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Frankreich wirbt mit niedrigeren Steuern um Unternehmen

Der neue französische Premier Castex will besonders toxische Abgaben, die selbst ohne Gewinn fällig werden, drastisch senken. Der Industrie käme das zugute.

Frankreich plant einen großen Aufschlag im internationalen Steuerwettbewerb: 2021 und 2022 sollen die Steuern auf die Produktion um jeweils zehn Milliarden Euro gesenkt werden. Sie gelten als besonders schädlich, weil sie ertragsunabhängig sind. Sprich: Sie sind auch dann fällig, wenn ein Unternehmen keinen Gewinn macht. Besonders die französische Industrie wird hart von diesen Abgaben getroffen.

Das Problem erklärt zum Teil den Niedergang, den der Sektor in den vergangenen Jahrzehnten erlitten hat. „Die Produktionsteuern sind ein wichtiges Element der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie“, sagt Guy Maugis, Präsident der deutsch-französischen Handelskammer in Paris. „Alle reden über die Körperschaftsteuer, aber die Steuern auf die Produktion schwächen die Bilanz, sie setzen eine negative Spirale in Gang.“ In Frankreich trägt die Industrie nur noch rund zwölf Prozent zur Wirtschaftsleistung bei, einer der niedrigsten Werte in der EU.

Ob Gewinn oder nicht: Am 1. Januar sind die Produktionsteuern jedes Jahr fällig. Frankreichs Steuersystem hat ein knappes Dutzend solcher „toxischen Steuern“, wie der Rat für Wirtschaftsanalyse (CAE, ein Beratungsgremium der Regierung) sie nennt. Sie beziehen sich auf die Gebäude, den genutzten Grund, den Umsatz, die Lohnsumme oder die Wertschöpfung.

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In der Summe stellen sie eine viel größere Belastung dar als die ertragsabhängigen Steuern: Rund 72 Milliarden Euro entrichten Frankreichs Unternehmen laut CAE durch die Steuern auf die Produktion, ungefähr 55 Milliarden über Ertragsteuern wie die Körperschaftsteuer.

Zwischen den Nachbarn Frankreich und Deutschland entsteht dadurch ein erhebliches Gefälle. Vincent Moulin Wright, Generaldirektor des Verbands „France Industrie“, zitiert einen Bericht des französischen Schatzamtes, der 77 Milliarden Euro an Produktionsteuern in Frankreich und lediglich zehn Milliarden Euro an vergleichbaren Abgaben in Deutschland aufführt. „Man kann also sagen, dass die französischen Unternehmen fast acht Mal so hoch besteuert werden wie die deutschen“, folgert Moulin Wright.

Kurioserweise spielt diese Art von Steuern bei internationalen Vergleichen kaum eine Rolle. Dort werden meist die Ertragsteuern in den Blick genommen. Bei denen gibt es zwischen Deutschland und Frankreich aber nur vergleichsweise geringe Unterschiede.

Steuern wie „Bestrafung der Produktion in Frankreich“

Laut Bundesfinanzministerium liegt die nominale Besteuerung des Gewinns von Kapitalgesellschaften durch Körperschaftsteuer, Gewerbeertragsteuern und ähnlichem bei knapp 30 Prozent in der Bundesrepublik und bei 34 Prozent in Frankreich. Noch geringer ist der Abstand mit Blick auf die Statistiken in der OECD: Demnach entsprechen die Steuern auf Erlöse, Gewinne und Kapitalerträge der Unternehmen in Deutschland zwei Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP), in Frankreich sind 2,3 Prozent (2017).

In beiden Ländern ist das lediglich ein Zwanzigstel des gesamten Steueraufkommens. Der Mühlstein, der Frankreichs Unternehmen ans Bein gebunden ist, sind eben nicht die ertragsabhängigen Steuern, auch wenn internationale Unternehmensberatungen sie gerne hervorheben.

