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Furcht vor GroKo-Aus: Linksschwenk der SPD könnte milder ausfallen als gedacht

Esken, Walter-Borjans, Kühnert: Die designierte SPD-Führung steht für Macht vom linken Flügel. Der Partner Union soll jedoch nicht um jeden Preis herausgefordert werden.

Die designierte SPD-Parteivorsitzende hat sich mit Norbert Walter-Borjans gegen die GroKo-freundlichen Gegenkandidaten durchsetzen können. Foto: dpa
Die designierte SPD-Parteivorsitzende hat sich mit Norbert Walter-Borjans gegen die GroKo-freundlichen Gegenkandidaten durchsetzen können. Foto: dpa

Der Sieg von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans beim Mitgliederentscheid der SPD war auch ein Erfolg von Kevin Kühnert. Der Juso-Chef hatte sich für das Kandidatenduo starkgemacht, das die Kritik der sozialdemokratischen Nachwuchsorganisation an der Großen Koalition teilt.

Während das erweiterte Präsidium der SPD am Dienstag über die Fortführung des Regierungsbündnisses beriet, bekräftigte Kühnert seine eigenen Ambitionen. Als neuer Parteivize will er dafür sorgen, dass der von Walter-Borjans und Esken angekündigte Linksschwenk der SPD auch durchgezogen wird. „Ich bin dafür, dass der Kurs der neuen Parteivorsitzenden vollen Rückhalt findet“, sagte Kühnert der „Rheinischen Post“. Deshalb wolle er kandidieren.

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Nach zweieinhalbstündigen Beratungen in kleiner Runde im Willy-Brandt-Haus zum Leitantrag für den Parteitag am Wochenende war allerdings fraglich, wie viel Revolution am Ende übrig bleibt. So liest sich zumindest der Entwurf, der der „Süddeutschen Zeitung“ als Erstes vorlag.

Darin heißt es nun unter der Überschrift „Was jetzt zu tun ist“: „Weder der Verbleib in einer Koalition noch der Austritt aus ihr sind ein Selbstzweck.“ Für die Sozialdemokraten stehe nicht die Frage im Vordergrund, ob sie die Koalition „weiterführen oder beenden“: „Entscheidend ist, ob wir jetzt mit CDU und CSU die Weichen richtig stellen können – oder eben nicht.“

Die Forderungen an die Union sind deutlich weicher formuliert als bisher von Esken und Walter-Borjans genannt. Gefordert wird ein Investitionsprogramm, das in der Höhe aber nicht beziffert wird. Stattdessen wird auf Forderungen von Wissenschaftlern verwiesen, die einen zusätzlichen Bedarf von 450 Milliarden Euro an Investitionen für zehn Jahre sähen.

Schwarze Null und Klimapaket im Visier

Der von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verfochtene ausgeglichene Haushalt ohne Neuverschuldung wird allerdings infrage gestellt. „In diesem Sinne dürften stetige Investitionen nicht an dogmatischen Positionen wie Schäubles schwarzer Null scheitern“, heißt es in dem Antragsentwurf.
Die Formulierungen beim Mindestlohn fallen wiederum weicher aus. So werden zwar „Schritte zu einem Mindestlohn, der existenzsichernd ist“, verlangt. Die konkrete Forderung von Esken, den Mindestlohn auf zwölf Euro oder mehr anzuheben, findet sich darin aber nicht beziffert. Das mit der Union vereinbarte Klimapaket sei „angesichts des immensen Handlungsdrucks noch nicht ausreichend“. Die soziale Kompensation über die Pendlerpauschale sei „unzulänglich“.

Die Austrittsfrage hat sich somit für den Parteitag erledigt, zumindest aus Sicht der Parteispitze. Bleibt nur die Frage, ob die Delegierten das auch so sehen.

