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„Fiskalisch teuer und nicht zielgenau“ – Ökonomen und Verbraucherschützer fordern Ende der Mehrwertsteuer-Senkung

Der Handelsverband plädiert wegen Corona für eine dauerhafte Mehrwertsteuersenkung. Ökonomen und Verbraucherschützer halten davon wenig.

Die Mehrwertsteuer war am 1. Juli als Teil der Staatshilfen zur Bewältigung der Coronakrise befristet bis Jahresende von 19 auf 16 Prozent gesenkt worden. Foto: dpa
Die Mehrwertsteuer war am 1. Juli als Teil der Staatshilfen zur Bewältigung der Coronakrise befristet bis Jahresende von 19 auf 16 Prozent gesenkt worden. Foto: dpa

Ökonomen und Verbraucherschützer haben sich dagegen gewandt, angesichts der sich täglich verschärfenden Corona-Lage die Senkung der Mehrwertsteuer über das Jahresende hinaus zu verlängern. „Die Mehrwertsteuersenkung sollte gegen Ende des Jahres auslaufen. Sie ist fiskalisch teuer und nicht zielgenau“, sagte der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem Handelsblatt. „Sie hilft am meisten Branchen mit hohen Umsätzen, also den Krisengewinnern.“

Außerdem sei es nicht nötig, den generellen Konsum staatlich anzuregen. „Die privaten Haushalte haben in der Pandemie viel Geld gespart, sie können und sollen es aber nicht für ‚sozialen‘ Konsum ausgeben, bei dem Ansteckungsgefahr besteht“, sagte Fuest. Und die sonstigen Konsumausgaben seien hoch genug.

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Auch Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller fordert ein Ende der Mehrwertsteuersenkung. „Die vergangenen Monate sind den Beweis schuldig geblieben, dass sich die Mehrwertsteuersenkung so positiv auf die Konjunktur auswirkt wie erhofft. Kosten und Ertrag stehen in keinem Verhältnis“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV).

„Die Bundesregierung sollte daher nach Jahresende wieder zu den regulären Sätzen zurückkehren und wirksamere Vorhaben auf den Weg bringen, um Verbraucherinnen und Verbraucher in der Krise zu entlasten.“ Ein geeignetes Mittel wäre aus Sicht Müllers etwa die Reduzierung der Stromkosten oder ein höherer Kinderbonus.

Die Mehrwertsteuer war am 1. Juli als Teil der Staatshilfen zur Bewältigung der Coronakrise befristet bis Jahresende von 19 auf 16 Prozent gesenkt worden. Die Regierung erhofft sich davon eine Belebung des Konsums. Viele Händler haben versprochen, die Senkung an die Kunden weiterzugeben. Die Mehrwertsteuersenkung ist mit einem Volumen von etwa 20 Milliarden Euro veranschlagt.

Der Handelsverband HDE hält es für wenig sinnvoll, schon zum Jahresende zu den alten Steuersätzen zurückzukehren. Derzeit würden viele Kunden die Innenstädte und den Einkaufsbummel meiden, um Kontakte zu reduzieren. Deshalb brauche der Konsum weiterhin eine Stütze, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE, der Zeitung „Die Welt“. „Die gesenkten Sätze sollten so lange beibehalten werden, bis die Pandemie zuverlässig überwunden ist.“

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält davon nichts. Zum einen, weil die reduzierte Steuer sehr teuer sei, zum anderen, „weil die Logik war, durch eine temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer zu einem vorgezogenen Konsum beizutragen. Dies würde bei einer Verstetigung der Mehrwertsteuersenkung nicht mehr funktionieren“, sagte Fratzscher der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Der DIW-Präsident plädierte aber dafür, kleine und mittlere Unternehmen sowie Soloselbstständige gezielter zu unterstützen, „sowohl durch einen stärkeren Verlustrücktrag bei den Steuern als auch bei Überbrückungshilfen“.

Weihnachtsgeldzahlungen vorziehen?

Auch Ifo-Präsident Fuest warb dafür, stärker die steuerliche Verlustverrechnung als Rettungsinstrument für Unternehmen zu nutzen. Dies sei eine zielgenaue und kostengünstige Finanzspritze, schrieb Fuest diese Woche in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt: „Es ist höchste Zeit, die Obergrenze bei der Verlustverrechnung deutlich anzuheben.“

Durch eine schon bestehende vereinfachte Verlustverrechnung erhalten Unternehmen in der Coronakrise zusätzlich Liquidität. Mit Verlusten eines Jahres kann die Steuerlast gesenkt werden, da sie mit positiven Einkünften etwa des Vorjahres verrechnet werden können.

Für diesen sogenannten Verlustrücktrag wurden die Höchstbetragsgrenzen zuletzt erhöht. Mit einer vorgezogenen Verrechnung prognostizierter Verluste etwa aus dem Jahr 2020 mit Gewinnen aus dem Jahr 2019 würde die Erstattung also früher erfolgen.

In der Politik wurde zuletzt auch diskutiert, Weihnachtsgeldzahlungen vorzuziehen und damit den Einzelhandel zu stärken. Der Handelsverband reagierte darauf zurückhaltend. Und auch Verbraucherschützer Müller sieht eine solche Maßnahme skeptisch.

Er bezweifle, „dass der stationäre Handel von einer solchen Maßnahme stärker profitiert als der Onlinehandel, der schon jetzt mit ausgedehnten Rückgabefristen um vorgezogene Weihnachtseinkäufe buhlt“, sagte der VZBV-Chef. Gleichwohl freue er sich für jeden Verbraucher, der durch ein vorgezogenes Weihnachtsgeld schon früher mehr Geld in der Tasche habe. Die Entscheidung darüber liege aber bei den Tarifpartnern.