Werbung
Deutsche Märkte schließen in 7 Stunden 55 Minuten
  • DAX

    18.475,89
    -1,20 (-0,01%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.089,07
    +7,33 (+0,14%)
     
  • Dow Jones 30

    39.760,08
    +477,75 (+1,22%)
     
  • Gold

    2.215,00
    +2,30 (+0,10%)
     
  • EUR/USD

    1,0794
    -0,0035 (-0,32%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.365,49
    +655,00 (+1,01%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    81,85
    +0,50 (+0,61%)
     
  • MDAX

    26.969,93
    -122,02 (-0,45%)
     
  • TecDAX

    3.449,84
    -7,52 (-0,22%)
     
  • SDAX

    14.245,24
    -164,89 (-1,14%)
     
  • Nikkei 225

    40.168,07
    -594,66 (-1,46%)
     
  • FTSE 100

    7.949,33
    +17,35 (+0,22%)
     
  • CAC 40

    8.216,93
    +12,12 (+0,15%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.399,52
    +83,82 (+0,51%)
     

Was die Forschung über notorische Aufschieber weiß — und wie sie die Prokrastination überwinden können

Zu den größten Geheimnissen von Menschen, die stets sofort ihre Aufgaben erledigen, gehört wohl die Fähigkeit, täglich ihren inneren Schweinehund zu überwinden. Die Wahrheit ist, dass diese Macher-Typen wahrscheinlich gar keinen inneren Schweinehund haben. Sie verspüren nicht den Wunsch, etwas liegenzulassen. Es sind Menschen mit großer innerer Motivation und einem Drive, der sie immer von neuem antreibt. Ihr Erfolg befeuert sie stets mit neuer Energie.

Etwa 20 Prozent aller Menschen vertagen lästige Pflichten. Sie sind weder faul noch unmotiviert, wie Biopsychologen von der Universität Bochum herausgefunden haben. Die Ursache für das Verhalten liegt vielmehr in ihrem Gehirn, ergab eine Studie. Dafür haben die Forschende die Hirnregionen von 264 Probanden im Kernspintomografen untersucht. Ihr spezielles Interesse galt dabei dem Volumen und der funktionellen Vernetzung der Hirnregionen. In einem Fragebogen schätzten alle Probanden zudem ihre Fähigkeit ein, eigene Handlungen selbst zu steuern.

Ein Teil im Gehirn ist bei Menschen, die Dinge aufschieben, größer

Das Ergebnis: Die Studienteilnehmenden mit Hang zur Aufschieberitis zeigten einen deutlich vergrößerten Mandelkern. Er ist das Gefühlszentrum, hier werden Emotionen verarbeitet und kontrolliert. Hier wird unter anderem festgelegt, wie ängstlich wir sind. Außerdem beeinflusst der Mandelkern zum Beispiel, ob wir bestimmte Dinge und eher positiv als Belohnung oder negativ als Bestrafung empfinden.

WERBUNG

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Die Verbindung zu einer weiteren Hirnregion, dem sogenannten dorsalen anterioren cingulären Cortex, war bei den Menschen mit Hang zu Prokrastination weniger stark ausgeprägt als gewöhnlich. Beide Gehirnregionen spielen eine wesentliche Rolle bei der Steuerung unseres Verhaltens.

Was aber tun, wenn man selbst Aufgaben vor sich herschiebt und damit einen inneren, lähmenden Druck erzeugt? Wer dazu neigt, Arbeit zu verschieben, wird unzufrieden – denn die Angst vor dem Scheitern wächst. Dies lässt den Stresspegel anschwellen. Nach und nach entwickeln die Betroffenen ein negatives Selbstbild, empfinden sich als Looser. Meist blieben sie daher hinter ihrem Leistungsniveau zurück.

Wissenschaftler der Procrastination Research Group der Carlton University in Ottawa haben 10.000 Studenten nach ihrem Umgang mit dem Erledigen von Dingen befragt. Das Ergebnis: 94 Prozent von ihnen gaben an, dass das Aufschieben zu schlechter Stimmung führt. 70 Prozent fühlten sich dabei weniger glücklich. Ein weiteres Problem: Notorische Aufschieber erfinden die besten Ausreden. Das verschlechtert mittelfristig ihre sozialen Beziehungen, da sie bei Freunden und Kollegen als unzuverlässig gelten.

