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Gegen die Eon-Dominanz: Ostdeutschland bekommt neuen Energieversorger

Anfang 2021 will Sachsen Energie an den Start gehen. Es wäre der größte unabhängige Versorger im Osten – und soll die Dominanz von Eon und RWE brechen.

Um die sächsische Landeshauptstadt formiert sich der größte unabhängige Kommunalversorger Ostdeutschlands. Foto: dpa
Um die sächsische Landeshauptstadt formiert sich der größte unabhängige Kommunalversorger Ostdeutschlands. Foto: dpa

In der Landkarte, die Frank Brinkmann gerne präsentiert, sind weite Teile Deutschlands rot markiert. Vor allem der Osten leuchtet bis auf wenige weiße Flecken in dieser Farbe. „Wir sind wie ein gallisches Dorf umzingelt. Um uns herum ist alles Eon-rot“, sagt der Energiemanager. Seit der Übernahme von Innogy kontrolliere Deutschlands größter Energiekonzern Ostdeutschland fast komplett, so lautet Brinkmanns Botschaft.

Um dieser Dominanz ein wenig entgegenzutreten, formt der 53-Jährige einen neuen Energieversorger, der Anfang kommenden Jahres an den Start gehen soll: Sachsen Energie. Dafür fusionieren der Versorger der Landeshauptstadt, Drewag, und der im ostsächsischen Umland tätige Regionalversorger Enso.

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„Wir sind dann der größte Kommunalversorger in Ostdeutschland“, sagt Brinkmann, der das Unternehmen führen wird, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Sachsen Energie wird rund ein Million Kunden versorgen, mehr als 2,8 Milliarden Euro umsetzen sowie 3300 Mitarbeiter beschäftigen. Das Unternehmen wird pro Jahr rund 24 Terawattstunden Gas und 12 Terawattstunden Strom liefern.

Bundesweit sieht sich das Unternehmen, gemessen am kombinierten Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) der Fusionspartner von zuletzt 214 Millionen Euro, unter den 800 konzernunabhängigen Kommunalversorgern auf Position vier, hinter den Stadtwerken München, EWE aus Oldenburg und der Mannheimer MVV Energie.

„Wir erreichen mit der Fusion eine kritische Größe, die wir auch benötigen“, sagt Brinkmann. Er sieht Drewag und Enso gleich zweifach unter Druck. Zum einen werden sich die Bedingungen im Netzgeschäft durch die schärfer werdende Regulierung durch die Bundesnetzagentur verschlechtern. Ab 2023 sind damit Ertragseinbußen von knapp 40 Millionen Euro verbunden.

Und zum anderen stehen die unabhängigen Versorger in Ostdeutschland einem neuen Schwergewicht gegenüber. Durch das Tauschgeschäft mit dem Konkurrenten RWE und der Übernahme von dessen Tochter Innogy hat Eon jetzt zwei mächtige Regionalversorger im Osten, die große Teile der Landkarte abdecken. Zur eigenen Tochter E.dis mit Sitz in Brandenburg kam die Innogy-Tochter EnviaM mit Sitz im sächsischen Chemnitz dazu.

Beide Unternehmen setzen jeweils rund drei Milliarden Euro um. Zudem ist Eons Tochter Avacon mit Sitz in Niedersachsen zu einem Drittel auch im Osten aktiv. Außerdem kommen noch mehr als 20 Minderheitsbeteiligungen an ostdeutschen Stadtwerken hinzu.

„Wir mussten ökonomisch und mit Blick auf den Wettbewerb reagieren“, sagt Brinkmann: „Durch die Transaktion von Eon und RWE sind wir jetzt mit einer ganz neuen Marktmacht konfrontiert – auch das bewegte uns zum Handeln.“

Dabei sind Drewag und Enso schon seit rund zehn Jahren über die Eigentümer verbunden. An Drewag hält die Stadt Dresden 90 Prozent und will vor der Fusion die restlichen zehn Prozent vom Minderheitsaktionär, dem Stadtwerke-Netzwerk Thüga, aufkaufen. An der Enso, der Energie Sachsen Ost AG, die in den Landkreisen, Meißen, Bautzen, Görlitz und Sächsische Schweiz/Osterzgebirge aktiv ist, hält Dresden knapp 72 Prozent. Der Rest der Anteile liegt bei 168 Kommunen.

