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Deutschland und Frankreich driften in ihrer China-Politik auseinander

Frankreichs Präsident erfreut Peking mit einer Reise zur Propaganda-Messe nach Shanghai. Berlin verweigert sich weiter. Doch Macron braucht Aufträge aus China.

Mit der Internationalen Importmesse (CIIE) will die chinesische Staatsführung zeigen, dass sie es ernst meint mit der Marktöffnung. Mehr als 3.000 Unternehmen aus über 150 Ländern hätten ihr Kommen bereits zugesagt, verkünden die Staatsmedien triumphierend. Anfang November startet die zweite Ausgabe der größten chinesischen Wirtschaftsveranstaltung des Jahres in Schanghai, veranstaltet vom Handelsministerium der Volksrepublik.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte die Messe ins Leben gerufen und im Jahr 2018 erstmals eröffnet. Damals war die internationale Resonanz überschaubar. Vor allem hatte man hochrangige Staatsgäste aus dem Ausland erwartet. Diese blieben zum Unmut der chinesischen Regierung fern. Das ändert sich nun.

Wie das Handelsblatt aus europäischen Diplomatenkreisen erfuhr, plant Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron in diesem Jahr erstmals einen Besuch der Importmesse. Die Teilnahme an der Veranstaltung bildet den Auftakt einer mehrtägigen China-Reise Macrons vom 4. bis zum 7. November.

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Der Élysée-Palast wollte sich auch auf mehrfache Anfrage des Handelsblatts nicht zu Macrons Plänen äußern. Doch ist mittlerweile bestätigt, dass er sich während der Messe in Schanghai aufhalten wird.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wird hingegen nicht teilnehmen, wie es aus seinem Ressort auf Anfrage hieß. Bundeskanzlerin Angela Merkel war bereits im September nach Peking gereist. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung nur einen parlamentarischen Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium geschickt.

Die Bundesregierung ist in den vergangenen Monaten zurückhaltender geworden, wenn es um die Bewertung der deutsch-chinesischen Beziehungen geht. Das Land sei „auf der einen Seite strategischer Partner und auf der anderen Seite strategischer Wettbewerber“, hatte Merkel im Frühjahr in einer Regierungserklärung betont.

Europa setze auf die freiheitlich geprägte Soziale Marktwirtschaft, China auf eine gelenkte Staatswirtschaft. In diesem „Systemwettbewerb“ sei es wichtig, dass die EU-Staaten eine gemeinsame Position gegenüber Peking bezögen, betonte die Kanzlerin.

Macron hatte dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi bei einem Treffen vor der ersten CIIE im Jahr 2018 lediglich versprochen, eine Delegation von höherrangigen Staatsvertretern zu schicken. Der Alleingang des französischen Staatspräsidenten in Bezug auf die diesjährige Messe kommt überraschend. Im März hatten Frankreich und Deutschland gegenüber China noch demonstrativ an einem Strang gezogen.

Macron hatte Xi damals zu einem bilateralen Treffen in Paris eingeladen, dann aber spontan Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hinzugeholt. Alle drei machten dem chinesischen Herrscher gemeinsam klar, dass sie dessen Lieblingsprojekt der „Neuen Seidenstraße“ mit Argwohn verfolgen, weil es die EU spaltet. China solle sich an die Regeln der Welthandelsorganisation halten und endlich ein Investitionsabkommen mit den Europäern vereinbaren, forderten sie.

Beim kommenden deutsch-französischen Ministerrat am 16. Oktober in Toulouse wollen Berlin und Paris vor allem auch über das Arbeitsprogramm der neuen EU-Kommission sprechen. Eine selbstbewusstere Handelspolitik der EU spielt dabei eine große Rolle. Vielleicht weiß man nach dem Treffen in der nächsten Woche besser, ob die beiden Regierungen bei der China-Politik noch auf einer Wellenlänge sind.

Bei seinem ersten China-Besuch im Januar 2018 hatte Macron Xi Jinping noch verärgert: Er hielt eine sehr kritische Rede über die Neue Seidenstraße, forderte Peking auf, „das einheitliche europäische Recht zu respektieren“, sich an Ausschreibungen, Umwelt- und Sozialnormen zu halten.

Dafür erhielt er die Quittung: China unterzeichnete keine Großaufträge wie sonst üblich, sondern ließ Macron mit fast leeren Händen nach Hause fahren. In diesem Jahr hofft Macron wohl auf mehr Glück – und scheint zu einer entsprechenden Vorleistung in Form der Gefälligkeitsvisite bereit zu sein.

