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Fasziniert vom Tod: Warum diese Bestatterin ein Death-Tech-Startup gegründet hat

Lilli Berger ist Bestatterin, Filmemacherin – und jetzt auch Gründerin von Vyvyt. - Copyright: Vyvyt
Lilli Berger ist Bestatterin, Filmemacherin – und jetzt auch Gründerin von Vyvyt. - Copyright: Vyvyt

„Ihr Äuglein ist offen, haben Sie heute Nacht gezwinkert?“. Das habe Lilli Berger schon mal eine Tote gefragt, sagt sie. Die heute 31-Jährige hat keine Berührungsängste mit dem Tod. Während ihrer Ausbildung zur Bestatterin lautete ihre erste Aufgabe am Morgen, zig aufgebahrte Leichen zu begrüßen – und durch den Verwesungsprozess aufgerissene Augenlider und Münder wieder zu verschließen.

Heute bringt Berger ihr vollumfängliches Wissen über den Tod in ihr eigenes Startup ein, das sich Vyvyt nennt. Die Idee: Digitale Erinnerungsräume, in denen sich Angehörige treffen, Bilder, Videos und Sprachnachrichten hochladen und gemeinsam trauern können. „Wir wollen auf keinen Fall die Trauerfeier ersetzen, sondern mit einem digitalen Erinnerungsraum ergänzen“, sagt Berger im Gespräch mit Gründerszene.

„Es wird viel mehr über den Tod gesprochen als früher“

Heranwachsende Generationen, wie die Gen Z, trauern heute anders, sagt Berger. „Es wird viel mehr über den Tod gesprochen als früher.“ Über Tiktok machen Bestatter Videos über den Tod. Neben der klassischen Bestattung in einem Sarg kommen außerdem neue Rituale dazu, wie etwa Baumbestattungen, Seebestattungen oder sogenannte "Reerdigungen". Dabei wird der Körper in 40 Tagen zu Kompost umgewandelt. Das Berliner Startup Meine Erde bietet das an – und hat bekannte Unterstützer wie den Berliner Kapitalgeber Projekt A oder Seriengründer Christian Vollmann als Business Angel.

So sieht ein Erinnerungsraum von Vyvyt aus. Wenn man auf die Bilder klickt, kann man sich etwa Geschichten anhören – und Kommentare da lassen.  - Copyright: Favel
So sieht ein Erinnerungsraum von Vyvyt aus. Wenn man auf die Bilder klickt, kann man sich etwa Geschichten anhören – und Kommentare da lassen. - Copyright: Favel

Auf prominente Unterstützer hofft Berger mit ihren 3D-Erinnerungsräumen auch. Sie sollen dem entfernteren Bekanntenkreis die Möglichkeit geben, trauern zu können. „Wenn du nicht die Möglichkeit hast, Abschied zu nehmen, kann das psychisch schwere Folgen haben“, sagt Berger. Sogar Jahre später noch.

Oft bleiben Menschen mit ihrer Trauer allein

Der Schmerz ist bei vielen oft so groß, dass das Reden allerdings schwerfällt. Anton Kurt Krause ist Mitgründer von Vyvyt und habe vergangenen Sommer einen plötzlichen Todesfall in der Familie gehabt. „Da fiel mir auf, dass es zu wenig Trauerrituale gibt.“ Obwohl das Bedürfnis darüber zu reden in der Familie groß gewesen sei. Das Organisieren von Feiern: zu aufwendig. Zoom? „Ist nicht dem Anlass entsprechend.“ Da sei man angehalten, quatschen zu müssen. Für den Trauerprozess wichtige Prozesse wie Begegnungen, Stille oder einfaches Händeschütteln, wie bei Beerdigungen auch, können über solche Programme nicht abgebildet werden, sagt Krause.

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Die digitalen Erinnerungsräume von Vyvyt sollen all das abbilden können. „Ein Gefühl von Räumlichkeit, Nähe und Distanz", wie Berger beschreibt. Man kann da stehen, sich Bilder anschauen und in Erinnerungen schwelgen. Sich auf eine Bank setzen und die Trauerrede anhören. Oder sich mit anderen Trauernden im Raum unterhalten und Bilder kommentieren. „Durch solche Begegnungsstätten schafft man Anlässe, um über die verstorbene Person nochmal zu reden und ins Gespräch zu kommen“, sagt Krause. Mit eingeschlossen: der entferntere Bekanntenkreis wie Arbeitskollegen oder Nachbarn. Menschen, die oft nicht zu Trauerfeiern eingeladen werden, da sie nicht dem engsten Familienkreis angehören. Die digitalen Erinnerungsräume von Vyvyt sollen den Trauerkreis öffnen.

