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Das Ergebnis der US-Wahl stellt Europa vor eine schwere Probe

Der frühere Vizekanzler warnt vor einem Machtvakuum in den USA. Foto: dpa

Die USA sind tief gespalten. Selbst wenn sich Joe Biden gegen Donald Trump durchsetzt, wird es kein Zurück zur alten Harmonie geben.

Einer hatte es besonders eilig. Noch während in den USA die Stimmen ausgezählt wurden, gratulierte der slowenische Regierungschef Janez Jansa US-Präsident Donald Trump zu seiner angeblichen Wiederwahl. Trump hatte sich zuvor selbst zum Sieger ausgerufen.

Von einem „phänomenalen“ Ergebnis sprach der Republikaner vor seinen Anhängern. Jansa, als rechtspopulistischer Provokateur bekannt, sieht das offenbar genauso.

Die anderen europäischen Staats- und Regierungschefs allerdings hielten sich mit voreiligen Glückwünschen zurück. Aus gutem Grund: Entschieden ist in den USA noch nichts. Ja, Trump hat deutlich stärker abgeschnitten, als die meisten Demoskopen prophezeit hatten, auch dank einer spektakulären Schlussmobilisierung.

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Doch ob dieser Kraftakt für Trump reicht, ist inzwischen äußerst fraglich. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden hat zur Stunde die bessere Chance, einen knappen Sieg einzufahren. Wohl auch deshalb behielt sich der Präsident in seiner Rede vor, den Wahlausgang juristisch anzufechten. Hinter Bidens später Aufholjagd in wichtigen Bundesstaaten wie Wisconsin und Michigan wittert Trump einen „Betrug an der Nation“.

In Deutschland stieß die Rede des US-Präsidenten auf scharfe Kritik. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte: Die „Schlacht um die Legitimität des Ergebnisses“ habe begonnen. FDP-Chef Christian Lindner sieht eine „ganz kritische“, ja sogar „bestürzende Situation“. Ebenso nüchtern wie bissig kommentierte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD): „Wahlen sind dann beendet, wenn alle Stimmen ausgezählt werden.“

Was auch immer in den nächsten Tagen geschieht, in denen die politischen Lager um das Wahlergebnis streiten, so viel zeichnet sich schon ab: Die USA werden so schnell nicht zur Ruhe kommen. Die Nation ist tief gespalten und der Bann, in den Trump Millionen von Amerikanern geschlagen hat, ungebrochen. „Offensichtlich ist, dass Biden nicht wie erwartet klar gewinnt“, sagt Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. „Das Ergebnis wird auf jeden Fall knapp.“ Auch weitere vier Jahre Trump blieben eine „realistische Option“.



Keine Frage: Trump, den viele Experten quasi abgeschrieben hatten, hat erneut seine politische Stärke bewiesen – trotz einer schweren Wirtschaftskrise, trotz 230.000 Corona-Toten und ungeachtet der Unsummen, die die Demokraten in den Wahlkampf pumpten. „Dass ein Präsident in einer solchen Lage nicht als Versager abgewählt wird, ist Ausdruck der starken Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft“, sagt der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid.

Viele Transatlantiker hatten gehofft, dass sich Trump als historischer Irrtum erweisen und die USA rasch wieder zu ihrer traditionellen Rolle als verlässlicher Bündnispartner zurückfinden würden. Doch danach sieht es nicht aus. Trumps Gegner diesseits und jenseits des Atlantiks haben ihn unterschätzt, wieder einmal. „Der Trumpismus ist nicht tot“, sagt der frühere deutsche Botschafter in den USA, Peter Wittig, im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Wir müssen umdenken und Abschied nehmen von der Illusion, dass sich die alte westliche Allianz rekonstruieren ließe.“ Zwar hat der

Demokrat Biden im Wahlkampf versprochen, die arg strapazierten Beziehungen zu den Alliierten in Europa zu reparieren. „Das wäre aber nur möglich gewesen, wenn Biden von den amerikanischen Wählern ein starkes Mandat für eine politische Wende erhalten hätte“, erläutert Wittig. Doch ein solches Mandat gibt es nicht, das steht bereits fest. Auch wenn Biden am Ende gewinnt – er wird ein zerrissenes Land regieren.

Europa muss sich darauf einstellen, dass die USA den Blick weiterhin nach innen richten und als internationale Führungsnation ausfallen. Gerade die deutsche Politik stellt das vor eine schwere Probe. „Uns fällt der Abschied von der alten Ordnung des Multilateralismus besonders schwer“, sagt Wittig. „Wir haben keine schlüssige Alternative zur engen Partnerschaft mit Amerika.“ Umso mehr müssten jetzt alle Kräfte zur Stärkung der EU mobilisiert werden.



In Brüssel und Paris werden schon eifrig Pläne geschmiedet. Von der „strategischen Autonomie“ Europas ist da die Rede und von der Stärkung der „technologischen Souveränität“. Nur wurden Schlagworte bisher mit wenig Substanz gefüllt. Das muss sich ändern, möglichst schnell – auf diese Formel lassen sich Stimmen aus Europa bringen. Für den CDU-Politiker Röttgen steht fest: „Europa wird mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit und Nachbarschaft übernehmen müssen, egal wer letztendlich gewinnt.“ Achim Post, Fraktionsvize der SPD im Bundestag, ergänzt: „Europas Zukunft können und müssen wir selbst in die Hand nehmen.“

Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, fordert, eine Stärkung Europas. „Es gibt keine Rückkehr zur Normalität“, prophezeit er. Die EU müsse selbstbewusster ihre Interessen gegenüber den USA und China durchsetzen. Dafür brauche Deutschland allerdings „besseres außenpolitisches Personal“.

Ähnlich die Lageeinschätzung in Brüssel: „Wir als Europäer müssen lernen, unsere Interessen deutlicher und klarer selbst zu formulieren und wahrzunehmen“, fordert Daniel Caspary, Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament.

Doch wenn die Glückwünsche des Slowenen Jansa an Trump eines zeigen, dann das: wie schwer es ist, die EU-Mitglieder auf gemeinsame außenpolitische Ziele einzuschwören. Zumal Jansa mit seiner Sympathie für Trumps rechtspopulistische Politik in Europa nicht allein steht. Auch Polen und Ungarn unterhalten exzellente Beziehungen zu Trump – im krassen Unterschied zur Bundesrepublik.

Der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange zeigt sich beunruhigt: Bislang habe es im europäischen Parlament und auch unter den Staats- und Regierungschefs eine geschlossene Position gegenüber den USA gegeben, klagt er. „Dass ein Regierungschef jetzt ausbricht, schwächt die Position der EU.“

Auffällig bei der Flut der Kommentare zur US-Wahl ist die Stille im Bundeskanzleramt. Angela Merkel wartet ab. Sie hatte sich nie der Hoffnung hingegeben, dass nach der Wahl die rasche Rückkehr zur alten transatlantischen Harmonie gelingen könnte. Träumereien sind nicht ihre Sache, voreilige Schlüsse auch nicht.

Egal wer gewinnt, Merkel muss sich mit dem Machthaber in Washington arrangieren. Biden, so die Einschätzung im Kanzleramt, sei zwar angenehmer in Stil und Form. Aber die Konflikte, die Deutschland mit der Trump-Regierung ausgefochten hat, ob bei den Verteidigungsausgaben oder in der Handelspolitik, werden bleiben, selbst wenn der Populist das Weiße Haus verlassen muss. Mitarbeit: Till Hoppe, Thomas Jahn