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Gallup-CEO Jim Clifton: „Ein Manager kann maximal zehn Leute führen“

Was macht einen guten Manager aus? Jim Clifton erklärt seine Antwort auf diese Frage – und warum Tischtennisplatten im Büro kontraproduktiv sind.

Nur ein Bruchteil aller Mitarbeiter weltweit ist hochmotiviert. Der Rest macht laut einer Studie der amerikanischen Beratungsfirma Gallup nur das Nötige. Einer, der sich unter anderem mit der Motivation von Mitarbeitern schon seit 30 Jahren beschäftigt, ist Jim Clifton. Der Chef von Gallup sagt im Interview mit dem Handelsblatt, dass „uns diese Entwicklung zu denken geben sollte“.

Das Beratungshaus veröffentlicht jedes Jahr den Engagement-Index, der die Mitarbeitermotivation in Unternehmen weltweit misst. Mehr als hundert Millionen Dollar habe man im Laufe der Jahre in den Index investiert, sagt Clifton. Es ist die größte und umfassendste Managementstudie dieser Art.

Führungskräfte können die Motivation ihrer Teammitglieder enorm steigern, so Clifton. Angestellte müssten spüren, dass sich jemand um sie kümmere. Die Entwicklung zu immer neuen Gratisangeboten für Mitarbeiter sieht der Experte jedoch kritisch. „Klar, alle bauen jetzt Volleyballfelder für ihre Mitarbeiter, es gibt Mittagessen und Bananen umsonst“, sagt Clifton. „Ich glaube, das ist sehr schädlich für die Mitarbeitermotivation.“

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Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Clifton, seit 20 Jahren veröffentlicht Gallup den Engagement-Index. Das Resultat ist jedes Jahr ähnlich: Nur 15 Prozent aller Mitarbeiter weltweit sind hoch motiviert, der Rest macht entweder Dienst nach Vorschrift oder hat innerlich gekündigt. Warum ändern sich diese Zahlen kaum?
Diese Entwicklung sollte uns zu denken geben. In der Medizin oder der Technologie gibt es ständig Fortschritt und neue Durchbrüche. Die Managementpraxis hingegen scheint seit 20 Jahren stehen geblieben. Es ist einfach unglaublich, dass die Mitarbeitermotivation nicht steigt. Das liegt vor allem an den Führungskräften.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass 70 Prozent der Mitarbeitermotivation vom Manager abhängen. Was müssen Führungskräfte besser machen?
Angestellte müssen das Gefühl haben, dass jemand in der Firma ihre Entwicklung wirklich fördert. Sie müssen spüren, dass sich jemand kümmert. Das Problem ist, dass Management in den meisten Firmen als reine Leistungsbewertung verstanden wird. Manager bewerten ihre Mitarbeiter, ordnen sie in einem Ranking ein und feuern die mit der schlechtesten Leistung. Dieses System funktioniert nicht. Es ist der Grund, warum die Mitarbeitermotivation nicht steigt.

Was Sie da skizzieren, ist die Managementphilosophie von Jack Welch, dem früheren Chef des US-Konzerns General Electric.
Ganz genau. Ich war neulich bei einem Treffen mit Jack und einigen Vorstandschefs in New York. Die anderen haben ihn behandelt, als sei er Muhammad Ali oder Jesus. Er hat über 360-Grad-Feedback gesprochen. Das war durch keine Forschung gedeckt, aber sie waren alle ganz atemlos vor Begeisterung und haben alles mitgeschrieben, was er gesagt hat. Wenn man einen Schuldigen für den Irrweg der Managementlehre sucht, muss man bei Jack Welch beginnen.

Aber die Arbeitskultur in vielen Firmen hat sich in den vergangenen Jahren doch stark verändert: Es gibt flache Hierarchien, agiles Teamwork, Tischtennis und Gratiskaffee. Warum spiegelt sich das nicht im Engagement-Index wieder?
Klar, alle bauen jetzt Volleyballfelder für ihre Mitarbeiter, es gibt Mittagessen und Bananen umsonst. Ich glaube, das ist sehr schädlich für die Mitarbeitermotivation. Es entsteht eine Erwartungshaltung. Mitarbeiter fragen sich: „Was kann ich hier für mich rausholen?“ Ich will aber, dass Mitarbeiter mit mir darüber reden, was sie werden können. Wenn Sie mich bei Ihrer Zeitung einstellen wollen und mich mit Tischtennispausen am Nachmittag locken, würde ich nicht für Sie arbeiten wollen.

