Werbung
Deutsche Märkte schließen in 1 Stunde 59 Minute
  • DAX

    18.495,68
    +18,59 (+0,10%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.090,14
    +8,40 (+0,17%)
     
  • Dow Jones 30

    39.739,90
    -20,18 (-0,05%)
     
  • Gold

    2.226,10
    +13,40 (+0,61%)
     
  • EUR/USD

    1,0808
    -0,0021 (-0,19%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.750,10
    +1.301,68 (+2,02%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    82,32
    +0,97 (+1,19%)
     
  • MDAX

    27.032,72
    -59,23 (-0,22%)
     
  • TecDAX

    3.456,63
    -0,73 (-0,02%)
     
  • SDAX

    14.309,89
    -100,24 (-0,70%)
     
  • Nikkei 225

    40.168,07
    -594,66 (-1,46%)
     
  • FTSE 100

    7.963,07
    +31,09 (+0,39%)
     
  • CAC 40

    8.218,38
    +13,57 (+0,17%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.394,58
    -4,94 (-0,03%)
     

Ferienhausvermittler Fewo verzögert Zahlungen an Vermieter und Kunden

Die Expedia-Tochter leitet Mieten und Kautionen seit Wochen nicht mehr pünktlich weiter. Immer mehr Urlauber und Hausbesitzer müssen um Rückzahlungen und ihre Einnahmen kämpfen.

Die Freude über das Lockdown-Ende auf Rügen währte für Hans-Christian Schultze nur kurz. Und das, obwohl sich seine Kapitalanlage, ein reetgedecktes Luxus-Landhaus bei Binz, als Feriendomizil unter betuchten Inselgästen seit zwei Monaten als heiß begehrt erweist.

Doch der Finanzberater aus Velbert bei Düsseldorf bangt seit Tagen immer wieder um einen Teil seiner erhofften Einnahmen. Der Grund: Der Ferienhaus-Vermittler Fewo-direkt, über den er sein „Landhaus Wildröschen“ vermietet, tut sich schwer damit, die teils Monate im Voraus von Urlaubsgästen gezahlten Gelder an ihn weiterzuleiteten. Zuletzt reagierte die Tochterfirma des US-Konzerns Expedia erst, als Schultze mit Vollstreckung drohte – einen Tag nach Ablauf der gesetzten Frist.

„Ich habe zur Schadenbegrenzung alle Gäste aufgefordert, eine Rückbuchung der Kreditkartenzahlung zu beantragen“, berichtet der Rheinländer. Denn auch auf die Erstattung ihrer Kautionen, die Fewo ebenfalls einbehält, warten abgereiste Gäste zum Teil seit Wochen.

WERBUNG

Schultze ist nur einer von vielen. Statt die Miete einen Tag nach Ankunft der Gäste auf dem Konto zu sehen, wie es Fewo in seinem Zahlungsplan verspricht, warten derzeit manche selbst nach Abreise der Urlauber weiter auf ihr Geld.

„Das Ferienhaus ist seit Juni bis Ende August über Fewo-direkt an Feriengäste vermietet“, schrieb Vermieter Johann-Matthias Schulenburg vergangenes Wochenende im Internet. „Es wurden von den bisherigen und zukünftigen Mietern bislang an Fewo-direkt über 13.000 Euro an Miete überwiesen. Allerdings hat Fewo-direkt bislang keinen Cent an uns überwiesen“, beschwerte er sich. Dabei sei mittlerweile der vierte Mieter im Ferienhaus.

Einer Hausbesitzerin teilte Fewo-direkt nach Anreise der Gäste am 8. Juli mit, das Geld komme am 21. des Monats – und damit zwölf Tage später als zugesichert. In einem weiteren Schreiben legte Fewo nach: Nun sei die Zahlung für den 28. Juli vorgesehen, werde dann aber wohl erst „innerhalb von 5–7 Werktagen Ihrem Konto gutgeschrieben“.

Eine Anbieterin von neun Wohneinheiten in den Niederlanden berichtet, sie habe seit Mitte Juli für keines ihrer Objekte mehr Zahlungen erhalten. Die Ausfälle seien enorm. Trotz des Ärgers will sie ihren Namen nicht veröffentlicht wissen. Fewo könnte ihre Unterkünfte, bangt sie, beim Internetauftritt nach hinten setzen.