Die Skepsis, mit der die Bundesregierung der chinesischen Importmesse begegnet, hat einen Grund: Das Event ist vor allem eine chinesische Propagandaveranstaltung, mit der sich China in bestes Licht rücken will. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt feilt an ihrem Image. Besuche von Staatsoberhäuptern wie Macron dienen dazu, der CIIE mehr Bedeutung und Glanz zu verleihen. Im vergangenen Jahr kamen nur aus wenigen Ländern wie Russland, Kuba und Pakistan ranghohe Vertreter.

Seitens der Wirtschaft kann Peking mit großen Namen rechnen. Laut den Veranstaltern nehmen unter anderem die Autohersteller Ford, BMW und Volkswagen, der deutsche Softwarekonzern SAP, der deutsche Logistikkonzern DB Schenker und der amerikanische Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson an der Messe teil.

Auch wenn China auf der Messe wieder seine Rhetorik von einer „Win-win-Partnerschaft“ mit den Europäern starten wird: Gerade Frankreich macht der bilaterale Handel mit China wenig Freude. Er ist seit Jahren hochdefizitär. Im vergangenen Jahr erreichte der Negativsaldo 29 Milliarden Euro. Nach Angaben des französischen Schatzamtes erklärt das Manko im bilateralen Austausch mit China neun Zehntel des gesamten französischen Defizits in der Handelsbilanz.

Die Volksrepublik ist mittlerweile hinter Deutschland zum zweitgrößten Lieferanten Frankreichs aufgerückt. Dagegen erreichen französische Exporteure in China nur einen geringen Marktanteil von 1,5 Prozent. Deutsche Unternehmen kommen dagegen auf einen Anteil von fünf Prozent.

Der größte Teil der französischen Ausfuhren entfällt auf Flugzeuge. Weil im vergangenen Jahr der Großraumflieger A350 von Airbus eine chinesische Lizenz erhielt – er wird vom französischen Toulouse aus geliefert –, machten 2018 die Lieferungen von Fluggerät nach China einen ordentlichen Satz nach vorn. Gut entwickeln sich auch Kosmetika und Pharmaerzeugnisse, während der Appetit der Chinesen auf französische Agrarprodukte rückläufig ist.

Die Entwicklung in der Gegenrichtung ist für Frankreich bedenklich: Vom Billiganbieter mausert sich das kommunistische Land immer mehr zum Exporteur von Gütern mit hoher Wertschöpfung. Luft- und Raumfahrtprodukte nehmen einen der vordersten Ränge ein. China hat sich fest als wichtiger Ausrüster von Airbus und anderen französischen Unternehmen der Branche etabliert.

Den Informationen des Schatzamtes zufolge ist Frankreich in Teilen schon extrem abhängig von Firmen aus dem Reich der Mitte: Ein bestimmter Airbus-Helikopter bestehe schon zu 50 Prozent aus chinesischen Teilen.

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner großen Fantasie, um sich vorzustellen, was Macron in Schanghai sagen dürfte: „Chinesen, kauft bitte mehr französische Waren!“ Doch dass seine Reise nach Schanghai mehr sein wird als eine Geste, die der chinesischen Partei- und Staatsführung hochwillkommen ist, darf bezweifelt werden. Denn sie macht keine Anstalten, auf die europäischen Forderungen einzugehen.

Trotz vieler Versprechen zur Marktöffnung ist die chinesische Staatsführung in vielen Punkten bislang hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ausländische Unternehmen finden in vielen Bereichen noch immer nicht die gleichen Bedingungen vor wie chinesische. So werden sie etwa zum Technologietransfer und zur Zusammenarbeit in Joint Ventures mit chinesischen Unternehmen gezwungen, wenn sie auf dem chinesischen Markt aktiv sein wollen.

Erst kürzlich kritisierte die Europäische Handelskammer in Peking, dass in China noch immer Staatsunternehmen massiv vor privaten Firmen bevorzugt werden. Seit Neuestem macht den Unternehmen zudem der Aufbau eines Credit-Systems in China Sorge, bei dem auch das Verhalten von Firmen bewertet werden soll. Kritiker bemängeln die Intransparenz des Systems und befürchten, dass damit den Unternehmen auch politische Repressalien drohen.

Die europäischen Staaten verlieren zunehmend die Geduld mit China. Bei dem letzten EU-China-Gipfel im April hatten sich Brüssel und Peking darauf verständigt, dass es schon in diesem Jahr entscheidende Fortschritte bei einem Investitionsabkommen geben muss, über das Brüssel und Peking bereits seit 2013 verhandeln. Im kommenden Jahr soll das Abkommen abgeschlossen werden. Mit ihm soll der Marktzugang für ausländische Unternehmen erheblich verbessert werden.