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Warum gebrauchte Autos in der Türkei teurer sind als Neuwagen

In der Coronakrise hat gerade in türkischen Großstädten das Pkw-Verkehrsaufkommen zugenommen. Verschiedene Faktoren lassen dabei die Autopreise steigen.  (Foto: Getty Images)
In der Coronakrise hat gerade in türkischen Großstädten das Pkw-Verkehrsaufkommen zugenommen. Verschiedene Faktoren lassen dabei die Autopreise steigen. (Foto: Getty Images)

Aus Angst vor einer zweiten Corona-Welle werden Pkw gegen Bargeldreserven versilbert. Dennoch steigen die Preise – auch wegen einer Luxussteuer.

Auf einem Parkplatz in der Schwarzmeermetropole Trabzon, auf dem Gebrauchtfahrzeuge verkauft werden, haben früher bis zu 300 Autos pro Tag den Besitzer gewechselt. Doch seit dem Sommer sind es täglich weniger als 50. Der Grund: Die Autos aus zweiter Hand sind zu teuer geworden.

In der Türkei ist der im Zuge der Corona-Pandemie der Markt für Gebrauchtfahrzeuge und andere Produkte aus zweiter Hand stark gewachsen. Doch trotz Angebotsschwemme steigen die Preise.

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Für einen gebrauchten Peugeot, für den man vor Beginn der Pandemie noch rund 30.000 türkische Lira (3825 Euro) bekam, verlangen Händler inzwischen das Doppelte. Auf Internetplattformen finden sich Angebote für Gebrauchtwagen, die teurer verkauft werden als der vergleichbare Neuwagen. Ein gerade einmal zwei Monate alter Fiat Legea, der neu 109.000 Lira kostet, wird auf der Anzeigenplattform Sahibinden.com für 115.000 Lira angeboten.

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„Die Preise sind grundsätzlich mindestens 20.000 Lira höher als vor der Pandemie“, sagt ein Interessent, der in einer Markthalle in Istanbul vergeblich nach Gebrauchtwagen gesucht hat. Das von ihm vermutete Preisplus entspreche dem Zehnfachen des türkischen Mindestlohns.

Nach Erhebungen von Cardata, einer türkischen Datenfirma für Gebrauchtwagenpreise, haben sich die durchschnittlichen Verkaufspreise für ein identisches Modell von 124.400 Lira im Juni auf 133.100 Lira im Juli erhöht. Im Januar lag dieser Durchschnittspreis noch bei 101.300 Lira.

„Wir kaufen teuer und verkaufen teuer“

Ibrahim Kinik, Präsident des türkischen Verbandes für Gebrauchtwagenhändler, beobachtet das Phänomen mit Sorge. Auch seine Verbandsmitglieder, die Gebrauchtwagenhändler, würden von den Preisanstiegen kaum profitieren. „Wir kaufen teuer auf und verkaufen teuer“, erklärt er auf Anfrage.

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Viele Türkinnen und Türken verkaufen derzeit wertvolle Güter. Sie wollen sich mit Einkünften aus Zweitverkäufen finanziell absichern, falls es im Herbst zu einer zweiten Pandemiewelle kommt. Das sorgt für ein großes Angebot, vor allem bei Autos und Immobilien.

Die Zahl der Inserate für Gebrauchtautos auf Anzeigenplattformen hat sich nach Aussagen der Firmen verdoppelt. Der Anteil verkaufter Immobilien hat sich im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat verdreifacht. Dadurch müssten eigentlich die Preise sinken.

Importstopp sorgt für Angebotsknappheit bei Neuwagen

Doch gleichzeitig ist die Nachfrage nach Gebrauchtwagen deutlich gestiegen: Denn derzeit werden kaum neue Importfahrzeuge in das Land geliefert. Das liegt vor allem am Corona-bedingten Produktionsstopp vieler Autofabrikanten in den vergangenen Monaten. Marktbeobachter rechnen damit, dass die Türkei frühestens im September wieder mit ausreichend Neuwagen versorgt werden kann.

Hinzu kommt, dass die türkische Wirtschaft nach dem Ende der strikten Ausgangsbeschränkungen zwischen März und Juni wieder hochgefahren ist. Die Analysten von Oyak Securities rechnen für die anstehende Berichtssaison bei vielen türkischen Unternehmen mit positiven Ergebnissen im Vergleich zum ersten Quartal.

In vielen Wirtschaftsbereichen erhalten Arbeiter und Angestellte wieder ein Einkommen. Damit steigt auch die Nachfrage nach Automobilen. In Großstädten wie Istanbul oder Ankara sind im Zuge der Pandemie viele Pendler von der Bahn aufs Auto umgestiegen. Ohnehin sind aus Angst vor einer Ansteckung in öffentlichen Verkehrsmitteln auf türkischen Straßen nun mehr Autos unterwegs.

„Weil mehr Autos nachgefragt werden, aber die Importe auf nahezu null gesunken sind, weichen die Käufer auf den inländischen Gebrauchtwagenmarkt aus“, erklärt Evren Aykin, der in Istanbul eine Verkaufsgalerie für Autos besitzt.

Eine Luxussteuer und günstige Kredite treiben die Preise

Auch die Regierung hat ihren Teil zur Preissteigerung beigetragen. Vor zwei Jahren führte die von Staatspräsident Erdogan angeführte Administration in Ankara eine Luxussteuer für viele Produkte ein, darunter Neufahrzeuge. Die Höhe der ÖTV genannten Steuer (Özel Tüketim Vergisi, deutsch: „spezielle Verbrauchssteuer“) hängt vom Hubraum des Fahrzeugmotors ab und kann bis zu 50 Prozent des Kaufpreises betragen.

Wer seinen Neuwagen vor Einführung der Steuer gekauft hat, kann nun beim Verkauf einen realen Gewinn einfahren. „Die derzeitigen Preise für Gebrauchtfahrzeuge konvergieren um die Differenz der ÖTV-Steuer“, erklärt Autoexperte Orhan Ülgür.

Außerdem bieten staatliche Banken im Zuge der Corona-Pandemie günstige Darlehen mit einem effektiven Jahreszinssatz von 0,49 Prozent an, der unter anderem für Autos, Häuser und größere private Konsumanschaffungen wie Küchengeräte gilt. So soll der inländische Konsum angekurbelt werden. Doch wenn Verbraucher günstig Kredite aufnehmen können, steigen in der Regel die Verkaufspreise – ein Phänomen, das wegen der Niedrigzinsen jüngst auch am deutschen Häusermarkt zu beobachten war.

Verbände und Automobilfirmen fordern, die Luxussteuer auszusetzen. Das würde ebenfalls den Konsum ankurbeln und gleichzeitig den Preisdruck vom Gebrauchtwagenmarkt nehmen. Doch die Regierung hat bisher keine entsprechende Bereitschaft erkennen lassen.

Ob die Preise für Gebrauchtwagen daher schnell wieder sinken, bezweifeln Experten wie Ülgür. Wer sich jetzt für einen Neuwagen entscheide, müsse bis zu neun Monate auf die Lieferung warten, erläutert die türkische Tageszeitung „Sözcü“. Und wer so lange nicht warten könne, der greife dann doch zum teuren Gebrauchtwagen.

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