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Nach der Flaute erwarten Experten eine Welle von Unternehmensverkäufen

Die Coronakrise hat das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen zunächst ausgebremst. Im zweiten Halbjahr 2020 wird sich dies laut Experten ändern. Die Käufer stehen bereit.

Der durch die Coronakrise schwer getroffene Luftfahrtkonzern könnte demnächst Unternehmensteile zum Verkauf stellen. Foto: dpa
Der durch die Coronakrise schwer getroffene Luftfahrtkonzern könnte demnächst Unternehmensteile zum Verkauf stellen. Foto: dpa

Abwarten lautete zuletzt die Devise vieler Unternehmen: Der Ausbruch der Corona-Pandemie und der folgende Lockdown des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens haben Firmenstrategen auf der ganzen Welt offenbar dazu gezwungen, ihre Restrukturierungspläne auf Eis zu legen.

Das jedenfalls legen neue Zahlen zu Unternehmensverkäufen im ersten Halbjahr nahe. So blieb deren Volumen in den ersten fünf Monaten des Jahres deutlich unter dem Niveau der Vorjahre.

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Einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft EY zufolge wurden weltweit zwischen Januar und Mai Unternehmensteile im Gesamtwert von 379 Milliarden Dollar veräußert – das entspricht einem Rückgang um 42 Prozent gegenüber demselben Zeitraum 2019. Die Zahl der Transaktionen sank um knapp 20 Prozent auf 2980 Deals. Allerdings, so schränken die Autoren der Untersuchung ein, sei schon vor Corona die Zahl der Abschlüsse rückläufig gewesen. Der Wert der einzelnen Verkaufsfälle habe allerdings deutlich zugenommen.

In Deutschland sind die Zahlen wegen nur eines Deals verzerrt – der Veräußerung der Aufzugssparte von Thyssen-Krupp. Deshalb ist der Wert aller erfassten Transaktionen gegen den Trend gestiegen: von 15,4 Milliarden Dollar in den ersten fünf Monaten des Jahres 2019 auf 25,3 Milliarden Dollar zwischen Januar und Mai 2020. Allein die Veräußerung der Aufzugssparte von Thyssen-Krupp an zwei Finanzinvestoren hatte ein Volumen von 18,8 Milliarden Dollar.

In den beiden größten Märkten USA und China traten die Verkäufer in den ersten fünf Monaten des Jahres laut EY hingegen auf die Bremse, was dem weltweiten Trend entspricht. In den USA – wo seit Jahren der höchste Transaktionswert erzielt wird – betrug der Gesamtwert nur noch 111,3 Milliarden Dollar. Im Vorjahreszeitraum lag er mit 231,6 Milliarden Dollar nach der Studie noch mehr als doppelt so hoch.

Auch der chinesische Markt habe sich merklich abgekühlt: Einem Volumen von 67,8 Milliarden Dollar in den ersten fünf Monaten 2019 standen in diesem Jahr nur 41,9 Milliarden Dollar gegenüber.

Doch dabei wird es nicht bleiben: „Das ist nur die Ruhe vor dem Sturm – denn die Großunternehmen in Deutschland und der Welt werden sich in den kommenden Monaten verstärkt von Bereichen trennen“, sagt Carsten Kniephoff, Partner bei EY. Von Hamburg aus beraten er und sein Team Unternehmen in der Region Europa, Naher und Mittlerer Osten, Indien und Afrika bei der grenzüberschreitenden Veräußerung oder Fusion von Unternehmen oder Unternehmensteilen.

Er ist überzeugt, dass auf die vorübergehende Flaute eine „Welle von Desinvestitionen durch internationale Konzerne“ in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr folgen wird. Viele Prozesse, die wegen der Coronakrise gestoppt wurden, liefen bereits wieder an. „Gut möglich, dass angekündigte Verkäufe von Konzern- oder Vermögensteilen von großen deutschen Corporates über die Bühne gehen“, ergänzt er.