Betroffen sind vor allem junge Männer

Die Zeitschrift "Psychologie Aktuell" berichtet von folgendem Fall: Der 32-jährige Thomas P. schafft es nicht, sein Studium der Sozialwissenschaften abzuschließen. Seine Tätigkeit als Hilfskellner in der Gastronomie hält ihn finanziell über Wasser. Er meidet den Kontakt zu seinen Eltern, um peinliche Rückfragen zum Studium aus dem Weg zu gehen. Nach außen gibt er sich geschäftig. Ansonsten widmet er die Nächte seiner CD-Sammlung und Onlineaktivitäten wie Recherchieren, Videos schauen oder gelegentlichem Spielen. Tagsüber schläft er. Mittlerweile leidet er zunehmend unter Depressionen, Schlafstörungen und Erschöpfung.

Kein Einzelfall, wie die Studie der Uni Mainz belegt. Der Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Manfred Beutel, hat die Studie zur Prokrastination durchgeführt. „Die Repräsentativ-Erhebung zeigte, dass Menschen, die Tätigkeiten häufig aufschieben, seltener in Partnerschaften lebten, häufiger arbeitslos waren und über ein geringes Einkommen verfügten. Betroffen waren vor allem junge Männer. Schüler und Studierende prokrastinierten dabei häufiger als ihre berufstätigen oder in einer Ausbildung befindlichen Altersgenossen. Die Studie bestätigt, dass ausgeprägtes Aufschiebeverhalten von wichtigen Tätigkeiten mit Stress, Depression, Angst, Einsamkeit und Erschöpfung einhergeht.“ Die Studie umfasste 2.527 Menschen von im 14 bis 95 Jahren.

Oft stecken Versagensängste und zu hohe Ansprüche hinter der Prokrastination

Warum bestimmte Tätigkeiten negative Gefühle hervorrufen, wird von den Betroffenen zu wenig hinterfragt. Leistungsanforderungen sind häufig mit Versagensängsten verbunden, eigene Leistungsansprüche sind möglicherweise zu hoch gesteckt und Zielsetzungen unrealistisch. Ersatzhandlungen wie beispielsweise Medienkonsum wird dagegen sofort belohnt: Ein Like, eine Nachricht, ein paar News, ein Onlinekauf bescheren uns gute Gefühle in Sekundenschnelle. Negative Konsequenzen wie Versagen, Depression oder Einsamkeit schleichen sich aber erst langsam ins Leben und dominieren damit weniger unser unmittelbares Verhalten.

Die Studie zeigte, dass dies vor allem für junge Menschen in Schule oder Studium zutrifft. Offenbar gibt ein Beschäftigungsverhältnis eine feste Struktur und Orientierung. Ein Studium erfordert Selbstorganisation. Junge Menschen befinden sich jedoch in einem Alter, in dem sie die Zeit sich endlos dehnt und ihnen Pflichten nicht so wichtig sind.

Für Studienleiter und Klinikdirektor Professor Beutel ist das Anlass genug, um zu handeln: „Aufgrund der steigenden Häufigkeit derartiger Krankheitsverläufe haben wir ein spezielles Behandlungsangebot für junge Erwachsene mit Prokrastinationsverhalten entwickelt. Im stationären Rahmen und der damit verbundenen Struktur dienen aufeinander abgestimmte einzel- und gruppentherapeutische Behandlungselemente der Überwindung der Prokrastination und damit verbundenen, oft tiefgreifenden Entwicklungsblockaden. Der Teufelskreis aus Aufschieben, Vermeidung, Versagensgefühlen, Erschöpfung und Depression wird in der stationären Behandlung sorgfältig aufgearbeitet“.

Die gute Nachricht ist: Nur wenige Menschen benötigen eine stationäre Behandlung. Dies ist schweren Fällen vorbehalten. Mit einigen psychologischen Verhaltensveränderungen kann man die "normale" Aufschieberitis in aller Regel überwinden.

Der erste Schritt besteht darin, sich realistische Ziele zu setzen und sich auf Aufgaben mit hoher Priorität zu konzentrieren. Es hat keinen Sinn sich vorzunehmen, eine 20-seitige Hausarbeit in fünf Tagen zu schreiben, seine Steuererklärung an einem einzigen Abend fertig zu stellen oder ein Projekt in einem Monat abzuschließen, für das man realistischerweise zwei braucht. Wichtig ist deswegen, dass man lernt, ehrlich zu sich selbst zu sein und seine Möglichkeiten und Grenzen genau einzuschätzen.

