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Frauen im Vorstand: Null

Laut einer Studie hat fast die Hälfte der großen börsennotierten Unternehmen keine Frau im obersten Management – und plant auch keine Veränderung. Ministerin Giffey droht mit Sanktionen.

Die Bundesfrauenministerin will den Druck auf die deutsche Wirtschaft bei der Frauenquote erhöhen. Foto: dpa
Die Bundesfrauenministerin will den Druck auf die deutsche Wirtschaft bei der Frauenquote erhöhen. Foto: dpa

Der Ruf nach gesetzlichen Vorgaben für mehr Frauen in Führungspositionen wird lauter. Anlass ist eine aktuelle Auswertung der Organisation „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar). Demnach sind 75 der großen börsennotierten Konzerne hierzulande mit einer frauenfreien Führungsetage zufrieden und planen keine Veränderungen. Dazu zählen das Dax-30-Unternehmen Heidelberg Cement, Dax-Aufsteiger Deutsche Wohnen und die MDax-Shootingstars Hello Fresh und Rocket Internet.

„Die Zeit der Appelle ist vorbei“, kommentierte Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow die Befunde. Wo kein Druck ausgeübt werde, scheine es an Willen zur Veränderung zu fehlen.

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„Unternehmen, die weiter mit Zero Diversity planen, muss jetzt die Rote Karte gezeigt werden“, forderte Schulz-Strelow. Gesetzliche Vorgaben müssten ausgeweitet und Sanktionen verschärft werden. Weigerten sich die Unternehmen weiterhin, strategisch mit Frauen in der Führung zu planen, wäre eine Quote für die Vorstandsebene „die logische Konsequenz“.

Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen müssen seit Anfang 2016 eine gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte erfüllen: Frei werdende Aufsichtsratsposten sind mit Frauen neu zu besetzen, bis mindestens ein Frauenanteil von 30 Prozent erreicht ist.

Daneben sieht das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen (FüPoG) eine flexible Frauenquote für rund 3500 weitere Firmen vor. Diese Firmen müssen sich selbst Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat und Vorstand sowie auf der ersten und zweiten Managementebene geben.

Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) bekräftigte angesichts der aktuellen Daten ihren Vorstoß, eine gesetzliche Frauenquote auch für den Vorstand einzuführen: „Deutsche Unternehmen, deren Vorstände aus vier oder mehr Personen bestehen, sollen zukünftig mindestens eine Frau in ihren Vorstand bestellen.“ Der entsprechende Gesetzentwurf für ein FüPoG II befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung.

Wann Unternehmen Sanktionen drohen

Der Entwurf sieht außerdem vor, dass Unternehmen, die weiterhin die „Zielgröße null“ melden und dies nicht plausibel begründen, mit spürbaren Sanktionen rechnen müssen. Dieses Vorhaben hatten Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. „Es ist an der Zeit, den Druck zu erhöhen. Ich werde in der Bundesregierung alles dafür tun, hier weiterzukommen“, kündigte Giffey an.

Zuletzt hatte es die Befürchtung gegeben, die Coronakrise könne die ohnehin geringe Gleichstellung weiter erschweren. „Viel zu viele Unternehmen geben sich die Zielgröße null für den Vorstand – zeigen also null Ambitionen“, kritisierte Giffey nun die deutsche Wirtschaft. „Ich kann das, insbesondere in Anbetracht der Coronakrise, nicht verstehen.“ Regierungschefinnen etwa managten die Krise „unaufgeregt, pragmatisch, zielorientiert“.

Der aktuelle Women-on-Board-Index von Fidar untersucht insgesamt 188 Unternehmen: 160 im Dax, MDax und SDax – wovon 83 nicht unter die gesetzliche Frauenquote fallen – sowie aktuell 28 voll mitbestimmte, im regulierten Markt notierte Unternehmen. Insgesamt müssen derzeit also 105 Unternehmen in Deutschland die gesetzliche Frauenquote erfüllen.

Der 72 Seiten starke Fidar-Report nimmt die flexible Quote besonders unter die Lupe. Demnach gehört der Ingenieurdienstleister Bertrandt zu den Unternehmen, die bei allen Zielgrößen null Prozent festlegen. „Die Gesellschaft verfolgt kein Diversitätskonzept“, heißt es demnach in einer Erklärung zur Unternehmensführung.

