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Firmenanteile für Mitarbeiter: Die Bundesregierung will Anreize für Start-ups schaffen

Gründer buhlen mit Firmenanteilen um Top-Talente, aber die deutschen Steuerregeln nehmen einen Großteil des Anreizes. Union und SPD wollen das ändern. Nun zeichnet sich eine Einigung ab.

Firmengründer klagen regelmäßig über die Rahmenbedingungen für Start-ups in Deutschland. Die Bundesregierung will nach Informationen des Handelsblatts aus Koalitionskreisen nun an zwei zentralen Punkten nachbessern: dem Zugang zu Wagniskapital und der Attraktivität junger Firmen für hochqualifizierte Fachkräfte. Konkret geht es darum, Beteiligungen von Mitarbeitern an Start-ups steuerlich attraktiver zu gestalten.

Anteile an Unternehmen sind ein wichtiges Argument, um etwa hochqualifizierte Programmierer oder Marketingexperten für die Arbeit in Start-ups zu gewinnen – schließlich könnte die Beteiligung später sehr wertvoll werden, wenn das Geschäftsmodell funktioniert.

Zugleich können die Gründer gerade am Anfang oftmals nicht so hohe Gehälter zahlen. Doch die derzeitige Besteuerungspraxis in Deutschland mache das Modell viel unattraktiver als in anderen Ländern, klagt etwa der Bundesverband Deutsche Startups mit breiter Unterstützung aus dem Sektor.

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Union und SPD hatten bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das Thema anzugehen. Zuletzt ist Dynamik in die Verhandlungen zwischen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gekommen, beide Häuser hätten sich in wichtigen Punkten bereits weitgehend angenähert, heißt es in der Großen Koalition.

Offiziell wird eine Einigung nicht bestätigt. Die Gespräche liefen laut Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) noch. Es sei das Ziel, „zeitnah ein gemeinsames Modell zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung bei Start-up-Unternehmen zu erarbeiten“, heißt es im Bundesfinanzministerium (BMF). „Dabei sind wir auf der Zielgeraden“, so eine Sprecherin. Dem Ergebnis der Verhandlungen wolle man nicht vorweggreifen.

Echte Beteiligungen sind bislang selten

„Wir sind ein super attraktives Land für Top-Talente, bis auf diesen entscheidenden Punkt“, hatte Johannes Reck, Gründer des Reise-Start-ups GetyourGuide unlängst im Handelsblatt erklärt. Eine Verbesserung bei den Beteiligungen wäre für seine Firma „wichtiger als 100 Millionen Finanzierung.“ Prinzipiell gibt es in Deutschland drei Varianten der Beteiligung.

Die Diskussion kreist aber vor allem um Anteilsoptionen, die sogenannten „ESOPs“ (Employee Stock Option Plans). Echte Beteiligungen sind bisher laut Start-up-Verband kaum verbreitet, weil Angestellte damit zu Gesellschaftern der Firma würden und an jeder wichtigen Entscheidung wie etwa Finanzierungsrunden beteiligt werden müssten. Das sei bei dieser Unternehmensform kaum praktikabel.

Mit den Anteilsoptionen erhalten Mitarbeiter den Anspruch, in der Zukunft „echte“ Anteile an der Firma zu erhalten. Dazu wird häufig bereits ein Preis festgelegt, der sich am Marktwert beim Eintritt in die Firma orientiert. Das Problem: Werden die Optionen tatsächlich umgewandelt, bezieht der Mitarbeiter aus Steuersicht einen geldwerten Vorteil, den er sofort als Einkommen versteuern muss – obwohl noch kein Geld geflossen ist.

Um den Betrag zu zahlen, müssten viele ihre Anteile teilweise verkaufen, argumentiert die Start-up-Lobby und fordert eine Besteuerung erst im Moment der Liquidierung von Anteilen und mittels Kapitalertragsteuer. Der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, ist zuversichtlich: „Ich gehe davon aus, dass wir das in dieser Wahlperiode noch hinbekommen.“ Ähnliche Signale kommen aus der Union.

Demnach sind sich BMWI und BMF weitgehend einig, dass Steuern erst anfallen sollen, wenn ein Mitarbeiter seine Anteile verkauft und die Gewinne somit realisiert. Auf den Wertzuwachs soll dann, wie bei normalen Aktiengeschäften, die Abgeltungsteuer von 25 Prozent fällig werden. Allerdings nicht gleich auf den gesamten Ertrag – wer verkauft, soll die Sondereinnahmen steuerlich über fünf Jahre hinweg verteilen können.

Den Informationen zufolge gibt es auch noch ungeklärte Fragen. So müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit die Neuregelung nicht zu einem Steuersparmodell für Gründer werde, die ihr Geld vor dem Verkauf der Firma oder dem Börsengang ins Ausland schafften, heißt es. Geklärt werden muss auch noch, ob die nachträgliche Behandlung nur für echte Anteile oder auch für die begehrten Anteilsoptionen gelten soll.


