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Eine ganze Woche ohne Golf

VW und der Streit mit Prevent - Eine ganze Woche ohne Golf

Der Volkswagen-Konzern steht vor einer extrem unruhigen Woche. Der Streit mit der bosnisch-deutschen Zuliefergruppe Prevent führt zu unfreiwilligen Produktionspausen und zur Kurzarbeit. Im Passat-Werk in Emden fehlen wegen des Prevent-Lieferstopps dringend benötigte Sitzbezüge. Im Getriebewerk in Kassel kommen keine Getriebekomponenten mehr von der sächsischen Prevent-Tochter ES Guss an.

„In Emden ist die Kurzarbeit bis einschließlich Mittwoch angesetzt“, bestätigte ein Unternehmenssprecher. Doch viel schwerer wiegt der Lieferstopp für die im Kasseler Werk benötigten Gussteile aus der Prevent-Gruppe. Dort können jetzt nicht mehr ausreichend Getriebe produziert werden.

Weil es nicht mehr genügend Getriebe gibt, werden die Probleme aus Kassel an die nächste Produktionsstufe innerhalb des -Konzerns weitergereicht. In Wolfsburg und Zwickau kommen nicht mehr genügend Getriebe an. In der Folge stockt an beiden Standorten jetzt die Produktion des wichtigsten Autos aus dem VW-Konzerns, des Golfs. Unter normalen Bedingungen werden in Wolfsburg fast 4000 Golf-Modelle täglich produziert, in Emden knapp 1300 Stück vom Passat.

Von Wolfsburg und Zwickau aus pflanzen sich die Probleme nach Salzgitter und nach Braunschweig fort. In produziert der Volkswagen-Konzern Motoren. Wenn aber die Golf-Fertigung stockt, kann Salzgitter nur noch beschränkt nach Wolfsburg und nach Zwickau liefern. Also muss VW auch die Produktion an diesem Standort die Fertigungszahlen zurückfahren. Dasselbe Problem gilt für Braunschweig: Die dort gefertigten Achsen werde andernorts nicht mehr gebraucht. Mehr als 20.000 Beschäftigte werden voraussichtlich von den Zwangspausen betroffen sein.

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In Wolfsburg und in Zwickau dürfte die Golf-Fertigung in der gesamten Woche ruhen, das sehen zumindest die aktuellen Volkswagen-Pläne vor. Während der Konzern in Emden für etwa 8000 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet hat, will VW am Stammwerk in Wolfsburg mit flexiblen Arbeitszeiten und einem Abbau von Überstunden durch die Krisenwoche kommen.

Wie es danach weitergehen wird, ist noch völlig offen. „Das hängt vom weiteren Verlauf der Gespräche ab“, betonte der VW-Sprecher. An diesem Montag kommen Vertreter von Volkswagen und der Prevent-Gruppe zu neuen Verhandlungen zusammen. Der Zulieferer verlangt von Europas größtem Automobilhersteller 58 Millionen Euro Schadenersatz für zurückgezogene Entwicklungs- und Lieferaufträge. Volkswagen hält diese Forderungen für völlig überzogen und will weniger zahlen.

Eine Einigung mit den Prevent-Vertretern wäre die schnellste und einfache Lösung für Volkswagen. Dann könnte die Produktion nach wenigen Tagen wieder aufgenommen werden. In Wolfsburg gibt allerdings niemand eine Einschätzung über die Erfolgsaussichten der neuen Verhandlungsrunden ab. Hinter den Kulissen sucht der Volkswagen-Konzern deshalb nach Alternativen. Möglich wäre etwa der Bezug der fehlenden Teile von einem anderen Zulieferer. Das würde allerdings viel länger dauern als die Wiederaufnahme der Lieferungen durch die Prevent-Gruppe.


Niedersachsen will vermitteln

Auch wenn die Gespräche weitergehen, sei Volkswagen dazu „verpflichtet, alle anderen denkbaren Handlungsoptionen weiterzuverfolgen“, heißt es im Unternehmen. Der Konzern hat beim Landgericht Braunschweig bereits mehrere Anträge gestellt, bei einer fortgesetzten Lieferverweigerung Ordnungsgeld, Ordnungshaft oder „Ermächtigung zur Ersatzvornahme“ anzuordnen. Letzteres könnte zur Beschlagnahmung der benötigten Teile führen.