Viele Unternehmen rechtfertigen ihr Vorgehen damit, dass sie zwar Frauen in den Vorstand berufen wollten, bislang allerdings keine geeignete Kandidatin gefunden hätten, heißt es in dem Bericht weiter.

Zum Beispiel Heidelberg Cement. Hier fällt der Frauenanteil im Aufsichtsrat mit 42 Prozent hoch aus. Das Unternehmen gibt an, es wolle weiterhin „wie bisher insgesamt eine Diversität bei Personalentscheidungen berücksichtigen.“ Trotzdem liegt die Zielgröße für die Frauen im Vorstand bei null. Denn: Bisher habe man noch keine Frauen im Unternehmen „identifizieren“ können, die die Anforderungen für eine Vorstandsposition erfüllen.

Laut der aktuellen Fidar-Auswertung stagniert die Teilhabe von Frauen an Führungspositionen insgesamt. So gibt es kaum noch Zuwachs bei den Aufsichtsräten. Zwar stieg der Frauenanteil hier bei den 188 Unternehmen seit Anfang 2015, also vor Inkrafttreten des FüPoG, um 12,3 Prozentpunkte auf knapp ein Drittel. Im Vergleich zum Vorjahr betrug der Zuwachs aber nur noch gut einen Prozentpunkt.

Rückversicherer Munich Re als Positivbeispiel

Positive Beispiele sind demnach Munich Re mit einem Frauenanteil von 45 Prozent im Aufsichtsrat, Beiersdorf, Covestro und Heidelberg Cement mit jeweils 42 Prozent und die Deutsche Telekom mit 40 Prozent. Die Aufsichtsräte von Infineon Technologies und SAP sind mit 50 Prozent Frauen und Männern sogar paritätisch besetzt.

Anders sieht das Bild in der Vorstandsetage aus. Hier dominieren Männer weiterhin „mit stabilen 90 Prozent“, heißt es bei Fidar. Seit 2015 stieg der Frauenanteil demnach um 5,7 Punkte auf 10,7 Prozent. Von den 188 untersuchten Unternehmen haben 115 keine einzige Frau im Vorstand – das sind 61,2 Prozent.

Und eben 75 der 165 Unternehmen, die eine Zielgröße für den Vorstand festgelegt und derzeit eine frauenfreie Vorstandsetage haben, planen mit der Zielgröße null. Das sind 45,5 Prozent.

Fidar-Präsidentin Schulz-Strelow geht in dem Bericht auch auf die erste Vorstandsvorsitzende eines Dax-30-Konzerns ein. „Allerdings endete die Berufung von Jennifer Morgan an die Spitze von SAP, von der sich viele einen Schub hin zu mehr gleichberechtigter Teilhabe in Spitzenpositionen erhofft hatten, nach nur sechs Monaten“, resümierte Schulz-Strelow. „Ein Rückschlag, der die Kehrseite der Entwicklung zurück ins Bewusstsein der Öffentlichkeit brachte.“

Insgesamt sind laut Fidar bei Unternehmen, die der Quote unterliegen, größere Fortschritte beim Frauenanteil festzustellen als bei Nicht-Quotenunternehmen. „Es ist Zeit, Blockaden zu überwinden und das Tempo zu steigern“, forderte Fidar-Präsidentin Schulz-Strelow. Sie brachte auch europaweit einheitliche Vorgaben für den Frauenanteil in Führungspositionen ins Spiel. Diese „wären ein Meilenstein für die Gleichberechtigung“.

Der Deutsche Juristinnenbund kritisierte indes, dass bei der nun beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine klare Positionierung für ein geschlechtergerechtes Europa fehle. „Die Richtlinie für Frauen in den Aufsichtsräten stockt seit 2018, weil die Bundesregierung blockiert“, sagte Präsidentin Maria Wersig. „Es wäre das richtige und lang erwartete Signal für ganz Europa, wenn diese Blockade unter deutscher Ratspräsidentschaft aufgegeben würde.“

Stattdessen werde das Thema „Frauen in Führungspositionen“ im Programm der deutschen Ratspräsidentschaft einfach ausgespart, was auch mit Blick auf die deutschen nationalen Anstrengungen nicht nachzuvollziehen sei.