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Gedämpfte Erwartungen: Warum Curevac für den Impfstoff jetzt von einer Wirksamkeit von 70 Prozent ausgeht

Länger war es still um den Impfstoffentwickler Curevac aus Tübingen. Gespannt warteten alle auf die Daten zur Wirksamkeit des mRNA-Impfstoffs aus der großen Zulassungsstudie. Doch statt diese Zahlen zu veröffentlichen, überraschte das Unternehmen nun mit einem ungewöhnlichen Schritt. Es verbreitet die Nachricht, ihr Impfstoff sei möglicherweise nur zu 70 Prozent wirksam, mit einer Range nach oben oder sogar nach unten.

CEO Haas sprach vergangene Woche mit dem "Handelsblatt" über diese geringeren Erwartungen, der Börsenkurs sank. Allerdings ist der Kurs bei allen Impfstoffherstellern, auch denen, die bereits hunderte Millionen Dosen auf den Markt gebracht haben, volatil. „Seit Beginn des Jahres hat sich die COVID-19-Realität stark verändert. Der ursprüngliche Virusstamm, den wir im Jahr 2020 bekämpft haben, ist heute durch die Ausbreitung anderer Virusvarianten und das Auftreten neuer Virusstämme so gut wie verdrängt worden. Unserer Meinung nach untersuchen wir die Wirksamkeit in einer der vielfältigsten Studien mit Blick auf das breite Aufkommen von Virusvarianten“, sagt Curevac CEO Franz-Werner Haas gegenüber Business Insider.

Die Firma könne nichts Genaueres sagen, da sie überhaupt noch keine Daten aus der Wirksamkeitsstudie hätten. Am Freitag vergangener Woche sagte auch die Europäische Arzneimittelagentur auf einer Pressekonferenz, dass Curevac ihnen die Zahlen der Zulassungsstudie noch nicht geliefert habe.

Das Virus, gegen das die ersten Vakzine wirkten, gibt es in der Form nicht mehr

Warum werden dann also jetzt schon die Erwartungen an die Wirksamkeit gesenkt? Zum einen, da klar ist, dass die hohe Wirksamkeit von 95 Prozent der Konkurrenten von Moderna und Biontech/Pfizer nicht erreicht werden können – denn das Virus, gegen das diese Vakzine eingesetzt wurden, existiert in dieser Form nicht mehr. Nun sind die Varianten aktiv: die britische, jetzt Alpha genannt, die südafrikanische (Beta), die brasilianische (Gamma), die indische (Delta) und sehr viele mehr.

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Das Virus mutiert, und die mRNA-Vakzine schützen zwar sehr gut vor den Varianten, aber nicht mehr zu 95 Prozent. Biontech/Pfizer haben ihren Impfstoff im Labor gegen 30 verschiedene Varianten getestet und die Ergebnisse kürzlich im "New England Journals of Medicine" veröffentlicht. Dort finden sich allerdings keine Zahlen zur Wirksamkeit, was auch keinen Sinn ergeben würde bei einem Laborexperiment. Schließlich sieht die Situation beim Menschen stets noch ein bisschen anders aus als in einer Zellkultur.

Eine Studie, die von Anfang April bis Mitte Mai dauerte, ergab, dass das Biontech/Pfizer-Vakzins gegen die indische Variante Delta (B.1.617.2) zu 88 Prozent wirksam ist. Dies ist eine äußerst erfreuliche Nachricht, da diese Variante in kurzer Zeit weltweit die Oberhand zu gewinnen scheint. Zwei Dosen mit dem Vakzin von AstraZeneca schützen zu 60 Prozent vor dieser Variante.

Curevac testet den Impfstoff gegen viele verschiedene Varianten

Doch in Wahrheit ist die Situation noch komplexer geworden. So grassieren inzwischen drei Versionen der ursprüngliche indischen Variante Delta (B.1.617). Es gibt eine Unterform der Variante, die in der oben erwähnten Studie untersucht wurde (B.1.617.2) und eine eher seltene, weitere Untervariante (B.1.617.3). Die Varianten treten inzwischen "in Familien auf", mit jeweils mehreren Unterstämmen, sagt auch die Sprecherin von Curevac.

