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Fluggesellschaften planen nach der Pandemie das Comeback der Ultralangstrecke

Die australische Qantas forciert ein Revival der Direktflüge von bis zu 19 Stunden. Damit sich das rechnet, ist akribische Planung erforderlich.

19 Stunden ohne Zwischenstopp in einem Flugzeug – das klingt schon ohne Pandemie so anstrengend wie ambitioniert. In Zeiten, in denen das Tragen einer Schutzmaske Alltag geworden ist und die Flugbranche unter Reiseeinschränkungen leidet, dürfte der Gedanke erst recht abschrecken. Dennoch ist Alan Joyce, der CEO der australischen Fluggesellschaft Qantas, überzeugt, dass ultralange Direktflüge nach der Pandemie eine Zukunft haben.

Ende des Jahres werde man die Arbeiten an dem wegen Corona gestoppten Projekt „Sunrise“ wieder aufnehmen, erklärte er vor einigen Tagen bei einer Diskussionsveranstaltung der europäischen Flugsicherungsorganisation Eurocontrol. „Wir werden uns das erneut anschauen“, sagte Joyce – gemeint sind Strecken mit einer Flugdauer bis zu 19 Stunden.

Eine erste Verbindung könnte laut Qantas-CEO ab 2024 die Strecke von Sydney nach London sein. Fast 17.000 Kilometer Luftlinie trennen diese Städte. Aber auch Ziele wie Paris (knapp 17.000 Kilometer) oder New York (knapp 16.000 Kilometer) stehen von der australischen Metropole aus auf dem Plan. „Wir haben ein Produkt dafür entwickelt, wir haben ein Flugzeug, und wir haben einen Deal mit den Piloten“, sagte Joyce.

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Dass sich die Qantas mit derlei langen Strecken beschäftigt, ist nicht ganz überraschend. Schließlich ist der geografisch isolierte Kontinent Australien von kaum einem Punkt der Erde eine Kurzstreckendestination. Doch auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr geht davon aus, dass es nach der Pandemie mittelfristig mehr Direktverbindungen ohne Umstiege an Drehkreuzen geben wird. Marathonflüge wie bei Qantas sind für Lufthansa wegen der Lage des Heimatmarktes Deutschland und Europa zwar nicht notwendig; von Frankfurt aus sind es rund 6.200 Kilometer bis nach New York und knapp 640 Kilometer bis London.

Lufthansa bedient dennoch sehr weite Strecken. Die längste geht mit rund 11.500 Kilometern von Frankfurt nach Buenos Aires in Argentinien, Flugdauer 13 Stunden. Spohr ist sich sicher, dass „wir nach der Krise langfristig mehr Verbindungen direkt von Flughafen zu Flughafen sehen werden“, wie er kürzlich bei einer Diskussionsveranstaltung sagte. Die Aussicht, zeitaufwendige Umstiege zu vermeiden, sei für Passagiere attraktiv.

Neue Flugzeug-Generation belebt eine alte Idee

Ab der Jahrtausendwende boten Singapore Airlines, Thai Airways, Air India, Delta und American Airlines Direktverbindungen zwischen Nordamerika und Asien beziehungsweise Asien-Pazifik an. Vor allem für Geschäftsreisende sind sie interessant, denn sie bieten eine Zeitersparnis und minimieren das Risiko, den Anschlussflug zu verpassen.

Qantas bot so eine Verbindung vor der Pandemie von Perth nach London an. Gegenüber einem vergleichbaren Flug über ein Drehkreuz sparten die Reisenden rund drei Stunden. Das Problem: Jets wie die vierstrahlige Airbus A340, die solche Strecken bewältigen konnten, waren sehr durstig. Als die Spritpreise stiegen, mussten viele dieser Verbindungen wieder aufgegeben werden.

Erst als mit zweistrahligen Langstreckenjets wie dem A350 oder der B787 deutlich effizienteres Gerät verfügbar wurde, starteten einige Fluggesellschaften ihr Angebot neu. Singapore Airlines etwa legte im Herbst 2018 seine Verbindung zwischen Singapur und New York neu auf. „Es wird immer mehr Flugzeuge geben, die Ultralang bewältigen können“, sagte Gerald Wissel vom Beratungsunternehmen Airborne Consulting.

Dennoch gibt es Herausforderungen. Die größte ist die lange Flugzeit – eine Belastung für Crews und Passagiere. „Aus meiner Sicht ist das wirkliche Problem das lange Sitzen, insbesondere in der Economy-Klasse, auch wenn dort die Sitze etwas weniger beengt sind“, sagte Berater Wissel.

Um den langen Flug erträglich zu machen, setzt Singapore Airlines nach New York zum Beispiel einen A350-900 ein, der lediglich mit einer Premium-Economy-Klasse sowie einer Business-Klasse ausgestattet ist. Zudem sorgen die Airlines dafür, dass die Luftfeuchtigkeit in der Kabine höher ist als sonst. Spezielle Lichtkonzepte gaukeln dem Körper außerdem verschiedene Tageszeiten vor.

Qantas hat im November 2019 einen Testflug von London nach Sydney durchgeführt. An Bord der Boeing 787 befanden sich rund 50 ausgesuchte Passagiere. Teilweise waren sie mit Gesundheitstrackern ausgestattet und wurden ständig medizinisch überwacht.

Noch vor Sonnenaufgang begann unmittelbar nach dem Start in London ein umfassendes Programm, um die Fluggäste körperlich so schnell es geht auf die Ortszeit in Sydney einzustellen. So gab es statt eines kontinentalen Frühstücks ein Steak.

