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FDP nimmt im Fall Wirecard die EZB ins Visier

Im Bundestag nimmt der Untersuchungsausschuss langsam Fahrt auf. Wie beim Schälen einer Zwiebel werden nach und nach neue Schichten des Wirecard-Skandals sichtbar.

Im Bundestag spielt seit einigen Wochen eine neue Boygroup. Drei Abgeordnete aus der Opposition, von FDP, Grünen und Linke, haben sich zusammengetan, in kurzer Zeit die politische Verantwortung eines großen Finanzbetrugs aufzuklären: Wie konnte der Zahlungsdienstleister Wirecard jahrelang Bilanzen fälschen – ohne dass die Aufsichtsbehörden eingriffen? Welche Rolle spielten dabei das Finanz- und Wirtschaftsministerium? Warum warb die Bundeskanzlerin auf einer China-Reise für den Konzern, obwohl Vorwürfe von Geldwäsche und Unregelmäßigkeit in den Bilanzen längst bekannt waren?

Florian Toncar (FDP), Danyal Bayaz (Grüne) und Fabio De Masi (Linke) vertreten ihre Fraktionen im Wirecard-Untersuchungsausschuss, der inzwischen seine Arbeit aufgenommen hat und vor Ende der Wahlperiode im kommenden Jahr einen Bericht vorlegen muss. Die drei Oppositionspolitiker wollen durch gute, orchestrierte Zusammenarbeit ein Gegengewicht schaffen zur Mehrheit von Union und SPD im Ausschuss.

Vor der Sitzung an diesem Donnerstag organisierten sie daher etwa ein Pressegespräch mit dem Journalisten Dan McCrum, bevor der als Sachverständiger seine Aussage machte. Denn die Große Koalition hatte sich geweigert, den Reporter der „Financial Times“ zu diesem Zeitpunkt als Zeuge in öffentlicher Sitzung zu befragen. Dabei war er es, der den Bilanzbetrug durch seine Recherchen maßgeblich aufgedeckt hat.

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Das Ablenkungsmanöver

Zur politischen Showbühne wird der Untersuchungsausschuss aber auch so – und zwar bereits in den kommenden Wochen. Dann soll der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) aussagen, der im Kanzleramt für Wirecard lobbyierte. Auch die Geheimdienstkontakte des untergetauchten Ex-Wirecard-Vorstands Jan Marsalek sollen aufgearbeitet werden. „Ich fürchte, wir sehen gerade erst die Spitze des Eisberges“, sagt Grünen-Politiker Bayaz.

Inzwischen werden auch immer mehr Details über die Abläufe innerhalb der Finanzaufsicht BaFin bekannt. Es erinnert ein wenig an das Häuten einer Zwiebel, bei der man langsam Schicht für Schicht abnimmt. Denn nicht nur die Boygroup im Untersuchungsausschuss ist in diesem Wahljahr hochmotiviert, auch andere Finanzpolitiker der Opposition lassen nicht locker, die Bundesregierung mit Anfragen zu Wirecard zu beschäftigen – so auch Markus Herbrand, FDP-Obmann im Finanzausschuss.

Herbrand hat dabei vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) ins Auge gefasst. Es geht um eine Art Ablenkungsmanöver, bei dem die EZB eine entscheidende Rolle spielte. Hintergrund: Die BaFin sah in der Wirecard AG stets eine Technologiefirma, stufte nur den Tochterkonzern Wirecard Bank als Bank ein. 2017 jedoch sollen die Finanzaufseher mit Wirecard darüber diskutiert haben, mehrere Tochtergesellschaften in einer Finanzholding zu bündeln. Das hätte Aufsichtsmöglichkeiten der BaFin für mehr Teile des Wirecard-Konzerngeflechts bedeutet. Doch daraus wurde nichts.

„Eine schallende Ohrfeige“

Stattdessen gab die Wirecard AG bekannt, ihre Bank-Tochter direkt an den Mutterkonzern angliedern zu wollen, und löste damit bei der BaFin ein sogenanntes Inhaberkontrollverfahren aus. Denn bei solchen Umstrukturierungen prüft die Aufsicht unter anderem, ob der neue Eigentümer als zuverlässig gilt. Das soll den Gläubigerschutz stärken. Die BaFin prüfte das Vorhaben und leitete es mit positivem Bescheid an die EZB weiter, die sich, wie sie später betonte, schlicht dem Urteil der BaFin anschloss. Wirecard hingegen setzte das Vorhaben innerhalb der gesetzten Frist nicht um.

Um all diese Fragen ging es bereits, als BaFin Präsident Felix Hufeld im Juli vor dem Finanzausschuss des Bundestags aussagte. FDP-Politiker Herbrand jedoch wollte von der EZB mehr Details erfahren, warum genau sie im Rahmen des Inhaberkontrollverfahrens keinerlei Auffälligkeiten entdeckte. Er schickte seine Fragen nach Frankfurt – und bekam nur nichtssagende Antworten zurück. Also versuchte er sein Glück mit einer Anfrage bei der Bundesregierung.

Nun sieht er sich mit Kenntnis der Antworten in seinem Verdacht bestätigt, dass sich die Aufseher von den Wirecard-Chefs mit einem Ablenkungsmanöver täuschen ließen. Demnach sei „die angezeigte Reorganisation nach Einschätzung der BaFin auf die Vermeidung der ansonsten bestehenden Konsolidierungspflicht gerichtet“ gewesen, wie es in dem Schreiben aus dem Finanzministerium heißt.

„Die EZB ist den Verschleierungstaktiken des Wirecard-Konzerns ebenso auf den Leim gegangen wie die deutschen Aufseher“, kritisiert Herbrand. Offensichtlich habe auch die EZB nicht mit der „enormen kriminellen Energie“ des Wirecard-Konzerns gerechnet. „Man kommt nicht umhin, die wertlosen Prüfergebnisse von EZB und BaFin als eine schallende Ohrfeige für den Gläubigerschutz zu betrachten.“

Die Zentralbank widerspricht den Vorwürfen des FDP-Politikers. „Die EZB ist und war zu keiner Zeit für die direkte Aufsicht der Wirecard AG zuständig und hat die Bank nie geprüft“, sagte eine Sprecherin. Die EZB sei im Zusammenhang mit Wirecard nur bei jenem Inhaberkontrollverfahren involviert gewesen, „bei dem die EZB im Januar 2019 einer internen Reorganisation der Wirecard Gruppe zustimmte, die letzten Endes aber nie stattfand“, so die Sprecherin weiter.

Mehr zum Thema: Bei Wirecard wurde seit jeher getäuscht. Das zeigt das neue Buch „Die Wirecard-Story“ zweier WirtschaftsWoche-Reporter. Die Erfolgsgeschichte war zu schön, um wahr zu sein. Von Anfang an.