Vyvyt in der Praxis: Schüler trauern digital über einen verstorbenen Lehrer

„Wir hatten den Fall eines Lehrers, der verstorben ist. Damit die Schüler Abschied nehmen können, haben wir für sie einen virtuellen Raum gebaut“, erzählt Lilli Berger. Jeder Teilnehmer hatte einen eigenen Avatar, mit dem sie durch den Raum laufen konnten. Sie konnten Fotos und Videos hochladen, die sie von ihrem Lehrer hatten und mit Mitschülern ins Gespräch kommen. Alles, was sie brauchten, war ein Internetanschluss und ein digitales Engerät wie Laptop, Tablet, Smartphone – oder für ein immersives Erlebnis eine VR-Brille.

Diesen Auftrag habe Berger über Bekannte bekommen. Das im Oktober 2022 gegründete Startup steht noch am Anfang. Alles, was die Gründer über Projekte einnehmen, fließt direkt zurück in die Firma. Berger, Krause und ihr dritter Mitgründer Gregor Teggatz haben gerade ihr erstes Büro im Media Tech Hub bezogen, einem Frühphasen-Accelerator mit Sitz in Potsdam, Babelsberg. Direkt gegenüber: Bergers ehemaliger Studienort. Die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf – einer der renommiertesten Filmuniversitäten Deutschlands.

Das Gründertrio: Anton Kurt Krause, Lilli Berger und Gregor Teggatz (v.l.). - Copyright: Xaver Hirsch
Das Gründertrio: Anton Kurt Krause, Lilli Berger und Gregor Teggatz (v.l.). - Copyright: Xaver Hirsch

Berger ist vieles: Gründerin, Bestatterin – und auch Dokumentarfilmerin. Von Filmjobs bezahlt sie aktuell ihre Miete in Berlin Mitte, wo sie lebt. Ihren Master absolvierte sie an der Universität der Künste in Berlin, wo sie auf die Idee kam, zu gründen. Gemeinsam mit zwei Kommilitonen startete sie 2020 die Firma Farvel – quasi den Vorgänger zu Vyvyt. Die Wege trennten sich 2022 allerdings. Ihre beiden Co-Gründer Markus Traber und Jennifer Beitel bieten über ihre Firma Ternaty heute 3D-Räume für jegliche Anlässe an. Berger hingegen hält an ihrem Fokus fest, Erinnerungsräume für Hinterbliebene zu bauen.

Erbstreitigkeiten und Affären: So spannend ist der Tod für Berger

Berger hat schon von klein auf eine Faszination für den Tod. Mit 14 machte sie ein Schulpraktikum beim Bestatter, wie sie sagt. Um mehr über den Tod zu lernen. Insgesamt 14 Tage lang. „Und 13 Tage lang ist keiner gestorben. Ich war so enttäuscht“, erzählt Berger, die mit einer besonderen Leichtigkeit auf das Sterben blickt. An ihrem letzten Praktikumstag sei dann jemand gestorben. „Da rief meine Mutter in der Schule an und ließ mich beurlauben, damit ich den Bestattungsprozess mitbekomme.“

Seitdem sei sie Feuer und Flamme für den Job. Denn als Bestatter ist man für die hinterbliebenen Familien oft der erste Ansprechpartner, wie sie sagt. Familienkonstruktionen geraten durch den Tod eines Familienmitglieds oftmals ins Wanken, etwa durch Erbstreitigkeiten – oder andere Konflikte. Einmal soll im Ausbildungsbetrieb von Berger etwa ein Ehemann gelegen haben, der eine Affäre hatte, wovon die Ehefrau aber nichts wusste. Berger wolle Familien als Bestatterin beistehen, wie sie sagt. Und sie manchmal auch vom Zerbrechen retten. Mit der Gründung von Vyvyt verfolgt sie das Ziel weiter.