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Lebensversicherung boomt: Deutsche Versicherer heben Prognose an

Der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft über die EZB-Zinspolitik und die steigende Nachfrage nach Lebensversicherungen.

Wolfgang Weiler kennt das Versicherungsgeschäft seit mehr als 30 Jahren. Lange leitete er den Versicherer Huk-Coburg, der unter seiner Führung zum deutschen Marktführer bei Kfz-Policen aufstieg.

Seit 2017 führt der 67-Jährige den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin – und ist damit die Stimme der Versicherer in der Politik. Mit dem Handelsblatt sprach der passionierte Radfahrer über die aktuelle Lage der deutschen Lebensversicherer.

Herr Weiler, Dienstag treffen die Versicherer zur Mitgliederversammlung in Berlin zusammen. Wie ist die Stimmung in der Branche derzeit?
Die Stimmung ist positiv, aber nicht euphorisch. Das wirtschaftliche Umfeld bleibt schwierig: Die extrem niedrigen Zinsen und die sich abschwächende Konjunktur belasten natürlich. Aber die Lage der Branche ist solide – und die Geschäftsergebnisse des ersten Halbjahres geben Anlass zu Optimismus.

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Die Beitragseinnahmen der Versicherer stiegen 2018 erstmals über 200 Milliarden Euro. Hat sich dieser Trend auch 2019 fortgesetzt?
Tatsächlich hat sich dieser Trend sogar beschleunigt. Im vergangenen Jahr hatten wir einen Beitragszuwachs über die gesamte Branche hinweg von 2,1 bis 2,2 Prozent. Im ersten Halbjahr haben wir diesen Zuwachs aber noch einmal übertroffen. Vor allem die Lebensversicherung legte mit rund neun Prozent in den ersten sechs Monaten sehr stark zu. Aber auch die Schaden- und Unfallversicherung wächst weiter mit rund drei Prozent. In der Summe lässt uns das hoffen. Wir gehen davon aus, dass wir im Gesamtjahr 2019 besser als im Vorjahr und besser als ursprünglich erwartet abschneiden werden.

Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet die Nachfrage nach Lebensversicherungen jetzt so rasant zulegt?
Nun, ich denke, dass der Schritt zu erkennbaren Negativzinsen bei einer Reihe von Anlagen – praktisch alle deutschen Staatsanleihen bieten nur noch Minuszinsen – einen nachhaltigen Eindruck bei den Sparern hinterlassen hat. In dieser Situation suchen die Anleger nach einem sicheren Hafen. Ein Investment in eine Lebensversicherung, die zuletzt immer noch durchschnittliche Verzinsungen von 2,5 bis drei Prozent bietet, wird so wieder interessanter.

Wie groß ist denn inzwischen der Anteil der neuen Lebensversicherungspolicen ohne Garantie?
Also, im vergangenen Jahr lag der Anteil am Neugeschäft dieser neuen Produkte bereits in der Größenordnung von rund 60 Prozent – in der privaten Rentenversicherung. Ich gehe davon aus, dass dieser Anteil im laufenden Jahr noch einmal deutlich steigen wird – auch weil viele Anbieter das Geschäft mit den klassischen Policen mit Garantie inzwischen eingestellt haben.

Kein Wunder, viele Kunden klagen über die mickrigen Renditen bei Neuabschlüssen in der Lebensversicherung. Glauben Sie, dass angesichts der EZB-Zinspolitik auch der Garantiezins von derzeit 0,9 Prozent für die klassischen Policen wackelt?
Ich denke, dass das Bundesfinanzministerium bei seiner nächsten Überprüfung sicher eine neuerliche Absenkung des Garantiezinses in Erwägung ziehen wird. Allerdings hat die Bedeutung eines solchen Schritts für die Lebensversicherten nachgelassen. Inzwischen schließen deutlich mehr als die Hälfte der Kunden Verträge ab, die keine jährliche Garantieverzinsung mehr bieten und im Gegenzug höhere Renditen versprechen. Eine Absenkung des Garantiezinses trifft also nur eine Minderheit der Neukunden.