Auch wegen lokaler Befindlichkeiten wurden beide Unternehmen bisher getrennt geführt. Als Brinkmann im Jahr 2018 berufen wurde, wurde er aber in Personalunion Chef beider Unternehmen. Seither verfolgt er den Plan, die Unternehmen zu verschmelzen. Die Vorarbeiten sind abgeschlossen, alle anderen Leitungsfunktionen auch schon in Personalunion besetzt, viele wichtige Prozesse wurden vereinheitlicht.

Klage gegen die Transaktion von Eon und RWE

„Zum Jahreswechsel wollen wir als Schlusspunkt die Fusion nun auch vertraglich besiegeln“, sagt Brinkmann. Die Verhandlungsführer der Eigentümer hätten schon zugestimmt, jetzt gehe der Plan durch die Stadträte von 168 Kommunen. „Bisher haben wir in einer wilden Ehe zusammengelebt, jetzt wollen wir den Trauschein.“

Sachsen Energie wird sich nach Brinkmanns Worten auch bundesweit nach Geschäftschancen umschauen. „Den Schwerpunkt sehe ich aber ganz klar in der Region“, hält er fest. In den kommenden zehn Jahren will das Unternehmen allein rund zwei Milliarden Euro in seine Infrastruktur investieren. „Die ökonomischen Vorteile sind eindeutig der Haupttreiber für die Fusion – daneben aber auch die Verbesserung der Versorgungsinfrastruktur in Sachsen“, sagt der Energiemanager.

In der Heimatregion hat Sachsen Energie schließlich schon genug Gegenwind. „Besonders in Ostdeutschland sind die Auswirkungen der Eon/RWE-Transaktion groß“, sagt Brinkmann: „Eon kann im Vertrieb mit seinen vielen Marken viel Druck ausüben und auch die neue Stärke von RWE in der Stromproduktion hat Auswirkungen auf den Wettbewerb.“ Den Skaleneffekten, die Eon und RWE heben können, will er die „Verankerung vor Ort“ entgegenhalten.

Seine Unternehmen haben sich gemeinsam mit einer Reihe anderer Kommunalversorger schon während des Genehmigungsprozesses gegen die Freigabe der Transaktion ausgesprochen – und leisten noch immer Widerstand. Im Frühjahr legten die Dresdener gemeinsam mit einer Gruppe namhafter Kommunalversoger beim Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg Klage gegen den Megadeal ein. Mit einer Nichtigkeitsklage greifen sie die Freigabe der Transaktion durch die EU-Kommission an.

„Die Auflagen, die verhängt wurden, sind bei einer so hohen Marktkonzentration ein Witz“, erläutert Brinkmann. Man müsse sich nur die dominante Position anschauen, die die Transaktion bei Vertrieb, Netzen und in der Erzeugung mit sich gebracht habe. Eon und RWE sehen dem Prozess zwar nach eigenen Angaben gelassen entgegen. Sie verweisen auf die umfangreiche Prüfung der Transaktion und haben auch stets die Vorwürfe zurückgewiesen, eine unzulässige Marktmacht zu erlangen.

Eine zusätzliche Schärfe brachte jetzt noch die Bundesregierung hinein, die sich mit einem Streithilfeantrag überraschend in das Verfahren einmischte und Eon und RWE zur Seite stehen will. In einem offenen Brief kritisierten Enso, Drewag und ihre Mitstreiter das deutlich. Darin warfen sie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor, sich zum Nachteil der Verbraucher an die Seite der beiden „marktbeherrschenden Unternehmen“ und „gegen einen fairen Wettbewerb“ gestellt zu haben.

„Es hat uns schon sehr überrascht, dass sich die Bundesregierung im Verfahren vor dem EuG als Streithelfer auf die Seite von Eon und RWE geschlagen hat“, erläuterte Brinkmann: „Das ist eine klare Parteinahme für den neuen nationalen Champion und eine Ohrfeige für alle Kommunalversorger.“