Warum nicht? Welche Botschaft sende ich mit der Tischtennispause?
Dass Sie mein Talent nicht wertschätzen. Sie behandeln mich wie ein verwöhntes Kind. Ich war neulich in der Google-Zentrale. Dort steht immer Essen bereit: mexikanisch, italienisch, Sushi, alles vier Sterne. Ich sagte zu einem Manager: „Das gefällt den Leuten bestimmt.“ Er antwortete: „Nein, sie beschweren sich nur, dass es keinen Großaugenthunfisch gibt.“ Es ist sehr gefährlich, Erwartungen zu wecken.

Wird diese Managementmode aus dem Silicon Valley also wieder verschwinden?
Ich glaube nicht. Und verstehen Sie mich nicht falsch: Manches zählt inzwischen schon zur Grundausstattung. Hier in unserem Büro haben wir auch Gratissnacks für Mitarbeiter. Aber Manager sollten sich nicht einbilden, das sei Management.

Sind Mitarbeiter in manchen Branchen motivierter als in anderen?
Fabrikarbeiter sind im Schnitt weniger motiviert, vielleicht, weil die Arbeit nicht so erfüllend ist. Aber generell sehen wir eher Unterschiede zwischen einzelnen Firmen als zwischen Branchen. Letztlich hängt es immer vom CEO ab. Wenn der Vorstandschef die Unternehmenskultur ernst nimmt, steigt die Mitarbeitermotivation.

Welche Rolle spielen Alter und Größe der Firma? Sind Beschäftigte in Start-ups motivierter?
Das macht keinen großen Unterschied. In manchen Start-ups sind sie sehr motiviert, in anderen nicht. Genauso gibt es große Firmen mit Hunderttausenden Mitarbeitern, die bei unseren Messungen sehr gut abschneiden. In manchen Tech-Firmen ist die Motivation sogar eher schlechter, weil sie keine gute Mitarbeitermischung haben. Sie haben zu viele weiße Männer und zu wenig Frauen, Schwarze, Latinos. Gemischte Teams schneiden besser ab, weil sie eine bessere Mischung aus Ideen und Wissen bieten.

Sie sagen, Manager müssen ihre Leute entwickeln, statt nur ihre Leistung zu bewerten. Aber irgendwann geht es in einer Firma nicht weiter nach oben, nicht jeder kann Chef werden. Wie gehen gute Manager damit um?
Gute Firmen finden immer einen Platz für Leistungsträger. Nicht jeder muss Manager werden und Mitarbeiter führen. Wir haben erfahrene Analysten, die unter einer viel jüngeren Führungskraft arbeiten. Sie kennen ihren Wert und verdienen auch mehr. Ich bin selbst so ein Typ. Der Chief Operating Officer führt die Geschäfte, ich konzentriere mich auf unsere Forschung und die Kunden. Neulich hat mich mal jemand gefragt: „Wer berichtet an Sie?“ Die Antwort lautet: „Kaum jemand.“

Eine klassische Rolle zum Ende einer Karriere.
Es ist schon seit einigen Jahren so. Der Chief Operating Officer ist ein sehr guter Manager. Ich bin kein guter Manager, ich vertrete die Firma lieber nach außen.

In dem Buch raten Sie Führungskräften, mit Mitarbeitern über Stärken und nicht über Schwächen zu reden. Wie können Angestellte denn an ihren Schwächen arbeiten, wenn sie nie Kritik hören?
Schwächen werden nie zu Stärken. Wenn Sie sich als Manager auf die Schwächen konzentrieren, nehmen Sie den Leuten nur jede Lust an der Arbeit. Stärken hingegen können Sie unendlich weiterentwickeln. Wenn Sie ein Team zusammenstellen, müssen Sie auf die Stärken und Schwächen aller Mitglieder achten und damit arbeiten. Sie müssen Leute zusammenbringen, die sich ergänzen. Wenn Sie sich anschauen, wie Unternehmen entstehen, finden Sie oft Paare. Natürlich ist da ein Steve Jobs, aber ohne Steve Wozniak gäbe es kein Apple.

Besteht bei zu viel Lob nicht die Gefahr, dass es sich abnutzt?
Man kann nicht zu viel loben, solange es aufrichtig und nachvollziehbar ist. Man darf aber auch mal kritisieren. Lob und Kritik sollten im Verhältnis fünf zu eins stehen. Und wenn es etwas zu feiern gibt, sollte man feiern. Wir haben heute eine Party hier im Büro, weil sie 2019 eine Rekordzahl an Neuverträgen abgeschlossen haben. Das ist sehr wichtig für die Stimmung. Mitarbeiter müssen sich als Sieger fühlen.

