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Finanzen nicht unter Kontrolle? Münchener Flugtaxi-Startup Lilium gesteht Schwachstellen ein

Schwachstellen in der Finanzkontrolle und Verzögerungen beim Jahresabschluss: Das Münchener Startup kämpft derzeit an mehreren Fronten. - Copyright: Lilium
Schwachstellen in der Finanzkontrolle und Verzögerungen beim Jahresabschluss: Das Münchener Startup kämpft derzeit an mehreren Fronten. - Copyright: Lilium

Der Elektro-Flugtaxihersteller Lilium meldet mit seinem neuen Chef zwar Fortschritte bei den Flugversuchen. Doch die Zahlen in den Finanzberichten seien mit Vorsicht zu bewerten. Das Startup räumt in einem Dokument an die US-Börsenaufsicht jetzt „wesentliche Schwachstellen in der internen Kontrolle der Finanzberichterstattung“ ein.

Die Gesellschaft arbeite an der Behebung. Ein Lilium-Sprecher spielte die Warnung herunter. Es handele sich um einen „üblichen Hinweis“, nachdem Lilium für seinen Börsengang im vergangenen Herbst ein börsennotiertes Finanzvehikel (SPAC) nutzte. Daher müssten die Zahlen nunmehr besonders intensiv durchleuchtet werden.

Bilanzüberprüfungen werden auf die lange Bank geschoben

Lilium teilte zudem mit, dass bei der Hauptversammlung Ende Oktober mit der Berufung des neuen Chefs und Ex-Airbus-Managers Klaus Roewe für zunächst sechs Jahre die Bilanz 2021 noch nicht abgesegnet werden kann. Dafür werde es ein eigenes Aktionärstreffen geben. Diese Verschiebung führt Lilium vor allem auf pandemiebedingte Kapazitätseinschränkungen bei den Wirtschaftsprüfern in den Niederlanden zurück. Dort hat Lilium seinen juristischen Sitz, obwohl die Produktion bei München erfolgt und das Unternehmen an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert ist.

Das Geständnis über Schwachstellen der internen Finanzkontrolle sowie Verzögerungen beim Jahresabschluss beschäftigt Lilium in einer Phase, wo das Startup keine Unsicherheiten brauchen kann. Investoren sollen neues Geld einzahlen. Dazu wollen sie sicher technische Erfolge sehen, brauchen aber auch abgesegnete Bilanzen. Bislang gibt es bei Lilium nur Kosten und Ankündigungen, aber praktisch keine Einnahmen. Immerhin liegen für 483 Elektro-Senkrechtstarter Kaufabsichtserklärungen vor, die ab kommendem Jahr schrittweise in Festaufträge samt Anzahlungen umgewandelt werden sollen.

841 Millionen Euro: Lilium hat seit seiner Gründung überwiegend Verluste gemacht

Derzeit präsentiert Lilium noch die für ein Startup typische Verlustbilanz – in gewaltigen Dimensionen. So steht in der Halbjahresbilanz 2022 kein Umsatz, aber 123,7 Millionen Euro Verlust. Insgesamt sind seit Unternehmensgründung 841 Millionen Euro Verlust aufgelaufen. Noch auf Jahre werden rote Zahlen erwartet. Zur Jahresmitte waren noch knapp 230 Millionen Euro Cash in der Kasse. Das reicht noch für grob ein Jahr. Im Risikobericht betont Lilium erneut, dass der Fortbestand ohne frisches Geld gefährdet ist.

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Lilium hat schon länger Kenntnis von der internen Kontrollschwäche der Zahlen. Vor dem US-Börsengang wurde zudem die Bilanz für 2019 korrigiert. In einem Dokument vom Juni an die US-Börsenaufsicht finden sich Angaben zu den Unzulänglichkeiten der Finanzkontrolle. Letztlich könnte dies dazu führen, dass „wesentliche Fehlaussagen“ in Jahres- oder Zwischenabschlüssen nicht erkannt oder verhindert werden, heißt es. Verwiesen wird aber auch auf die vielen Vorschriften und Regelungen, die ein an US-Börsen notiertes Unternehmen erfüllen muss. Wirtschaftsprüfer von Lilium ist PricewaterhouseCoopers.

Der Markt der Elektro-Flugtaxis ist schwierig

Ohne das Thema der Zahlenkontrolle anzusprechen, präsentierte sich der neue Lilium-Chef Roewe soeben erstmals vor Analysten. Er äußerte sich dabei sehr zuversichtlich zu den Aussichten. Roewe ist der Ansicht, dass Lilium in technischer Hinsicht im Markt der Elektro-Flugtaxis das beste Konzept hat und erfolgreich sein wird.

Doch der Markt mit vielen Wettbewerbern ist schwierig, und es hat bereits ein Ausleseprozess eingesetzt. So hat Google-Mitgründer und Ex-Chef Larry Page kürzlich die Einstellung seines Flugtaxi-Projekts Kitty Hawk verkündete. Bei Lilium ist der Börsenkurs binnen eines Jahres von zehn auf rund zwei Dollar eingebrochen.

Aber die rund 800 Lilium-Beschäftigten arbeiten intensiv, damit der für 2025 anvisierte Markteintritt gelingt und dafür die Zulassung des Modells durch die Flugsicherheitsbehörde EASA vorliegt. Soeben wurde ein weiterer technischer Meilenstein erreicht.

Es gelang, auch an den Vorderflügeln des Elektro-Senkrechtstarters die Triebwerke im Flug zu schwenken und dann bei hoher Geschwindigkeit mit den Tragflächen Auftrieb zu erzeugen. Der neue Lilium-Chef und Airbus A320-Branchenveteran Roewe hat nach eigenen Angaben noch keine bösen Überraschungen bei dem Startup entdeckt.

Vermögende sollen zuerst mitfliegen können

Bei der Vermarktung gibt es allerdings Änderungen. Zuerst sollen nun vor allem vermögende Kunden aus dem Premiumsegment angesprochen werden. Erst danach soll die Version für sechs Passagiere plus Pilot ausgeliefert werden.

Der bisherige Lilium-Chef und Mitgründer, der 37-jährige Daniel Wiegand, ist künftig im Vorstand für Innovationen zuständig. Roewe erklärte, dass er sich binnen zehn Jahren eine Modellfamilie vorstellen könne und Lilium zum Vorreiter bei senkrecht startenden Elektromodellen werde.

Dieser Text erschien zuerst bei Welt.de