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Finanzexperte ohne technische Expertise – Beobachter zweifeln an Boeings Wahl

Boeing legt sein Schicksal in die Hände des bisherigen Chairman und Private-Equity-Managers David Calhoun. Die Entscheidung für den Finanzexperten ist umstritten.

Der neue Boeing-Chef sorgt für Unsicherheit, noch bevor er offiziell seinen Posten eingenommen hat. Der seit zwei Monaten amtierende Chairman, der 62-jährige David Calhoun, soll das Unternehmen ab dem 13. Januar als CEO führen. Doch Beobachter zweifeln daran, ob der Finanzexperte ohne technische Expertise die richtige Wahl ist.

Calhoun ersetzt den seit vier Jahren amtierenden Boeing-CEO Dennis Muilenburg. Der hatte nach den Abstürzen von zwei 737-Max-Maschinen mit fast 350 Toten auch noch ein Kommunikationsdesaster hingelegt. Die Herstellung der Flugzeugreihe hat Boeing mittlerweile eingestellt.

Vor dem neuen Vorstandsvorsitzenden steht nun eine gewaltige Aufgabe: Der besonnen daherkommende Manager muss nach den Abstürzen und einem noch immer andauernden globalen Flugstopp für die 737 Max das Vertrauen in Boeing wiederaufbauen.

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„Ein Wechsel an der Führungsspitze war nötig, um das Vertrauen in das Unternehmen wieder aufzubauen, in einer Zeit, in der es daran arbeitet, die Beziehungen zu Aufsichtsbehörden, Kunden und allen anderen Stakeholdern zu reparieren“, teilte der Aufsichtsrat von Boeing mit.

Beobachter sind von der Wahl des neuen CEOs allerdings überrascht, denn Calhoun ist kein neues Gesicht, sondern sitzt seit zehn Jahren im Aufsichtsrat des Konzerns. Das bedeutet, er hatte die Aufsicht, als das Unglücksmodell entwickelt und auf den Markt gebracht wurde.

„Die Wurzeln der aktuellen Krise von Boeing liegen auch in Entscheidungen des Aufsichtsrats. Ist Calhoun, ein Insider, die richtige Person, um Boeing aus seinem Tief zu ziehen?“, fragt etwa Scott Hamilton vom Fachinformationsdienst Leeham.

Calhoun steht für Kostensenkungen im Konzern

Calhoun stehe hinter dem Fokus von Boeing auf Kostensenkungen, die nach Ansicht von Kritikern zu den Sicherheitsmängeln bei den 737 Max geführt hätten, gibt Hamilton zu bedenken. „Er war Teil der Entscheidungen des Aufsichtsrats, Shareholder-Value zur Priorität zu machen“, ist Hamilton überzeugt.

Tatsächlich war Muilenburg bis zu den Abstürzen der Liebling der Investoren gewesen, weil er die Kosten gesenkt und die Gewinne maximiert hat. Unter seiner Führung hat sich die Netto-Gewinnmarge auf mehr als zehn Prozent verdoppelt. Das Geld gab Muilenburg für kurssteigernde Aktienrückkäufe aus und zahlte satte Dividenden. Alles mit dem Segen des Aufsichtsrats. Dass dabei offensichtlich die Sicherheit der Flugzeuge auf der Strecke blieb, störte keinen.

Kritisch sieht auch der Analyst Ron Epstein von der Bank of America die Wahl: „Er ist kein neues Blut“, stellt er fest er und fügt hinzu: „Er scheint ein fähiger Manager zu sein, aber er war an Bord, als all diese Entscheidungen gefällt wurden.“ Noch vor einem Monat stellte sich Calhoun hinter Muilenburg und lobte „Dennis“ als fähigen Manager, der die richtigen Entscheidungen treffe.

Hinzu kommt, dass Calhoun keine tiefe Luftfahrt-Expertise vorweisen kann. Die ersten 26 Jahre seiner Karriere verbrachte der studierte BWLer mit Schwerpunkt Accounting bei General Electric (GE). Damit wuchs er beruflich in einer Unternehmenskultur auf, die ebenfalls stark auf Kostensenken und Shareholder-Value setzte, gibt Hamilton von Leeham zu bedenken.

Bei GE verbrachte Calhoun nur eine kurze Zeit in der Flugzeug-Turbinen-Sparte und in der Transportsparte. Weitere seiner Themen waren auch Rückversicherungen, Beleuchtung und Plastik. Finanzen und Marketing stehen ebenfalls in seinem GE-Lebenslauf. Zuletzt führte Calhoun dort die Infrastruktur-Sparte. Airline-Expertise sieht anders aus.

Calhoun brachte Nielsen an die Börse

Ab 2006 leitete der Manager den Daten-Informationsdienst Nielsen, den unter anderem der Finanzinvestor Blackstone übernommen hatte. Dort brachte er das Unternehmen unter anderem an die Börse. Zuletzt verantwortete Calhoun das globale Private-Equity-Portfolio beim Finanzinvestor Blackstone.

Viele Beobachter fragen sich, ob ein Spezialist für Finanzen und Kostensenkungen das ist, was Boeing jetzt braucht. Der Analyst Richard Aboulafia von der Teal Group dagegen hält ihm zugute, dass er Erfahrung im Krisenmanagement hat und eben kein Ingenieur und Spezialist ist. Auch im Ingenieurwesen käme es auf menschliches Handeln an, meint Aboulafia. Calhoun sei „besser darin, mit der Außenwelt umzugehen“.

Vielleicht sei Calhoun das, was Boeing in dieser Lage jetzt brauche, auch wenn er nicht der CEO für die langfristige Vision sei. „Langfristig ist er nicht die Antwort”, ist auch Aboulafia der Meinung.