Ihre Forschung zeigt, dass in den USA im Schnitt 35 Prozent aller Mitarbeiter hoch motiviert sind, während es im Rest der Welt nur 15 Prozent sind. Wie ist das möglich?
Amerikaner sind die besseren Manager. Allein die Zahl der Managementbücher zeigt, dass wir das Thema sehr ernst nehmen. Unsere Kunden kommen zu uns und sagen: „Wir wollen eine Kultur der Mitarbeiterentwicklung.“ Ist das nicht interessant?

Wieso ist es überhaupt so wichtig, dass Mitarbeiter besonders motiviert sind? Reicht es nicht, wenn einfach jeder seinen Job macht?
Nein. Kunden spüren es, wenn Mitarbeiter motiviert sind. Sie bleiben eher treu und akzeptieren auch höhere Preise als bei der Konkurrenz. Und Millennials nehmen ihren Job ernster als meine Generation damals in den 1960er-Jahren. Als ich zur Uni ging, war ein Job tatsächlich nicht mehr als ein Job. Mein Ziel waren eine Familie und ein Haus, den Job machte ich nur wegen des Gehalts. Ich verkaufte damals Anzeigen und sah darin keinen höheren Zweck. Heutzutage fragen sich junge Leute schon: Ist es diese Arbeit wert, dass ich mein Leben darauf verwende?

In den meisten Jobs fällt es schwer, einen höheren Zweck zu erkennen. Wie wirkt sich das auf die Mitarbeitermotivation aus?
Man kann in fast allem einen Sinn finden. Nehmen Sie den Getränkekonzern Anheuser-Busch: Es erscheint nicht besonders sinnvoll, die Leute zum Alkoholtrinken anzuregen. Aber die Firma hat in ihrer Heimat St. Louis alle möglichen lokalen Aktivitäten gefördert und wurde so zur Seele der Stadt. Alle waren stolz auf die Firma.

Wer ist motivierter: Mitarbeiter einer Solarfirma oder Angestellte eines Ölkonzerns?
Die Sinnhaftigkeit einer Arbeit erhöht die Motivation. Millennials arbeiten gern für Unternehmen, die etwas für die Umwelt oder den Frieden tun. Aber der wichtigste Faktor bleibt, ob der Arbeitgeber die persönliche Entwicklung fördert. Nehmen Sie zum Beispiel das US-Außenministerium: Es gibt kaum eine bedeutendere Organisation – aber im Hinblick auf die Mitarbeitermotivation ist es einer der kläglichsten Orte der Welt. Die Beamten dort hassen ihre Chefs.

Sie halten nichts von den Jahresgesprächen, in denen Führungskräfte und Mitarbeiter Bilanz ziehen und persönliche Ziele festsetzen. Manager sollen stattdessen wöchentliche „Check-in“-Gespräche mit ihren Mitarbeitern führen. Wer hat Zeit dafür?
Man sollte mit jedem Mitarbeiter mindestens eine bedeutsame Unterhaltung pro Woche führen. Das ist die Definition von gutem Management. Dabei muss es nicht um die Karriere gehen. Sie müssen nur Interesse daran zeigen, woran diese Person gerade arbeitet, und auch wirklich interessiert sein.

Wie viele Mitarbeiter kann ein Manager mit dieser Vorgabe überhaupt maximal führen?
Peter Druckers Antwort vor vielen Jahren war fünf. Ich würde sagen, heute sind es wegen des technologischen Fortschritts zehn. Wenn zwanzig Leute an Sie berichten und Sie nicht mindestens eine bedeutsame Unterhaltung pro Woche mit ihnen führen können, managen Sie die nicht. Sie verwalten nur, aber motivieren nicht.

Hilft es, wenn der Chef morgens als Erster im Büro ist und abends als Letzter geht?
Ja. Dank Technologie müssen Sie nicht unbedingt als Erster da sein. Aber meine Leute wissen: Wenn sie eine Frage haben, können sie mich jederzeit erreichen. Sie bekommen sofort eine Antwort, sieben Tage die Woche. Die besten Manager sind immer ansprechbar.

Führt das nicht direkt zum Burn-out?
Burn-out ist real und tödlich. Sie bekommen einen Burn-out, wenn Sie von Ihrem Job überfordert sind.

Wer immer erreichbar ist, ist schnell überfordert.
Nein, es ist keine Frage der Stunden. Es geht allein darum, ob eine Aufgabe zu Ihnen passt. Oder Ihr Boss. Wenn Sie Ihren Vorgesetzten nicht leiden können, leiden Sie früher oder später auch an einem Burn-out.

Herr Clifton, vielen Dank für das Interview.