Finanzinvestoren warten auf neue Angebote

Joachim Ringer, Co-Leiter Investmentbanking and Capital Markets Deutschland und Österreich sowie Vorstandsmitglied der Credit Suisse in Deutschland, bestätigt diese Prognose. Auch er erwartet in der zweiten Jahreshälfte und im Jahr 2021 wieder verstärkte Verkaufsaktivitäten: „Der Trend hin zu Konzernabspaltungen ist ungebrochen. Die Investoren honorieren die Konzentration auf das Kerngeschäft.“

Auch die Finanzinvestoren werden bei den Käufen von Konzernteilen wieder eine besondere Rolle spielen. Denn ihre Kassen sind prall gefüllt. Das hat zwei Gründe: Zum einen würden Private-Equity-Fonds tendenziell größer. Zum anderen erhöhe das im ersten Halbjahr nicht investierte Kapital den Anlagedruck noch zusätzlich, erläutert Ringer.

Deshalb suchten Finanzinvestoren intensiv nach Gelegenheiten. „Aber es ist schwer, günstig bewertete Ziele zu identifizieren, gerade unter den börsennotierten Gesellschaften.“ Daher gehöre der Erwerb von Konzernabspaltungen nach wie vor zu den aussichtsreichsten Deals der Beteiligungsmanager, ergänzt der Credit-Suisse-Experte.

Beobachter gehen davon aus, dass beispielsweise der Energiekonzern Eon, die Lufthansa und der Reisekonzern Tui bestimmte Teilbereiche zum Verkauf stellen könnten. Im Langzeitvergleich wurden die meisten Transaktionen bisher in den Bereichen Energie, Technologie, Medien und in der Industrie gezählt.

Notverkäufe nicht zu erwarten

Wichtiger Grund für vermutlich zunehmende Verkaufsaktivitäten sind die zuletzt gewachsenen Kreditbelastungen vieler Firmen. So liege der Netto-Verschuldungsfaktor laut EY-Experte Kniephoff aktuell bei einigen großen Unternehmen bei rund dem Fünffachen des operativen Gewinns (Ebitda). Tendenziell könne sich das in den kommenden Monaten auf das Sechs- bis Siebenfache erhöhen.

In früheren Zeiten habe unter Umständen schon ein Faktor von 3,5 als Sanierungsfall gegolten. Dennoch erwartet Kniephoff nicht, dass die Zahl der Notverkäufe zunehmen wird. Sie werde man wegen der staatlichen Hilfen zunächst nicht sehen, ist er überzeugt. Nach wir vor würden strukturierte Verkaufsprozesse mit ein paar Monaten Vorlauf aufgesetzt, sagt er im Gespräch mit dem Handelsblatt.

In den kommenden Monaten würden die Konzerne nun versuchen, über Verkäufe von Geschäftsbereichen ihre Verschuldung zu senken, beobachtet Kniephoff. „Das können Bereiche außerhalb des Kerngeschäfts sein oder auch Einheiten, die sogar zum Kerngeschäft zählen.“ Auch einzelne „Asset-Light“-Transaktionen werde man sehen, sagt Kniephoff. Darunter versteht man etwa den Verkauf von Flugzeugen, Schiffen oder Fabriken.

Zudem könnten die Erfahrungen aus der Coronazeit dem Trend zum Kauf von Technologiefirmen einen weiteren Schub geben, erwartet Kniephoff. Denn spätestens die Krise habe gezeigt, wie wichtig digitale Lösungen seien, um Prozesse im Unternehmen weiterzuführen, Lieferketten zu steuern und die Kommunikation mit Kunden und Vertragspartnern aufrechtzuerhalten. „Digitales Know-how muss in vielen Unternehmen aber erst mühsam aufgebaut werden – durch Zukäufe können sie sich dieses Wissen schneller aneignen“, glaubt der EY-Manager. Das Interesse an Digitalunternehmen werde daher weiter zunehmen.