Alexander Gerstung, Mitglied der Geschäftsführung der ES Automobilguss, wies die Schuld für den Produktionsstopp von sich: „Für die Krise bei und die dadurch entstandene Kurzarbeit sind wir nicht verantwortlich.“ VW verlagere seine Probleme auf die Zulieferindustrie. Volkswagen kämpfe seit bald einem Jahr mit den Folgen seines Abgasskandals und fahre gleichzeitig bei seiner ertragsschwachen Hauptmarke VW einen Sparkurs. Betroffen seien davon vor allem die Zulieferer, die einen zusätzlichen Beitrag zur Kostensenkung leisten sollten.

Bei Volkswagen wird dieser Vorwurf zurückgewiesen. Dass VW einen Auftrag für die Prevent-Gruppe zurückgenommen habe, sei nicht auf mögliche Sparbemühungen zurückzuführen. Aus Unternehmenskreisen hieß es dazu am Wochenende, dass es stattdessen Qualitätsprobleme gegeben habe. Der aktuelle Produktionsstopp in den VW-Werken habe auch nichts mit dem Absatzrückgang in Europa zu tun.

Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies will in dem Streit vermitteln. Er werde mit seinem sächsischen Amts- und Parteikollegen Martin Dulig darüber sprechen, sagte der SPD-Politiker bei NDR Info. Im Interesse der Mitarbeiter müsse der Konflikt rasch gelöst werden: „Wenn sich das lange hinzieht, mag ich über die Auswirkungen gar nicht nachdenken.“ Der beträchtliche Schaden würde sich mit jedem Tag vergrößern, warnte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Sollten die Verhandlungen scheitern, müsse mehr Druck her: „Dann wird man auch Zwangsmaßnahmen aufnehmen müssen.“

Zu den Prevent-Kunden zählt auch Daimler. „Wir haben eine Lieferbeziehung in sehr geringem Umfang mit der Prevent-Gruppe“, sagte ein -Sprecher. Ein Rechtsstreit sei anhängig. Angeblich verlangt die Prevent-Gruppe auch vom Stuttgarter Autokonzern einen zweistelligen Millionenbetrag.

KONTEXT

Dieselgate wird immer teurer

Der US-Vergleich

Die Einigung mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten kostet Volkswagen bis zu 15,3 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 13,6 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf von 475.000 manipulierten Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren, für die gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben und ob die US-Behörden eine Umrüstung genehmigen.

Weitere Strafen und Klagen in den USA

Mit dem US-Justizministerium laufen derzeit Verhandlungen über eine Strafzahlung wegen der Abgasmanipulation. Das "Wall Street Journal" berichtete, dem deutschen Autobauer könne eine Strafe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar aufgebrummt werden. Analysten rechnen mit einer Summe zwischen einer und drei Milliarden Euro. Einige US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind.

Lösung für Drei-Liter-Autos lässt auf sich warten

Keine Einigung gibt es bisher für die rund 85.000 größeren Fahrzeuge mit Drei-Liter-Dieselmotor. VW zeigt sich zuversichtlich, dass eine Reparatur gelingen kann. Ende August will das Bezirksgericht in San Francisco über den Fortgang der Verhandlungen unterrichtet werden. Sollte Volkswagen gezwungen werden, auch diese teureren Wagen zurückzukaufen, würde das weitere Milliarden verschlingen. Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler schätzt die Kosten auf bis zu zwei Milliarden Euro.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Schätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro, die das kosten dürfte. Der Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI rechnet zudem damit, dass sich schrumpfende Marktanteile von Volkswagen und geringere Preise im Ergebnis bemerkbar machen werden.

Entschädigung auch in Europa?

Eine Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW nach wie vor ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen finanziell das Genick brechen, fürchten Experten. Analyst Pieper geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus. "Es ist schwierig zu sagen, ob VW am Ende doch einen symbolischen Betrag zahlen wird." Branchenexperte Ellinghorst hält es für wahrscheinlich, dass die Kunden in Europa kein Geld sehen werden.

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Inzwischen liegen beim Landgericht Braunschweig 170 Schadensersatzklagen mit Forderungen von zusammen knapp vier Milliarden Euro.

Die Krise als Einnahmequelle für Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, verschlingen ebenfalls Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen.

Pieper erwartet, dass der Dieselskandal Volkswagen insgesamt rund 25 Milliarden Euro kosten wird. Ellinghorst rechnet mit Gesamtkosten in ähnlicher Höhe. Die Experten sehen den Konzern wegen seiner Reserven und der Finanzkraft in der Lage, das zu stemmen. Erst ab 50 Milliarden Euro müsste sich Volkswagen von Beteiligungen trennen, sagt Pieper.

Quelle: Reuters