Curevac, die mit ihrer Zulassungsstudie etwas später als Moderna und Biontech/Pfizer begonnen haben, testen ihr Serum gegen diese verschiedenen Varianten des Coronavirus. Einen Impfstoff gegen diese genetisch inzwischen variablen Formen von Covid-19 zu entwickeln, sei ungleich komplexer als noch vor sechs Monaten, sagt die Sprecherin. Curevac sequenziert das genetische Material der Covid-Fälle, die in der Studie auftreten. Der Nachteil ist, dass dieser Prozess länger dauert.

Die Firma hat bislang immer gesagt, dass dies Mitte Juni der Fall sein wird, wenn die 160 erforderlichen Covid-19 Fälle aufgetreten und in der Studie ausgewertet wurden. Sobald die Studie möglicherweise noch im Juni ausgewertet werden könne, soll zeitnah der Zulassungsantrag bei der EMA eingereicht werden. Damit läge Curevac noch in seinem Zeitplan.

Um die Wirksamkeit des Curevac-Impfstoffs errechnen zu können, müssen unter den 40.000 Teilnehmern der Studie in Europa und Südamerika 160 Infektionsfälle aufgetreten sein. Je weniger Infektionsfälle dabei in der Impfstoff-Gruppe aufgetreten sind, desto höher die Wirksamkeit.

Der Kampf gegen Corona wird zum Langstreckenlauf

Auch wenn Experten und die Öffentlichkeit nun ungeduldig mit dem Tübinger Impfstoff-Entwickler werden, scheint sich inzwischen abzuzeichnen, dass der Kampf gegen Corona kein Kurzstrecken-, sondern eher ein Mittelstrecken- oder sogar ein Langstreckenlauf wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden Booster-Impfungen benötigt, das heißt, Geimpfte bräuchten nach einer gewissen Zeit eine Auffrischungsimpfung. Wann und mit welchem Impfstoff dies sein wird, wird derzeit erforscht. Auch Curevac arbeitet schon an einer zweiten Generation von Impfstoffen.

Eine jährliche Impfung ist die Regel zum Beispiel im Fall der Grippe (Influenza), die jedes Jahr neu verimpft wird, da sich das Virus jedes Jahr verändert. Gesunde Erwachsene sind nach der Impfung zu 50 bis 71 Prozent geschützt, bei älteren Erwachsenen sinkt die Wirksamkeit. Sie sind nur zwischen 41 und 63 Prozent vor den Grippeviren gefeit. Die Wirksamkeit von Grippeimpfstoffen bei Kindern und Jugendlichen liegt etwas höher, zwischen 59 und 67 Prozent.

Ganz wichtig bei der Entwicklung der Tübinger Firma wird aber ein völlig anderer Punkt sein. Curevac arbeitet wie Biontech an mRNA-Impfungen gegen Krebs. Da nun die mRNA-Technologie unter Beweis gestellt hat, dass sie funktioniert, könnte ein Durchbruch bei der Entwicklung einer Krebsimpfung eine Revolution in der Tumortherapie bedeuten. Denn mRNA ist am Anfang erdacht worden für den Kampf gegen Tumore. Erst die Pandemie hat dazu geführt, dass Biontech in die Impfstoffentwicklung gesprungen ist und damit den weltweit ersten Impfstoff gegen Covid-19 auf den Markt gebracht hat.

Auch Curevac wird davon profitieren, dass die Technologie sich bei Millionen Menschen, die eine Impfung erhalten haben, etabliert hat. Noch vor zwei Jahren hätte niemand damit gerechnet, dass heute bereits weltweit Millionen Menschen einen Schutz vor einem Virus erhalten haben – und nun wohl fast jeder Mensch die mRNA-Technologie kennt.