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Forscher empfehlen Städten, ihre Wohnungen zu verkaufen – und rufen Empörung hervor

Wirtschaftsforscher vom IW Köln empfehlen Städten, ihre Wohnungen zu verkaufen. Der Mieterbund nennt die Idee „Wahnsinn“.

Viele deutsche Kommunen ächzen unter ihren Schulden. Dabei wäre das Entschulden doch so einfach, folgt man Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts IW Köln. Die Kommunen müssten nur ihre Wohnungsbestände verkaufen, meint er. „Mit einem Verkauf könnten sich zahlreiche Kommunen auf einen Schlag entschulden oder zumindest ihre Schulden deutlich abbauen“, schreibt Voigtländer in einer Studie.

Vertreter von Mietern und der Städte reagieren entrüstet. „Das sind finanzpolitische Rezepte aus dem vergangenen Jahrtausend“, empört sich Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes. „Wir lehnen das komplett ab“, reagiert Bernd Düsterdiek, Referatsleiter Städtebau im Deutschen Städte- und Gemeindebund ebenso unmissverständlich.

Voigtländer argumentiert mit den hohen Wohnungspreisen. „Angesichts der stark gestiegenen Preise sollte aber erneut über Verkäufe nachgedacht werden“, rät er, zumal das Preisniveau nicht ewig so hoch bleiben werde.

Nach Voigtländers Recherchen besitzen die deutschen Kommunen noch rund 2,3 Millionen Wohnungen und damit etwa zwölf Prozent aller hierzulande vermieteten Wohnungen. Deren bilanziellen Wert hat er auf fast 138 Milliarden Euro hochgerechnet.

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Zu den größten und bekanntesten städtischen Wohnungsvermietern zählen Saga in Hamburg mit rund 132.000 Wohnungen und jährlich rund 893 Millionen Euro Mieteinnahmen, gefolgt von der Berliner Degewo, die 73.000 Wohnungen ihr Eigen nennt und rund 430 Millionen Euro an Mieten einnimmt. Die ABG in Frankfurt verwaltet 51.000 Wohneinheiten und kassiert dafür 458 Millionen Euro Miete.

Wenn Hamburg die Saga zum von Voigtländer hochgerechneten Preis von 25,7 Milliarden Euro verkaufen würde, könnten deutlich mehr als die Hälfte der 41 Milliarden Euro Schulden getilgt werden. In Berlin sieht die Bilanz schlechter aus. Die kommunalen Wohnungsbestände würden nur gut ein Sechstel der 59,4 Milliarden Schulden einspielen.

Dagegen müssten sich München und Frankfurt nach dem Verkauf ihrer Wohnungen sogar Gedanken machen, wie sie Strafzinsen für den die Schulden überschießenden Betrag aus dem Wohnungsverkauf vermeiden. Bei Frankfurts im Großstadtvergleich relativ geringen 1,5 Milliarden Euro Schulden würden nach der Veräußerung der ABG laut IW-Köln-Rechnung sogar zehn Milliarden Euro übrig bleiben.

Dass Voigtländer ausgerechnet jetzt, wo preisgünstiger Wohnraum fehlt und versucht wird, den Mietanstieg zu bremsen, für den Verkauf städtischer Wohnungen wirbt, nennt Mieterbund-Mann Ropertz „einen Wahnsinn“. Städtevertreter Düsterdiek sieht kommunale Wohnungsgesellschaften als Garanten für bezahlbaren Wohnraum, „weil sie nicht auf Profit aus sind“.

In der Studie hält Voigtländer den städtischen Gesellschaften sogar die gegenüber den börsennotierten Wohnungsriesen niedrigere Rendite vor und verweist auf den Widerspruch von Gewinnmaximierung und sozialverträglicher Miete. „So geht eine höhere Rendite mit der Durchsetzung von Mietsteigerungen einher, sozialpolitisch wird aber eine Miete unterhalb des Marktniveaus angestrebt.“

Sozialpolitische Bedenken schiebt Voigtländer beiseite: „Oft vermieten die kommunalen Wohnungsgesellschaften zu ähnlichen Preisen wie private Anbieter. Und falls sie günstiger sind, profitieren davon nur bedingt einkommensschwache Mieter.“ Ein Beleg dafür liefert nach seiner Ansicht Berlin. Dort gälten nur 17 Prozent der Mieter kommunaler Wohnungen als armutsgefährdet. „Bei privaten Wohnungsunternehmen ist es dagegen jeder Fünfte.“

Die expansionsfreudigen börsennotierten Wohnungsgesellschaften, wie etwa Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG, würden jubeln, wenn es plötzlich wieder kommunale Bestände zu kaufen gäbe. Doch das Spekulieren darauf haben sie wegen des zu erwartenden Widerstands von Kommunalpolitikern und breiten Bevölkerungskreisen schon vor Jahren aufgegeben.

Denn bereits im Jahr 2006 verhinderten in Freiburg Bürgerproteste den Verkauf stadteigener Wohnungen an einen privaten Investor und leiteten damit auch bundesweit das Ende der Privatisierung an Finanzinvestoren ein.

Der Zeitgeist hat sich längst in die entgegengesetzte Richtung gedreht. Am deutlichsten ist dies in Dresden zu sehen. Im März 2006 verkaufte die Stadt ihre Wohnungsgesellschaft Woba Dresden mit 48.000 Wohnungen an den Finanzinvestor Fortress. Heute gehören die Wohnungen der Vonovia. Dresden wurde durch den Verkauf zwar zur ersten schuldenfreien Großstadt, trauerte aber schon wenig später dem verlorenen Einfluss auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nach. Und dies so sehr, dass sie im September 2017 wieder eine neue städtische Wohnungsgesellschaft gründete.

Im Frühjahr will die Wohnen in Dresden (WiD) genannte Gesellschaft mit dem Bau der ersten Mietblocks beginnen. Einziehen werden nur vom Sozialamt vermittelte Menschen, deren Einkommen so niedrig sind, dass sie über einen Wohnberechtigungsschein verfügen.

Einen Sinneswandel vollzog auch Bayerns neue Ministerpräsident Markus Söder. Er kündigte gerade die Gründung von „Bayernheim“, einer bayerischen Wohnungsbaugesellschaft, an. Bereits im Januar hatte er auf einer Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Kloster Banz einen solchen Schritt angekündigt.

Im Jahr 2013 hatte Söder, damals Finanzminister, noch den Verkauf der als BayernLB-Tochter quasi landeseigenen Wohnungsgesellschaft GBW mit 32.000 Wohnungen an ein Konsortium um die Augsburger Patrizia forciert.