Zwei Millionen Unterkünfte in 190 Ländern

So mächtig ist Fewo inzwischen im deutschen Ferienhausmarkt geworden, dass es sich nicht einmal mehr Großkunden mit dem Vermittler verscherzen wollen. Selbst gegen Rivalen wie Airbnb, Booking.com oder Novasol behauptet sich die Expedia-Tochter tapfer. Zwei Millionen Unterkünfte in 190 Ländern habe man im Angebot, heißt es in Frankfurt.

Der Marktanteil in dem verschachtelten Gewerbe dürfte beachtlich sein. Aus Provisionszahlungen errechnete sich schon für 2017 ein vermitteltes Mietvolumen von einer viertel Milliarde Euro – womit man, bevor das Unternehmen vor drei Jahren zum internen Dienstleister des Mutterkonzerns wurde, rund 2,5 Millionen Euro verdiente.

Hinzu kommt, dass die Zahl der Buchungen in den vergangenen Jahren branchenweit sprunghaft wuchs. Weil Terroranschläge in belebten Hotelanlagen und Touristenorten Urlauber erschreckten, ging die deutsche Ferienhaus-Nachfrage 2018 um 13 Prozent nach oben, der Vermietungsumsatz sogar um 20 Prozent. 2019 setzte sich das Tempo fort. Mit 48,1 Millionen Übernachtungen erreichte das Geschäft mit Deutschlands Ferienwohnungen vergangenes Jahr einen Allzeitrekord. Fast jeder vierte Deutsche entschied sich im Urlaub für eine solche Unterkunft.

Doch das boomende Geschäft mit der Ferienhausvermittlung weckte in den vergangenen Jahren gleichzeitig Begehrlichkeiten – zum Nachteil von Mietern und Vermietern. 2012 griff der US-Wettbewerber Homeaway nach Fewo-direkt, um seinerseits 2015 für 3,9 Milliarden Dollar vom US-Giganten Expedia geschluckt zu werden.

Unter Expedias Regie wandelte sich Fewo-direkt, 1997 als Inseratenseite im Internet gegründet, in eine regelrechte Maschine zur Liquiditätsbeschaffung. Zwar können Hausbesitzer noch heute ein Jahresinserat für 299 Euro schalten, seit 2017 aber ist das eigentliche Geschäftsmodell ein völlig anderes.

Schon bei der Buchung müssen Urlauber seitdem mindestens 25 Prozent der Mietsumme anzahlen – nicht an den Vermieter, sondern an Fewo-direkt. Spätestens 30 Tage vor Reiseantritt hat der Mieter die Restsumme samt Kaution zu begleichen.

Die Summe, von der rund zehn Prozent als Vermittlungsgebühr an das Ferienhausportal fließen, wandert nicht auf ein Treuhandkonto. Sie gelangt stattdessen auf dem Umweg über die Homeaway UK Ltd. in London nach Austin/Texas, dem Hauptsitz der Expedia-Tochter. So jedenfalls ist es dem Verwendungszweck auf einem Überweisungsträger zu entnehmen, der dem Handelsblatt vorliegt.

Fewo verweist auf einen technischen Fehler

Im Konzern sorgen die Anzahlungen nicht nur für reichlich Cash, die Amerikaner profitieren noch ein zweites Mal: Für den Geldtransfer zum eigenen Headquarter erlaubt sich die Expedia-Tochter, den zahlenden Kunden zusätzlich drei Prozent Transaktionsgebühr in Rechnung zu stellen. Selbst die Rücküberweisung der Kaution, falls sie dann angewiesen wird, mindert Fewo-direkt seit Neuestem um diesen Betrag.

Vielfach aber müssen sich Urlaubsgäste ihre Kaution, die früher rund eine Woche nach Abreise auf ihr Konto zurückfloss, inzwischen buchstäblich erstreiten. „Einer unserer vormaligen Gäste wartet nun schon seit drei Wochen auf die Rückzahlung von 500 Euro“, berichtet Reethaus-Vermieter Schultze. Der Mieter sei bei Fewo mit dem Verweis auf technische Defekte abgewimmelt worden. „Eine Weiterleitung an die Buchhaltung oder Geschäftsleitung gibt es nicht“, erzählt er.