Und obwohl für die Fluggäste der Tag eigentlich gerade erst begann, wurde die Kabine danach abgedunkelt, alle mussten sich zur Ruhe begeben. Es gab Übungseinheiten, um den Jetlag zu reduzieren und eine Reisethrombose zu vermeiden. Das zeigt, welcher Aufwand betrieben werden muss, um extrem lange Flugzeiten ohne körperliche Schäden zu bewältigen.

Auch wirtschaftlich ist auf der Ultralangstrecke einiges zu beachten. Auf der einen Seite können Airlines damit Geld sparen. So entfallen bei einer direkten Verbindung Gebühren für die Zwischenlandung. Ohne Umweg über einen Hub spart die Fluggesellschaft auch Kerosin.

Kosten für Crews sind höher

Andererseits gibt es Kostenblöcke, die wachsen. „In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit müssen auch die Crew-Kosten berücksichtigt werden, da wesentlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Flug und Flugzeug benötigt werden“, so Experte Wissel. Auch müssten die gesetzlich geforderten Ruhezeiten für die Mannschaft mit in die Rechnung einfließen, zum Beispiel Hotelkosten.

Hinzu kommt: Da das Flugzeug mehr Sprit für den langen Flug tanken muss, ist es auch schwerer, es verbraucht deshalb zu Beginn mehr Kerosin. Hier gilt es für die Airline-Manager, sehr genau zu kalkulieren.

Qantas-Chef Joyce glaubt, dass die Rechnung dennoch aufgehen wird. Für den Airline-Manager geht es auch darum, Märkte direkt zu erschließen, die bisher nur über Drehkreuze wie Singapur oder Dubai erreichbar waren. „Bei der Gründung von Qantas war es das Ziel, das abgelegene Australien mit dem Rest der Welt zu verbinden“, sagte Joyce.

Künftig will er weitere Städte an der Ostküste wie Melbourne und Brisbane mit solch extrem langen Flügen anbinden. Die Flugzeuge dafür, Modell Airbus 350-1000 ULR, will er bald schon bestellen.

Nicht ganz so abgelegen wie Australien liegt Singapur, doch auch dort ist man extrem von Langstreckenverbindungen abhängig. Und wie Qantas definiert sich Singapore Airline (SIA) vor allem als Premiumanbieter. Beide Fluggesellschaften litten enorm unter der Pandemie, weil die Regierungen in Australien und Singapur die Grenzen des Landes weitgehend geschlossen hielten und halten. Teilweise schrumpfte das Angebot von SIA um bis zu 96 Prozent.

Seit einiger Zeit fährt das Management das Angebot wieder hoch. München wurde wieder ins Flugprogramm aufgenommen und die Ziele Frankfurt sowie Zürich wieder täglich angesteuert. Auch die Ultralangstrecke nach New York wird seit vergangenem November wieder täglich bedient.

Zwar ist die Auslastung nach Aussage der Airline mit weniger als zehn Prozent sehr niedrig. Die Angst vor Corona-Mutationen hat dem Flugverkehr weltweit erneut schwer zugesetzt. Doch zusammen mit der stark gebuchten Fracht in den Bäuchen der Jets rechnen sich die Flüge so weit, dass sie durchgeführt werden können, heißt es. Singapore Airlines fliegt in New York daher nicht wie bisher den Flughafen Newark an, sondern JFK – dort ist das Frachtgeschäft stärker.

Auch Air India hat seit Kurzem wieder einen ultralangen Flug im Angebot. Die Fluggesellschaft startete zu Beginn des Jahres die Strecke zwischen San Francisco und Bangalore. Beide Metropolen sind Technologie-Hochburgen mit engem Austausch.

A380 für Jahre in der Wüste geparkt

Ultralange Direktverbindungen wird es aber nur dort geben, wo eine Airline einen ausreichend großen Markt sieht, um die Jets jeden Tag gut zu füllen. Gerade weil die Kabine in den Flugzeugen großzügig gestaltet werden muss, rechnet sich ein solcher Flug mehr als jeder andere nur bei voller Auslastung. „Es wird sicherlich ein paar dezentrale Strecken weltweit geben, wo eine entsprechende Nachfrage für Ultralang vorhanden ist“, glaubt Wissel.

Im Falle der britischen Hauptstadt ist das in den Augen von Qantas-Chef Joyce der Fall: „London war vor Corona unsere lukrativste Strecke.“ Bis es mit dem Projekt „Sunrise“ tatsächlich losgeht, will sich der Airline-Manager auf den Inlandsverkehr konzentrieren. Zwischen den Küstenmetropolen Perth und Sydney etwa liegen auch schon rund 4000 Kilometer.

Joyce hatte der Fluggesellschaft nach Beginn der Pandemie recht schnell einen radikalen Sparkurs verordnet. Der Langstreckenverkehr wurde nahezu komplett eingestellt. Sicher habe es wehgetan, die A380 – einige davon ganz frisch mit neuer Kabine ausgestattet – für mindestens zwei Jahre in die Mojave-Wüste zu fliegen und dort zu parken. Doch es habe keine Alternative gegeben.

Das Schrumpfen zu einer reinen Inlandsfluggesellschaft sei jedenfalls richtig gewesen. „Wir sehen hier eine starke Nachfrage und sind profitabel“, so Joyce. Das schaffe Spielraum für die Pläne zum Neubeginn wie etwa dem Projekt „Sunrise“. „Für uns ist das ein gutes Geschäftsmodell, weil Australien so weit weg ist vom Rest der Welt“, sagte Joyce.