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Warum ist die Freiheit der Wissenschaft so wichtig?

Ungarn, USA, Türkei: Nahezu unbemerkt bedrohen Politiker auf der ganzen Welt die Freiheit der Wissenschaft. Warum wir die Universitäten schützen müssen – und wie das gelingen kann.

Eine Bedrohung zieht auf – und kaum jemand nimmt es wahr. Weltweit üben Politiker Druck auf die Freiheit der Wissenschaft aus, aber ein medialer Aufschrei bleibt aus. In den USA ging es los. Dort attackierte Donald Trump die Wissenschaft bereits im Wahlkampf. Kaum im Amt, griff er die Klimabehörde an. Die Forscher sahen sich veranlasst, ihre Daten auf fremde Server zu verschieben. So wollten sie ihre Forschungsgrundlage vor der Vernichtung retten.

In der Türkei säubert Recep Tayyip Erdoğan seit dem Putschversuch die Universitäten des Landes. Kritische Geister wurden entlassen oder verhaftet. Die Curricula der Universitäten und Schulen offenbar umgeschrieben. Dabei geht es wohl weniger um Erkenntnisfortschritt als um die Meinungshoheit – und die Unterdrückung anderer Haltungen.

In Ungarn geschieht gerade ähnliches. Das Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das ausländische Universitäten in Ungarn neuen Regeln unterwirft. Auf den ersten Blick ist das kein Anschlag auf die Wissenschaft. Doch ein Blick in die Details verdeutlicht, dass die Regierung mit dem Gesetzt nur ein Ziel verfolgt: Sie will die vom Investor George Soros gegründete und finanzierte Central European University aus dem Land zu vertreiben.

Dabei gilt gerade diese Universität als die beste des Landes. Sie strahlt Offenheit und Internationalität aus. Doch genau das will Viktor Orbán offenbar nicht. Seiner Regierung geht es darum, eine Stätte kritischen und offenen Denkens zu eliminieren. Dabei hat Orbán selbst mit einem Stipendium einer Stiftung von George Soros studiert.

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Für die Freiheit der Wissenschaft sind diese Vorgänge eine große Gefahr. Man mag argumentieren, dass die Forschung nun eben woanders stattfindet. Viele Städte, darunter Vilnius, Berlin und Wien, haben der Central European University angeboten, sich dort niederzulassen. Der Kolumnist, der gerade auf der Jahrestagung der European Public Choice Gesellschaft an der Central European University weilt, kann sich auch Thüringen als Heimat der Central European University vorstellen. Zumindest das Drama für die Studierenden und Wissenschaftler würde durch eine Neuansiedlung etwas abgemildert.

Eine Lösung wäre das allerdings nicht. Denn die Studierenden und Wissenschaftler einer Universität sind nicht nur global vernetzt, sondern bilden auch einen wesentlichen Teil des bürgerschaftlichen Engagements einer Gesellschaft. Sie tragen zu einer lebendigen Demokratie bei.


Fundament der demokratischen Gesellschaft droht zu zerbröckeln

Erkenntnisfortschritt – zumal in den Geistes- und Sozialwissenschaften – findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist zumindest teilweise das Ergebnis eines öffentlichen Diskurses. Gerade das Zusammenwirken der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit schafft die Atmosphäre, die Wissenschaftler zu großen Ideen anregt. Insofern hängt mehr als das Wohl einiger Wissenschaftler an der Freiheit der Wissenschaft. Eine starke Wissenschaft bildet eines der Fundamente einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Kluge Regierende wissen das. Sie halten die Kritik und die Anregungen der Wissenschaft aus.

Doch selbst in Deutschland passiert das oft nur widerwillig. Zwei Fälle sind in unguter Erinnerung geblieben: die Polemik des Bundesfinanzministers gegen kritische Stellungnahmen einiger Ökonomen zu den Rettungspaketen im Zuge der Eurokrise sowie die Reaktion der Regierung auf den Plagiatsskandal um den damaligen Minister zu Guttenberg. Man brauche einen Minister, keinen Assistenten, hieß es damals lapidar aus dem Kanzleramt. Die Reaktion der Wissenschaft war laut – und die Bundesregierung ging anschließend deutlich differenzierter mit der Problematik um. Gleiches gilt für den Bundesfinanzminister.

Dennoch darf sich die Wissenschaft nicht auf die Gnade der Politik verlassen. Stattdessen sollte sie ihre Standards einhalten und ständig einer Prüfung unterziehen. Nur so kann sie Attacken und Polemiken mit der gebotenen Sachlichkeit abwehren und auf Angriffe wie denen in den USA, der Türkei oder Ungarn mit klaren, aber sachlich vorgetragenen Stellungnahmen reagieren.

Außerdem muss sich die Wissenschaft die Unterstützung der Bevölkerung sichern. In Ungarn sind vor zwei Wochen 70.000 Menschen für die Central European University auf die Straße gegangen. Außerdem haben zahlreiche Wissenschaftler, Institute und Universitäten ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht. Viktor Orbán ließ das zwar offenbar kalt, wichtig sind solche Aktionen trotzdem.

Am Samstag findet weltweit ein „March for Science“ statt, bei dem Bürger und Wissenschaftler in Universitätsstädten für die Freiheit der Wissenschaft demonstrieren werden. Das ist ein guter Start. Es muss aber deutlich werden, dass es den Protagonisten nicht um Entfristungen, mehr Stellen oder sonstige Privilegien geht. Sondern vielmehr um die Zukunft der Wissenschaft. Um die Quelle des Fortschritts in technologischer und gesellschaftlicher Gestalt. Und damit letztendlich um die Zukunft der offenen Gesellschaft.

Es ist kein Zufall, dass gerade populistische Politiker und Parteien die Wissenschaft kleinreden wollen. Ihnen geht es um Manipulation, um Macht ohne Rücksicht auf die Menschen und deren Werte. Es lohnt sich aus vielen Gründen, für die Freiheit der Wissenschaft einzutreten. Überall auf der Welt.