Die Erklärung des Frankfurter Expedia-Ablegers ist in dieser Angelegenheit stets dieselbe: Die Zahlungsverzögerungen kämen zustande „aufgrund eines technischen Fehlers“, erklärte eine Sprecherin auch gegenüber dem Handelsblatt, durch den es „zurzeit bei bestimmten Auszahlungen an Fewo-direkt-Vermieter zu einer Verzögerung von sieben bis zehn Werktagen kommen“ könne.

Die Frage, wozu die Kundengelder in die USA überwiesen werden und ob es im Konzern Liquiditätsprobleme gibt, beantwortete sie nicht. Stattdessen versicherte sie: „Unsere IT-Experten arbeiten bereits an der Behebung, um zukünftige Auszahlungen wie gewohnt einen Werktag nach Anreise des Gastes zu gewähren.“

Manche Betroffene halten das für eine Ausrede. „Wer nach einer Woche noch immer nicht seine sog. ‚Technikprobleme‘ in den Griff bekommt“, schrieb am Dienstag ein betroffener Vermieter auf dem Verbraucherportal Trustpilot, „hat wohl doch eher ganz andere Probleme.“

In den USA, Großbritannien und Polen, wo die Fewo-Schwesterfirmen Homeaway und Vrbo die Vermittlung übernehmen, gibt es diese „technischen Defekte“ offenbar schon seit Beginn der Coronakrise. Das jedenfalls legen Beschwerden unzähliger Mieter auf dem Reiseportal Tripadvisor nahe. Eine Urlauberin berichtet dort, wie sie seit fünf Monaten auf eine Kaution wartet, die sie für eine stornierte Unterkunft im kalifornischen Palm Springs hinterlegen musste.

Dem wegen Corona von einem Vermieter in New Hampshire gekündigten Urlauber, der seit Juni um seine Kaution kämpft, schickte Vrbo unverlangt eine Buchungsbestätigung für September, wie dieser berichtet. Anschließend habe ihm eine Mitarbeiterin einzureden versucht, dass der Vermieter die Kaution festhalte.

Expedia will Betriebskosten drücken

Nachprüfbar sind all diese Fälle kaum, von denen das Tripadvisor-Diskussionsforum „Do not book through Homeaway or Vrbo“ seit Wochen überquillt. Allerdings verwundert, dass die Expedia-Ferienhausvermittler dort zu keiner der Anschuldigungen Stellung beziehen.

Dabei sorgen sich nicht nur Kunden um die Liquidität des Expedia-Konzerns, der nach Schätzungen der Ratingagentur Standard & Poor‘s (S & P) im zweiten Quartal 80 Prozent seines Buchungsgeschäfts verlor und mit einer „signifikanten Anzahl von Stornierungen“ zu kämpfen hat. Der Vorstand des US-Konzern tut es ebenfalls.

So drängen Chairman Barry Diller und CEO Peter Kern nach eigenen Angaben aktuell darauf, die Betriebskosten im laufenden Jahr um mehr als 500 Millionen Dollar zu drücken. Aktienrückkäufe, die Expedia 2018 und 2019 im Schnitt knapp 800 Millionen Dollar kosteten, wurden für dieses Jahr ausgesetzt, ebenso wie ein Teil der Dividende.

Die Liquiditätssicherung werten Analysten wie Thomas J. Hartman von S & P als Vorsichtsmaßnahme. Der Umsatz von Expedia werde sich dieses Jahr voraussichtlich halbieren, erwartet er, das Betriebsergebnis (Ebitda) sieht er 2020 im Minus, der operative Cashflow werde für die Investitionen nicht reichen.

Noch seien Zahlungsausfälle unwahrscheinlich, heißt es gleichlautend in den zuletzt verfassten Ratingberichten. Gefahr droht jedoch an der Börse: Moody‘s wie S & P bewerten Expedia aktuell gerade noch auf der untersten Stufe als „Investment Grade“ – mit dem Ausblick „negativ“. Wechselt die Bonitätsnote auf „Junk“ („Schrott“), müssten die meisten institutionellen Anleger bei Expedia aussteigen. Ein Kurssturz wäre wohl nicht zu vermeiden.