Ein weiterer Aspekt ist: Ehrgeiz ist gut, doch übermäßiger Ehrgeiz kann die Umsetzung der Ziele ziemlich wirkungsvoll hemmen, frei nach dem Motto: stark anfangen und stark nachlassen. Wer sich zu viele Aufgaben für einen Tag vornimmt, kann sich bereits beim Anblick der zu erledigenden Aufgaben demotiviert fühlen. Deswegen schleppen die Prokrastinierer eine Liste mit unerledigten Aufgaben, die sie innerlich quält.

Wichtig ist daher, die Aufgaben mit hoher Priorität zuerst anzupacken. Erst wenn diese abgearbeitet sind, kommen die weniger wichtigen Dinge. Sinnvoll ist festzulegen, was das Ziel des Tages ist. Wer dann Tag für Tag erlebt, wie gut es sich anfühlt, gegen Nachmittag oder Abend die wichtigen Sachen erledigt zu haben, merkt sich diese Erleichterung. Das steigert die Motivation und triggert positive Emotionen. Neue Spuren werden im Gehirn gelegt, denn es lernt aus jeder Erfahrung. Wer erfährt, dass das Steuern der eigenen Handlung (mit ein wenig Überwindung und Antrieb zu Beginn) allabendlich ein Gefühl der Zufriedenheit erzeugt, hat die Chance sein Verhalten langfristig zu verändern.

Routine hilft, um anzufangen

Wer an Aufschieberitis leidet, startet oft motiviert in den Tag, findet aber nicht den Einstieg ins Tun. Daher kann es hilfreich sein, eine Routine für den Alltag einzuüben. 20 Minuten Sport oder Ruhe mit einer Tasse Kaffee am Morgen, ein kleiner Spaziergang zum Aufwachen, der tägliche Gang ins Stammcafé mit netten Menschen und guten Gesprächen zum Start in den Tag – all das kann schon morgens gute Gefühle wecken. Diese helfen den ganzen Tag über, eventuell aufkommende negative Emotionen und Gedanken auszugleichen.

Gleich danach sollte man die unangenehmen Aufgaben schnell erledigen. Dieses sind für jeden andere Dinge. Für den einen sind das die bürokratischen Tätigkeiten. Für den anderen ist es lästig oder schwer, sich bei einem Freund zu melden, der krank ist oder die Eltern anzurufen, um den nächsten einen Besuch auszumachen.

Das Tool hier heißt: Nicht darüber nachdenken, sondern eine Aufgabe nach der anderen angehen und dabei die Zeit möglichst kurz halten. Mit jeder erledigten Aufgabe nimmt die Erleichterung zu. Danach ist es wichtig, sich zu belohnen. Denn so wird das Erledigen von unangenehmen Aufgaben mit einer positiven Emotion gekoppelt. Die Belohnung ist genauso wichtig beim Lernprozess wie das Erledigen der Aufgaben selbst. Motivation entsteht, wenn das Gehirn eine positive Rückmeldung bekommt. Langfristig entsteht das gute Gefühl von ganz alleine, weil wir uns beschwingt und glücklich fühlen, wenn wir die Aufgabe geschafft haben. Das nennt man intrinsische, also von innen kommende Motivation.

Den meisten hilft es, eine To-do-Liste zu schreiben. Ob abends oder morgens hängt von der Persönlichkeit ab. Was auf der Liste steht, belastet nicht das Gedächtnis. Entscheidend ist, die wesentliche Dinge auch sofort zu erledigen und wenn Zeit ist, ein paar aus der zweiten oder dritten Priorität.

Jeder Mensch hat eine Tageszeit, in der er oder sie besonders konzentriert arbeiten kann. Herauszufinden, wann dies ist, gehört zu den Geheimnissen des Erfolgs. Niemand ist immer produktiv. Wichtige Termine oder kreative Aufgaben sollten also möglichst in der Zeit liegen, in der unser Gehirn zur Höchstleistung aufläuft.