Der neue Präsident des Start-up-Verbands, Christian Miele, hatte das Thema Mitarbeiterbeteiligung ganz oben auf seine Agenda gesetzt. Er zeigt sich nun zuversichtlich: „Wir gehen davon aus, dass kurzfristig Bewegung in den Prozess kommt, eine finale Lösung erwarten wir im kommenden Jahr.“ Verschiedene Parteien hätten inzwischen die Notwendigkeit für wettbewerbsfähige Programme verstanden.

Ebenfalls Bewegung gibt es laut Koalitionskreisen bei der Besteuerung von Wagniskapitalgebern. Bislang müssen deutsche VC-Fonds 19 (derzeit 16) Prozent Umsatzsteuer auf die Gebühren abführen, die sie sich für das Management der Fonds auszahlen.

Dies sei ein wesentlicher Grund dafür, dass nur wenige Venture-Capital-Fonds ihren Sitz in Deutschland hätten, klagen Investoren – für viele sei das bereits ein Grund gewesen, ihren Sitz in Länder mit steuergünstigeren Regelungen zu verlagern. Andere geben die Umsatzsteuer in Form von Gebühren an ihre eigenen Investoren ab, was wiederum die Beteiligung an den deutschen Fonds weniger attraktiv macht.

Auch im BMF reift laut Koalitionskreisen die Einsicht, dass die deutsche Umsatzsteuerpflicht für diese Management Fees kontraproduktiv sei. Schließlich besteuerten nur zwei weitere EU-Staaten die Managementgebühren, so Zimmermann, die Fonds siedelten sich lieber in Nachbarländern wie Luxemburg an. Auf die Besteuerung zu verzichten, bedeute daher nur überschaubare Einnahmeverluste für den Fiskus.

Sowohl Scholz als auch Altmaier zeigten großes Interesse an einer Einigung bei den beiden Themen, heißt es. Sie wollten mit besseren Rahmenbedingungen der Gründerszene entgegenkommen. Beide Ministerien verhandeln derzeit auch über einen zehn Milliarden Euro großen „Zukunftsfonds“, der private Investoren wie Versicherungen dazu motivieren soll, den heimischen Start-ups mehr Wagniskapital zur Verfügung zu stellen. Altmaier zeigte sich zuversichtlich, spätestens Anfang 2021 den Fonds vorstellen zu können.

Vor allem bei der Union haben die Forderungen der Start-ups offenbar verfangen. Der Bundesfachausschuss Wirtschaft, Arbeitsplätze und Steuern der CDU treibt das Thema parteiintern voran. „Wir sprechen uns dafür aus, dass Beteiligungen an Start-ups nicht zum Zeitpunkt der Überlassung, sondern erst dann besteuert werden, wenn aus den Beteiligungen Gewinne erzielt oder die Anteile veräußert werden“, heißt es in einer Beschlussvorlage für die Tagung des Ausschusses am 8. Oktober, die dem Handelsblatt vorliegt.

Buhlen um die Digitalbranche

Die Vorschläge sind Teil der Diskussionen über die inhaltliche Aufstellung der Partei vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr. Mitglieder des Ausschusses hoffen, dass die Punkte am Ende ins Wahlprogramm einfließen und nach der nächsten Regierungsbildung umgesetzt werden. Eine Umfrage unter deutschen Gründern hat kürzlich gezeigt, dass die Union ihre Beliebtheitswerte in der jungen Digitalbranche deutlich verbessern konnte.

Demnach würden etwa 28 Prozent der Befragten CDU oder CSU wählen, das zweitstärkste Ergebnis hinter den Grünen, die auf knapp 38 Prozent kommen. Aktuell seien Kapitalbeteiligungen für viele Start-up-Mitarbeiter unattraktiv, weil sie darauf sofort Einkommensteuer und gegebenenfalls Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssten, heißt es in dem CDU-Papier. „Da die Mitarbeiter oft über ein geringes Einkommen beziehungsweise geringe Liquidität verfügen, bedeutet das eine übermäßige Steuerbelastung.“

Start-ups seien auf gute Fachkräfte angewiesen, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kürzlich nach einem Treffen mit Christian Miele, dem Präsidenten des deutschen Start-up-Verbands. „Deshalb wollen wir ihnen helfen, ihre Mitarbeiter an sich zu binden, etwa durch eine leichtere Kapitalbeteiligung.“ Auch bei allen anderen Firmen müssten die Regeln für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen verbessert werden, fordert der CDU-Finanzexperte Sepp Müller.

Wenn Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Anteile am eigenen Unternehmen erhalten, müssen diese grundsätzlich versteuert werden. Bis zu einem Wert von 360 Euro pro Jahr sind sie allerdings steuer- und sozialabgabenfrei.

Ende 2019 hatte sich der Koalitionsausschuss darauf verständigt, den Freibetrag auf 720 Euro anzuheben. Vielen Unionspolitikern ist das aber nicht genug. In der Beschlussvorlage für den Fachausschuss Wirtschaft, Arbeitsplätze und Steuern wird eine schrittweise Erhöhung auf 3500 Euro pro Jahr angeregt. „Damit würden wir an andere europäische Länder anschließen und auch eine Grundlage zur Förderung der Start-ups ermöglichen“, heißt es. Für jedes Kind solle eine Familie einen zusätzlichen Freibetrag von 500 Euro pro Jahr erhalten.