Große Versicherer wie Generali haben sich inzwischen von ihren Altbeständen getrennt und diese in die Hände von Abwicklungsplattformen gelegt. Werden wir weitere solcher Run-offs, wie sie in der Branche genannt werden, sehen?
Ich habe dafür keine Anhaltspunkte. Ich kenne auch keine anderen größeren Transaktionen, die derzeit unterwegs wären. Es wird aber natürlich immer ein Thema bleiben. Für einige Versicherer kann es angesichts der Zinssituation eine Option sein, einen solchen Schritt zu gehen. Wir sollten uns auch davor hüten, einen solchen Run-off an den Pranger zu stellen. Denn die Verträge werden danach unverändert fortgeführt. Für die Kunden ändert sich dabei außer dem Namen erst einmal nichts.

Die Finanzaufsicht hat derzeit 20 von 84 deutschen Lebensversicherern in einer intensivierten Aufsicht, weil mittel- bis langfristig finanzielle Probleme drohen. Wie viel Sorgen muss man sich um die Versicherer machen?
Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um unsere Mitgliedsunternehmen. Ich weiß natürlich nicht, um welche Unternehmen es im Einzelnen geht, schließlich veröffentlicht die Bafin diese Namen nicht. Aber grundsätzlich ist die Lage der Branche sehr solide. Wir haben im vergangenen Jahr eine durchschnittliche Solvenzquote, die ein wichtiges Kriterium für die finanzielle Stabilität der Firmen ist, von 317 Prozent ohne Übergangsmaßnahmen ausgewiesen. Nötig wären nur 100 Prozent gewesen. Das lässt mich ruhig schlafen.

Die Kluft zwischen den Versicherern wird indes immer größer. Inzwischen hat Allianz Leben einen Marktanteil im Neugeschäft von knapp 25 Prozent. Drohen dem Markt angesichts dieser Dominanz Verwerfungen?
Ich kann die Geschäftsentwicklung einzelner Unternehmen nicht kommentieren. Die Allianz ist Marktführer im Bereich Leben – aber sie ist nicht die einzige Firma, die dort erfolgreich unterwegs ist. Einige Anbieter haben dabei früh mit der Umstellung auf neue Produkte angefangen, andere dagegen später. Auch bei der betrieblichen Altersvorsorge sind die Firmen unterschiedlich aktiv. Und da sich diese Felder jeweils deutlich anders entwickelt haben, sehen wir nun auch unterschiedliche Entwicklungen bei den Firmen. Aber eine Verwerfung des Marktes kann ich dabei in Deutschland nicht erkennen.

Spricht aus dem starken Wachstum der Allianz nicht auch die Sorge der Kunden um die Finanzstärke der weniger robust aufgestellten Anbieter?
Ich glaube eher, dass das Vertrauen in die Lebensversicherung zuletzt wieder gewachsen ist. Wir sehen schließlich bei vielen Firmen Zuwächse beim Neugeschäft – und nicht nur beim Marktführer. Wenngleich wohl kaum ein anderes Unternehmen zuletzt so stark zulegen konnte.

Das Bundesfinanzministerium will die Provisionen deckeln, wogegen die Branche Sturm läuft. Verteidigen Sie nicht ein Geschäftsprinzip, das renoviert gehört?
Nein, auf keinen Fall. Die Abschlussprovisionen sind in den letzten Jahren bereits gesunken – es ist also schon einiges passiert. Doch ich kann überhaupt nicht verstehen, wieso die Politik meint, dass sie feststellen kann und soll, wie viel eine Leistung in einem marktwirtschaftlichen System kosten darf. Mit Wettbewerb hat das nicht mehr viel zu tun. Wird demnächst auch den Autoverkäufern vorgeschrieben, wie viel sie zu verdienen haben? Ich verstehe das wirklich nicht, zumal ich keinen Missstand erkennen kann. Nicht mal das Finanzministerium behauptet, dass ein Missstand vorliegt.

Herr Weiler, vielen Dank für das Interview.