Schafft euch Routinen und positive Gewohnheiten

Wir sind das, was wir wiederholt tun. Hervorragende Leistung ist dann keine Handlung, sondern eine Gewohnheit.“
– Aristoteles

Gute Gewohnheiten können uns den Alltag erleichtern, da wir diese automatisch ausführen. Insbesondere wenn es sich um ein Langzeitprojekt handelt, ist es sinnvoll, sich für diesen Zeitraum feste Gewohnheiten anzueignen. Diese können euch dabei helfen, eure Aufgabe schneller zu erledigen.

Versucht beispielsweise, einem regelmäßigen Schlafrhythmus nachzugehen und jeden Tag ungefähr zur selben Uhrzeit aufzustehen. Macht den Morgen zu eurer produktiven Arbeitsphase, indem ihr euch beispielsweise täglich von 9 bis 13 Uhr lediglich dem Abarbeiten eurer Aufgabe widmet. Von 13 bis 14 Uhr nehmt ihr euch eine längere Pause und arbeitet anschließend von 14 bis 17 Uhr weiter. Den Abend nutzt ihr zur vollen Entspannung.

Um euch von einer neuen Gewohnheit zu überzeugen, überlegt am besten im Voraus, welchen positiven Nutzen ihr aus der Gewohnheiten ziehen werdet: Wie könnte sich euer Leben dadurch verändern? Führt außerdem eine Strichliste, an wie vielen Tagen ihr eure neu angewöhnte Tätigkeiten bereits umgesetzt habt. So zieht ihr konsequent euer neues Vorhaben durch und macht dieses zur Routine.

Raus aus der Perfektions-Falle

Der allergrößte Fehler von allen ist, keinen machen zu wollen. Denn dadurch hindert ihr euch selbst daran, eine Aufgabe selbstbewusst anzupacken und schnell zu erledigen. Wer einen kleinen Perfektionisten in sich entdeckt kann üben, weniger über mögliche Fehler nachzudenken und einfach loszulegen.

Es muss nicht immer alles gleich Glitzer und Ponyhof sein. Eine erste Grobfassung eurer Aufgabe ist besser als gar keine, ein nicht perfekter Satz besser als leere Zeilen.

Legt euch bewusst einen Zeitraum fest, in welchem ihr euer Handy ausschaltet und weglegt. Innerhalb dieses Zeitraumes dürft ihr außerdem weder Mails checken noch auf ablenkende Social-Media-Seiten gehen.

Sagt laut „Nein“, sobald ihr euch bei einem Ablenkungsverusch ertappt

Ihr sitzt vor eurem Computer und möchtet euch auf das Erledigen eurer Aufgabe konzentrieren. Doch nach einigen Minuten spürt ihr schon wieder dieses unkontrollierte Zucken in eurem Bein. Ihr versucht es aufzuhalten, doch geratet allmählich ins Schwitzen. Nach einigen Minuten haltet ihr es wirklich nicht mehr aus. Ihr springt von eurem Stuhl auf und lauft wie automatisiert zu eurem Kühlschrank. Verdammt, die Prokrastination hat mal wieder über euren Verstand gesiegt.

Damit ihr das besser in den Griff bekommt und eure Prokrastination überwinden könnt, ruft das nächste Mal laut „Nein!“, sobald sich euer Körper wieder ferngesteuert verhält, um euch in ein tiefes Prokrastination-Loch zu stürzen. Denn indem ihr das Wort „Nein!“ laut aussprecht, macht ihr euch euren angehenden Ablenkungsversuch bewusst.

Gehört ihr zu denjenigen, deren Denkweise eher negativ ist? Dann versucht ab jetzt, eure Denkweise bewusst zu ändern und einem negativen Gedanken einen positiven entgegenzusetzen. Zum Beispiel so:

Negative Denkweise: „Was ist, wenn ich es nicht schaffe?“
Positive Denkweise: „Die Aufgabe wird kein Kinderspiel sein, aber ich werde es schaffen!“

Negative Denkweise: „Ich brauche für alles immer länger als andere.“
Positive Denkweise: „Es ist völlig in Ordnung, wenn ich für die Bearbeitung einer Aufgabe etwas mehr Zeit brauche, solange ich nicht prokrastiniere.“

Negative Denkweise: „Die Aufgabe raubt mir noch den letzten Nerv.“
Positive Denkweise: „Ich sehe die Aufgabe als eine Herausforderung an und kann stolz auf mich sein, wenn ich sie erfolgreich gemeistert habe.“