Der neuen SPD-Führung steht somit eine Gratwanderung bevor. Sie muss verhindern, dass die SPD ins Chaos stürzt, die Delegierten etwa in einem finalen Wutausbruch auf dem Parteitag die Koalition unkontrolliert zum Platzen bringen. „Im Vorsitzrennen wurden viele mächtig auf die Bäume getrieben, und mit der Wahl Eskens und Walter-Borjans’ wurde ein Ende der Großen Koalition in Aussicht gestellt“, sagt ein Bundestagsabgeordneter. „Die jetzt wieder runterzuholen wird verdammt schwierig.“

Esken und Walter-Borjans müssen den Beweis antreten, dass sie nicht für ein Weiter-so, sondern für einen Bruch mit der Politik der vergangenen Jahre stehen. Zumindest personell wird es wohl einen kompletten Neustart geben. So könnte neben Kühnert ein weiterer Vizeposten an Klara Geywitz gehen, die im Duo mit Vizekanzler Scholz beim Mitgliederentscheid unterlegen war. Für den dritten Posten waren Arbeitsminister Hubertus Heil und die SPD-Saar-Chefin Anke Rehlinger im Gespräch.

In der SPD setzt man darauf, dass die Union gesprächsbereit sein wird, weil auch sie derzeit kein Interesse am Platzen der Koalition habe. So hatte Kühnert der Union überraschend Kompromissbereitschaft signalisiert, etwa beim Thema Unternehmensteuerreform oder der Soli-Abschaffung. Im Gegenzug hatte der CDU-Politiker Friedrich Merz sich offen für einen höheren Spitzensteuersatz gezeigt, wenn es an anderer Stelle Entlastungen gäbe.

Grundrente droht Kollateralschaden zu werden

Doch bislang sind diese Ankündigungen nicht mehr als Hoffnungswerte. So hat die Union klargemacht, dass sie die schwarze Null auf keinen Fall aufgeben wird, auch wenn dies eine zentrale Forderung der neuen Parteispitze ist. Eine Linksverschiebung der SPD sei „klar erkennbar“, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gegenüber RTL und N-TV. Das könne aber „auf keinen Fall eine Linksverschiebung der Koalition bedeuten“.

Vor allem die Grundrente droht im Ringen um eine Fortführung der Koalition zum Spielball zu werden. Bei CDU und CSU ist die Sorge groß, dass sie die Grundrente im Bundestag mitbeschließen und die SPD sich anschließend aus der Regierung verabschiedet.

Noch ist das Gesetz nicht ins Parlament eingebracht, in Heils Ministerium wird der Entwurf derzeit an den im November geschlossenen Kompromiss angepasst. „Bei der Grundrente haben wir gesagt, wir werden in das parlamentarische Verfahren erst dann einsteigen, wenn klar ist, dass diese Koalition auch fortgesetzt wird“, sagte Kramp-Karrenbauer.

Arbeitsminister Heil erklärte daraufhin, dass er weiter „mit voller Kraft“ daran arbeite, dass die Grundrente wie vereinbart zum 1. Januar 2021 komme. „Wir dürfen die Menschen, denen die Grundrente zusteht, jetzt nicht enttäuschen“, mahnte der Sozialminister. „Ich gehe davon aus, dass das bei gutem Willen auch gelingt.“ Juso-Chef Kevin Kühnert warf Kramp-Karrenbauer vor, sie begreife politische Kompromisse nur als Rangierbahnhof parteilicher Interessen. „Offenkundig gilt der Respekt aber nur, solange die SPD den Betriebsablauf nicht stört.“

Ein SPD-Bundestagsabgeordneter warnt seine Partei dagegen, sich zu sehr aufzuplustern: „Wenn wir aus der Koalition aussteigen, bevor die Grundrente beschlossen ist, wird uns das mehr schaden als alles andere.“

Der designierte SPD-Vorsitzende Walter-Borjans und seine Co Saskia Esken profitieren von der Unterstützung des Juso-Chefs. Foto: dpa
Der designierte SPD-Vorsitzende Walter-Borjans und seine Co Saskia Esken profitieren von der Unterstützung des Juso-Chefs. Foto: dpa