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Wie der Frust abgehängter weißer Männer Populismus schürt

Gefahr für die Demokratie - Wie der Frust abgehängter weißer Männer Populismus schürt

Folgt auf den Brexit nun ein zweiter Sieg des Protest-Populismus, und Donald Trump wird US-Präsident? Das ist die Frage, die sich jetzt viele stellen.
Und sie ist nicht so ohne Weiteres zu verneinen. Denn wie schon Großbritanniens Populisten vor dem Brexit-Referendum, stößt auch Trumps so offensichtlich durch gute Argumente widerlegbare Polemik auf eine stimmmächtige Klientel: weiße Männer mittleren und gehobenen Alters, die darunter leiden, dass sie ihre Vorherrschaft verloren haben – an Amerikaner mit einer anderen Hautfarbe, Frauen und die aufsteigende Mittelklasse in China, Indien und anderen Schwellenländern.

Auch wenn der sprichwörtliche Kuchen über die Jahre extrem gewachsen ist, hat in den USA eine gewaltige Umverteilung stattgefunden. Während etwa 1960 noch 94 Prozent aller Ärzte und Anwälte weiße Männer waren, betrug dieser Anteil 2008 nur noch 62 Prozent.

Das ist zwar gut für Patientinnen und Klienten und auch für die amerikanische Wirtschaft, aber nicht unbedingt für weiße Männer. Trumps Rassismus und Sexismus spricht diese Männer an. Seine Kommentare liegen häufig unter der Gürtellinie, und er scheut sich weder vor sexistischen noch vor rassistischen Kommentaren.

Was ist dagegen zu tun? Gleichstellung der Geschlechter heißt zunehmend auch, sich um die Männer zu kümmern, die in den letzten Jahren den Kürzeren gezogen haben – bevor sie für Leute wie Donald Trump stimmen können. Auch Männer brauchen Vorbilder, und das beginnt bereits in unseren Schulen. Eine kürzlich erschienene OECD-Studie zeigt, dass sich der Leistungsunterschied zwischen Mädchen und Jungen in unseren Schulen weiter vergrößert.

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In sprachlichen Fächern hinkt ein durchschnittlicher 15-jähriger Junge entsprechenden Mädchen ein ganzes Jahr hinterher, während die Mädchen in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern weitgehend aufgeholt haben. Ein Grund dafür sind fehlende Vorbilder des gleichen Geschlechts. Nach wie vor sind aber 80 bis 90 Prozent unserer Grundschullehrenden weiblich, ähnlich sieht es in Pflegeberufen aus.


Neue Jobs im Gesundheitssektor

Gemäß den Prognosen des Bureau of Labor Statistics werden neue Jobs in den USA in den nächsten zehn Jahren vor allem aus dem Gesundheitsbereich kommen. Ein Wachstum um drei bis fünf Prozent wird vorhergesagt.
Die Verlierer hingegen stammen beinahe ausschließlich aus dem Industriesektor. Die dortigen Jobs aber werden nicht zurückkommen. Dennoch haben leider nur ganz wenige derer, die zum Beispiel in Detroit ihre Arbeit bei General Motors, Ford und Chrysler verloren haben, eine Umschulung ins Auge gefasst. Lieber sind sie abgewandert, häufig enttäuscht und ohne Perspektiven, vom Staat kaum unterstützt. Für sie heißt es nun, entweder Trumps Versprechungen zu glauben, die Amerika wieder „great“ machen sollen, oder umdenken und umstrukturieren. Mehr Männer in Pflege und Betreuung, in Spitälern, Altersheimen, Kindergärten und Schulen und mehr Männer in der Kinder- und Elternbetreuung.

In etwas mehr als 40 Prozent der US-Haushalte mit Kindern unter 18 Jahren ist die Mutter die hauptsächliche oder alleinige Einkommensquelle. Dieser Anteil hat sich in den letzten 50 Jahren vervierfacht. Unsere Idealbilder und Rollenvorstellungen haben sich aber mit dieser neuen Realität noch nicht abgefunden. Viele geben immer noch an, dass ein „richtiger“ Mann voll zu arbeiten habe und eine „gute“ Frau mehrheitlich zu Hause sein sollte.

Die Adjektive „richtig“ und „gut“ sind bewusst gewählt, da Männer gemäß unserer Stereotype vor allem ihre Kompetenz unter Beweis stellen müssen, während bei Frauen Normverletzungen zusätzlich auch noch als moralisch verwerflich beurteilt werden.

Umdenken fällt uns entsprechend schwer. Initiativen wie die in der Schweiz lancierte Kampagne zum „Teilzeitmann“ und zur „Teilzeitkarriere“ haben das Ziel, „Teilzeit und Jobsharing salonfähig zu machen“. Sie scheint einige Erfolge verbuchen zu können, auch wenn das Wort „Teilzeit“ unglücklich ist. Wer nur einen Teil der Leistung bringt, wird oft nicht für voll genommen. Das ist ganz ähnlich wie mit einem halb vollen Glas Wein. Wer 0,1 Liter Wein aus einem 0,2-Liter-Glas trinkt, ist weniger zufrieden als jemand, der denselben Wein aus einem 0,1-Liter-Glas genießt.

Entsprechend sollten wir Arbeit neu definieren. Niemand sollte 20 Kunden nur zu 50 Prozent betreuen. Vielmehr sollten zehn Kunden vollumfänglich beraten werden; ein Konzept, das für Mitarbeitende unabhängig von ihrem Geschlecht attraktiv ist und von der Silicon Valley Bank in Kalifornien erfolgreich praktiziert wird. In Sachen Brexit kommt das Umdenken zu spät. Für die US-Wahlen besteht noch Hoffnung.

KONTEXT

Zur Person

Iris Bohnet

Iris Bohnet ist Professorin für Verhaltensökonomie an der Harvard Kennedy School und hält dort einen Lehrstuhl für Public Policy.