In Zukunft wird die Bedeutung der Körperschaftsteuer bei Deutschlands Nachbarn noch weiter abnehmen, weil Staatspräsident Emmanuel Macron deren Satz schrittweise auf 25 Prozent senken wird.

Bei den Produktionsteuern aber geschah in den vergangenen Jahren wenig bis nichts. Ihre Zusammensetzung veränderte sich, die eine oder andere Steuer wurde abgeschafft und durch eine neue ersetzt, doch in der Summe wuchs die Belastung eher, als dass sie sich minderte.

Dabei ist der Zusammenhang zwischen dieser Art von Steuern und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Länder sehr direkt: Wirtschafts- und exportstarke Länder wie Deutschland und die Niederlande setzen nur in sehr geringem Umfang auf diese Abgabenklasse, während exportschwache Nationen wie Frankreich und Griechenland im internationalen Vergleich dabei Spitzenreiter sind.

„Die Steuern auf die Produktion erhöhen die Gewinnschwelle und erklären die relative Muskelschwäche des französischen produzierenden Gewerbes, vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen“, schreibt der CAE in einer Analyse.

Sie belasten den Export, weil sie voll in die Preise eingehen und anders als die Mehrwertsteuer an der Grenze nicht abgezogen werden. „Sie wirken wie eine Subventionierung importierter Güter und eine Bestrafung der Produktion in Frankreich“, urteilt der CAE. Am wachsenden Außenhandelsdefizit Frankreichs lässt sich der Effekt ablesen.

Maugis bestätigt die Aussagen der CAE-Ökonomen. Bei seinem früheren Arbeitgeber Bosch habe man die steuerliche Belastung von Investitionen in Deutschland und Frankreich verglichen und sei durch die Produktionsteuern auf eine zweistellige Differenz zulasten Frankreichs gekommen.

Umso erstaunlicher ist es, dass sich die Steuersenkungen auch Macrons bislang auf die Vermögensteuer und die Körperschaftsteuer bezogen haben, aber nicht auf die besonders schädlichen Abgaben. Maugis und Moulin Wright erklären das mit dem Widerstand der Kommunen und Regionen, denen das Aufkommen fast ausschließlich zufließt.

In der Nationalversammlung seien Abstriche an den Produktionsteuern nicht durchsetzbar gewesen, weil die Abgeordneten, die auch ein lokales Mandat haben, sich systematisch sperrten.

Neuer Anlauf in der Coronakrise

Der neue Premierminister Castex traut sich nun an dieses Thema heran. In seiner Rede zum „Programm für den Aufschwung“, das nach der Sommerpause vorgelegt wird, hat er die Senkung um 20 Milliarden Euro angekündigt.

Maugis erklärt den plötzlichen Mut damit, dass auch in den Regionen und Kommunen die Angst vor einer Pleitewelle und damit dem Verlust von Arbeitsplätzen umgehe. Moulin Wright sagt, dass die Regierung den Gebietskörperschaften jeden verlorenen Euro ersetzen werde.

Zugleich spielen Bedenken wegen der resultierenden Steuerausfälle eine wesentlich geringere Rolle. „Wir arbeiten an der Gegenfinanzierung“, sagt ein Sprecher des französischen Finanzministeriums. Doch in einer Ausnahmesituation, in der alle Staaten mit Hunderten von Milliarden Euro um sich werfen, fällt diese Frage nicht mehr so ins Gewicht.

Die Steuersenkung hat zudem einen erheblichen Vorteil: Sie kommt umgehend bei den Unternehmen an, während Förder- oder Investitionsprojekte eine erhebliche Vorlaufzeit haben.

Bleibt die Steuersenkung über mehrere Jahre bestehen, könnte das den Blick ausländischer Investoren auf Frankreich verändern, das zuletzt ohnehin stark aufgeholt hatte. Künftig könnte das Land trotz seiner insgesamt hohen Abgabenlast auch bei der Besteuerung von Unternehmen attraktiver werden.