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„Folgen werden dramatisch sein“ – Ökonomen und Wirtschaft enttäuscht von Corona-Gipfel

Die Politik will weiter auf Sicht fahren. Unternehmer hätten einen verbindlichen Fahrplan für Öffnungen für essenziell gehalten. Auch Lehrer üben Kritik.

Viele Unternehmer würden ihre Geschäfte gerne wieder öffnen – oder zumindest erfahren, wann es so weit sein kann. Foto: dpa
Viele Unternehmer würden ihre Geschäfte gerne wieder öffnen – oder zumindest erfahren, wann es so weit sein kann. Foto: dpa

Mehrere Wirtschaftsverbände haben sich nach dem Corona-Gipfel enttäuscht gezeigt. Eine schnelle Lockerung der Regeln hatte dabei kaum jemand erwartet. Auf Unmut stößt allerdings, dass es keine klaren Aussagen dazu gibt, unter welchen Bedingungen Lockerungen kommen werden.

  • „Der Corona-Gipfel ist ein weiterer Beweis der Unverbindlichkeit der Politik und der Gipfel der Enttäuschungen für den Mittelstand“, kommentierte der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). „Die Regierenden nehmen abermals die Insolvenz und den Existenzverlust von hunderttausenden Betrieben und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kauf und rauben deren Zukunftsperspektive“, sagte BVMW-Bundesgeschäftsführer Markus Jerger. „Wieder vertröstet die Bundesregierung den Mittelstand mit unverbindlichen Versprechungen und lässt diesen bettelnd am Tropf der Überbrückungshilfen hängen.“ Es fehlten noch immer ein verbindlicher Fahrplan für den „Lockoff“ der Wirtschaft sowie ein Wirtschaftsgipfel mit Experten des Mittelstands, den Gewerkschaften und der Politik.

  • Der Mittelstandverbund ZGV kritisierte die Fokussierung auf eine 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner. „Weit zielführender als weiterhin den Holzhammer des Lockdowns und eine statistische Durchschnittszahl zu bemühen wäre doch jetzt endlich ein Schwenk mit voller Kraft auf die Schnelltests mit digitaler Erfassung der Ergebnisse“, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführer Ludwig Veltmann dem Handelsblatt. „Dann könnte man nämlich Infektionsgeschehen wirklich bestimmen und gezielt dagegen vorgehen, ohne weite Teile der Wirtschaft und Gesellschaft historisch einzigartige Zumutungen aufzubürden.“

    Die Corona-Beschlüsse des Bund-Länder-Treffens bezeichnete Veltmann als „schlicht enttäuschend“. Mit Blick auf die Lage der betroffenen Unternehmen ergänzte er: „Wo wird da eigentlich nachempfunden, wie es sich anfühlt, ohne Schuld dem Niedergang seines Lebenstraumes hilflos zusehen zu müssen – noch dazu Monat um Monat wartend auf längst versprochene Ausgleichszahlungen.“ Es sei vor diesem Hintergrund auch „völlig unverständlich, wieso die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse, nach denen das Infektionsrisiko auf Ladenflächen bei konsequenter Anwendung der Hygieneregeln äußerst gering ist, keinerlei Würdigung erfahren haben“.

  • „Jeder Tag Lockdown kostet 1,5 Milliarden Euro allein im Handel. Die Folgen sind und werden dramatisch sein. Es geht um die Existenzen ganzer Innenstädte“, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner der dpa. Der Zentrale Immobilien Ausschusses (ZIA) ist der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft.

  • „Dass Hotels und Restaurants in dem vorliegenden Beschluss mit keinem Wort erwähnt werden, löst in der Branche Frust und Verzweiflung aus“, kritisierte Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). „Wir haben nicht mit einem konkreten Öffnungsdatum gerechnet, aber definitiv mit einer Aussage, wann und unter welchen Voraussetzungen Hotels und Restaurants wieder Gäste empfangen dürfen.“ Die Branche erwarte spätestens zu den nächsten Beratungen von Bund und Ländern am 3. März einen abgestimmten Fahrplan für den Re-Start des Gastgewerbes.

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Der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), äußerte Verständnis für die Kritik aus der Wirtschaft. Die Verlängerung des Lockdowns sei vorherzusehen gewesen, „aber trotzdem ist es jetzt nach den konkreten Beschlüssen nochmals ein schwerer Schlag für die hauptbetroffenen Unternehmen und Beschäftigten“, sagte Bareiß dem Handelsblatt.

Trotz aller bestehenden Bedenken liege es aber auch im Interesse der Wirtschaft, „dass wir nicht zu früh öffnen und damit einen Rückschlag riskieren“, sagte Bareiß weiter. Das wäre sicher für alle das Schlechteste. „Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Pandemie nicht zum Brandbeschleuniger für Strukturveränderungen wird“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Dies könne besonders für den mittelständisch geprägten Modeeinzelhandel zur Gefahr werden. „Da müssen wir notfalls noch weiter gegensteuern.“

Bareiß begrüßte zugleich die Verständigung darauf, dass weitere Öffnungen durch die Länder erst erfolgen sollen, wenn eine Inzidenz von höchstens 35 erreicht sei. Mit dem Richtwert gebe es nun ein „klares und nachvollziehbares“ Kriterium, an dem man sich orientieren könne.

