieren, flössen nun 70 Millionen Euro an Werbeagenturen. Ostendorff forderte eine verpflichtende Haltungskennzeichnung auf Fleischpackungen und „keine Schönfärberei.“

Unter Landwirtschaftsminister Schmidt komme die Agrarwende im Sinne des Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutzes nicht voran, kritisierte Grünen-Chefin Simone Peter. „Die Bundesregierung klammert sich an überholte Konzepte und führt im Wesentlichen die Wünsche der Agrarindustrie aus - von Gentechnik bis Massentierhaltung.“ Auch Signale zur Förderung einer ökologischen und bäuerlichen Landwirtschaft seien kaum wahrnehmbar.

„Die quälerische Massentierhaltung bleibt der große Skandal unserer Landwirtschaft´“, so Peter. „Ziel muss endlich eine Tierhaltung sein, die allen Tieren ein würdiges Leben ermöglicht. Dafür muss die Bundesregierung gezielte Förderung anbieten und den gesetzlichen Rahmen grundlegend nachbessern.“

KONTEXT

Was bringt das staatliche Tierwohl-Label?

Was ist der Sinn des neuen Labels?

"Der Verbraucher soll verlässlich wissen, dass mit dem, was er bezahlt, ein höherer Tierwohl-Standard umgesetzt wird", lautet Schmidts zentrale Maxime. Soll heißen: höher als die gesetzlichen Anforderungen, zum Beispiel mit mehr Platz oder Spielmaterial für Schweine in den Ställen. Dabei soll das staatliche Siegel in die Breite des Marktes gehen und nicht nur für Nischenprodukte gelten.

Wie soll das Label funktionieren?

Den unmittelbaren Startschuss für das Siegel will der Minister noch nicht geben - aber Eckpunkte und einen Fahrplan vorstellen. Kommen soll das Label "spätestens 2018", und zwar zuerst für Schweine und Mastgeflügel. Neben frischem Fleisch soll es auch für Fertiggerichte und Wurst verwendet werden können - und zwar freiwillig und nicht verordnet per Gesetz. Geplant sind mehrere Stufen, allerdings gehe es ganz grundsätzlich nicht um ein "Premium-Luxus-Label".

Was können Verbraucher erwarten?

Tatsächlich kleben Logos schon auf manchen Packungen. Auf breiter Front im Milliardenmarkt durchgesetzt und große Bekanntheit erlangt haben sie aber nicht. "Das heißt, dass immer der niedrigste Preis das ausschlaggebende Kaufkriterium ist", analysiert Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Dabei sei besserer Tierschutz vielen Kunden mehr Geld wert - wenn auch nicht gleich die bei Fleisch deutlich teurere Biostufe. Daher sei ein staatliches Siegel wichtig, mit dem Anbieter auch nicht "wild durch die Gegend werben" können.

Gibt es nicht schon ähnliche Vorstöße?

Verschiedene Initiativen für bessere Bedingungen in Ställen laufen schon. Darunter sind ein vom Ministerium unterstütztes Siegel des Tierschutzbunds und die "Initiative Tierwohl" von Landwirtschaft und Handel. Dabei zahlen Supermarktketten in einen Fonds ein, aus dem freiwillig teilnehmende Landwirte Geld bekommen - ein spezielles Logo auf den Packungen gibt es hier aber nicht. Bauernpräsident Joachim Rukwied mahnt an, dass dieses Programm nicht gefährdet werden dürfe, das schon 13 Millionen Schweine in bessere Haltungsformen gebracht habe. Schmidt ließ durchblicken, dass er diese Substanz nutzen will.

Welche Kritik an den Plänen wird schon laut?

Zentraler Kritikpunkt von Tier- und Umweltschützern und Opposition ist die geplante Freiwilligkeit des Labels. "Wenn der Minister das Leben der Tiere in den Ställen tatsächlich verbessern wollte, wäre die Kennzeichnung verbindlich", sagt Grünen-Verbraucherexpertin Nicole Maisch. Zumindest ergänzend nötig sei auch, das gesetzliche Niveau der Nutztierhaltung insgesamt anzuheben, fordert der Deutsche Tierschutzbund. Das routinemäßige Kürzen von Schwänzen bei Ferkeln müsse nicht nur freiwillig in "gelabelten" Ställen ein Ende haben.