„Das schafft Verlässlichkeit und Planbarkeit.“ Gut sei auch, dass jetzt diese Woche die Überbrückungshilfe 3 beantragt werden könne und innerhalb zwei Tage schnell Abschläge ausgezahlt würden. „Damit haben Unternehmen wieder Sicherheit und wir lassen sie nicht im Regen stehen“, betonte Bareiß. „Ohne dieses klare Bekenntnis wäre es noch schwerer geworden.“

Der Ökonom Gabriel Felbermayr bezeichnete die Beschlüsse indes als „enttäuschend“. „Es ist richtig, nicht überstürzt zu öffnen. Aber das Fehlen eines Stufenplanes ist sehr bedauerlich“, sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“.

Es wäre nun an der Zeit gewesen, klar vorzulegen, bei welchen Kennziffern welche weiteren Öffnungen möglich werden, sagte er: „Damit hätte man den schwer betroffenen Unternehmen und der zunehmend frustrierten Bevölkerung Perspektiven geben können.“

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fordert weitere Wirtschaftshilfen in der Coronakrise. „Die Bundesregierung wird in den kommenden Monaten ein weiteres Wirtschaftsprogramm auflegen müssen“, sagt er im ZDF. Das Geld, das der Staat jetzt ausgebe, sei bestens investiert. Davon dürfe er sich auch nicht von einer „unsinnigen Schuldenbremse“ abhalten lassen.

Fratzscher kritisiert zugleich, dass viele der aktuellen Hilfen zu langsam und nicht ausreichend seien. Er nennt hier zum Beispiel Soloselbständige und Minijobber. „Es fallen noch zu viele hinten runter“, betont der DIW-Chef, vor allem die sozial Schwächsten.

Die aktuell geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie werden grundsätzlich bis zum 7. März verlängert. Darauf einigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder am Mittwoch. Damit bleiben etwa Hotels und Kneipen weiter dicht.

Sollte die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz - also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche – bis dahin stabil unter 35 gesunken sein, sollen die Beschränkungen von den Ländern etwa im Einzelhandel schrittweise gelockert werden.

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Lehrer kritisieren uneinheitliche Schulöffnungen

Auch den den Beschlüssen zu Schulen gibt es deutliche Kritik. Die Ministerpräsidenten hatten sich nicht auf ein einheitliches Vorgehen bei der Öffnung geeinigt. Einzelne Länder haben bereits angekündigt, zum 22. Februar wieder in den Präsenz- oder Wechselunterricht einzusteigen.

  • „Den Ländern freie Hand zu geben, ist ein Eigentor“, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen werde dadurch weiter sinken. „Der Bund hat beim Thema Schulen und Kitas vor den Ländern kapituliert“, sagte Tepe. Weder die Kultusministerkonferenz noch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hätten bis heute eine klare Strategie und einen bundesweit einheitlichen, verlässlichen Stufenplan vorgelegt.

  • Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, bemängelte, dass keine einheitliche, an die Inzidenz gekoppelte Regelung vereinbart wurde. Öffnungen mit Präsenzunterricht im Wechselbetrieb dürften erst erfolgen, wenn in der jeweiligen Region die Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 Fällen liege, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Im schlimmsten Fall müssten die Schulen nach einer zu frühen Öffnung im April oder Mai nochmals geschlossen werden. Dies könne dazu führen, dass dieses Schuljahr komplett abgeschrieben werden müsse.

  • Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, verlangte mehr Tests, medizinische Masken für Lehrkräfte und Kita-Personal. „Wir halten es weiterhin für unabdingbar, dass bundesweit bei einem vergleichbaren Infektionsgeschehen vor Ort auch die gleichen Maßnahmen ergriffen werden“, betonte er.

  • Ähnlich äußerte sich die Bundesschülerkonferenz: „Ein einheitliches Vorgehen wäre nicht nur wünschenswert, sondern essenziell gewesen“, sagte Generalsekretär Dario Schramm dem RND.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD), begrüßte die Öffnungsperspektiven für Schulen dagegen ausdrücklich. „Die ersten, die von Lockerungen profitieren, sind Kinder und Jugendliche. Das ist ein gutes Ergebnis“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Donnerstag).

„Die Länder werden jetzt verantwortungsvoll bei den Grundschulen mit schrittweisen Öffnungen beginnen.“ Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sprach von einem ausgewogenen Beschluss, „der unserer Empfehlung aus dem Dreiklang von schrittweiser Öffnung von Kitas und Schulen, mehr Testen und schnellerem Impfen entspricht“.

Auf allgemeine Zustimmung stieß hingegen die Überlegung, Grundschullehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern früher eine Impfmöglichkeit zu bieten. Nach dem Beschluss von Bund und Ländern soll geprüft werden, ob sie durch eine Änderung der Impfverordnung in der Reihenfolge nach vorne rücken können. Laut Merkel könnten sie so schon vor dem Sommer drankommen.

Mehr: Corona-Gipfel: Das ist der aktuelle Beschluss von Bund und Ländern im Wortlaut