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Fasten-Apps: Zwei Start-ups aus Ostdeutschland liefern sich ein ungleiches Rennen

Die Gründer von Yazio und Fastic wollen vom Gesundheitstrend profitieren. Eine Firma finanziert sich selbst, die andere hat Geldgeber aus der Start-up-Szene.

Intervallfasten ist eine einfache Art, auf die Ernährung zu achten. Stunden- oder tageweise nichts zu essen fällt vielen Menschen leichter, als sich an allzu ausgeklügelte Diätpläne zu halten. Zugleich passt die bewusste Ernährung zum Gesundheitstrend in der Coronazeit. Apps, die dabei helfen sollen, die Ernährungsumstellung umzusetzen, sind derzeit gefragt.

Zwei davon stammen aus Deutschland. Sie zeigen exemplarisch den unterschiedlichen Ansatz von Gründern. Yazio aus Erfurt, derzeit auf Platz eins in der Kategorie „Health & Wellness“ im Play Store von Google, kommt ohne Risikokapital aus. Herausforderer Fastic aus Dresden, inzwischen auf Platz sechs aufgestiegen, finanziert sein Wachstum hingegen mit Geldgebern aus der deutschen Start-up-Szene.

Wie aussichtsreich der Bereich ist, zeigt die Münchener App Freeletics. Internationale Investoren kauften die Sport- und Ernährungs-App, die nach einem ähnlichen Geschäftsmodell funktioniert, 2018, fünf Jahre nach der Gründung, für einen hohen zweitstelligen Millionenbetrag.

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Beide Fasten-Apps rüsten sich mit unterschiedlichen Mitteln für harte Konkurrenz. Allein in den USA stieg die Zahl der Nutzer von Apps der Kategorie Gesundheit in der Coronazeit nach Daten des Marktforscher Emarketer um über ein Viertel.

Das lockt große Anbieter: Apple etwa bietet Sport- und Ernährungsprogramme um seine Smartwatch an, Samsung integriert Sportkurse in seine Fernseher in den USA, das vernetzte Fitnessrad Peloton zählt selbst den neuen US-Präsidenten Joe Biden zu seinen Nutzern.

Yazio wächst selbstfinanziert

Die deutschen Ernährungs-Apps müssen ohne solche Unterstützung auskommen. Yazio ist bereits seit 2014 online – selbstfinanziert, ohne Risikokapital. „Wir wollen eben unser eigenes Ding machen und haben auch keine Finanzierung benötigt“, sagt Mitgründer Florian Weißenstein. „Das befähigt uns, ein sehr solides, kostenorientiertes Unternehmen aufzubauen.“

Geld verdient Yazio über ein sogenanntes Freemium-Modell: Basisfunktionen können Nutzer kostenlos gebrauchen, für speziellere Funktionen wie Ernährungspläne und PDF-Export müssen sie zahlen. Offenbar ist das erfolgreich: Der „Bundesanzeiger“ weist für 2018 rund 300.000 Euro Jahresgewinn aus.

Seitdem sei das Unternehmen kräftig gewachsen, sagt Weißenstein. Inzwischen arbeiten europaweit 45 Menschen für Yazio, zehn Millionen Nutzer sind zumindest registriert. Neukunden findet Yazio über Onlinemarketing, etwa Werbung in den App-Stores und einen starken Fokus auf Suchmaschinen-Optimierung, finanziert aus den laufenden Abo-Einnahmen.

Die Kernmärkte liegen für Weißenstein in Europa – auch, weil US-Anbieter wie My Fitness Pal den Markt außerhalb der USA nicht vorrangig angingen, sagt Weißenstein. Damit rüstet er sich auch gegen den sächsischen Newcomer Fastic. „Konkurrenz spornt uns an, noch ein bisschen mehr Gas zu geben“, sagt er.

Fastic ist erst seit 2019 dabei – unterstützt mit fünf Millionen Euro von Investoren wie Trivago-Gründer Rolf Schrömgens und Tier-Gründer Lawrence Leuschner. Mit ihrer Hilfe kommen sie bereits auf 50 feste Mitarbeiter – und sind beim Wachstum weniger darauf angewiesen, sich aus dem eigenen Cashflow zu finanzieren.

Allerdings ist Fastic kein klassisches Wagniskapitalprojekt mit Absolventen einer Unternehmeruni, die auf ein Hype-Thema gesetzt werden. Stattdessen haben die beiden gelernten Großhandelskaufleute einen persönlichen Bezug zu dem Thema und sind aus eigenem Antrieb in die Selbstständigkeit gestartet.

Sebastian Wettcke brachte die Fasten-Idee von zu Hause mit: Seine Eltern betrieben lange ein Fastenhotel im Schwarzwald, er selbst gründete mit 19 Jahren eine erste Firma, um die Hotelgäste bei ihrer Ernährung zu beraten.

Auf einer gemeinsamen Reise überzeugte der heute 25-Jährige den drei Jahre älteren Phillip Wayman, Intervallfasten auszuprobieren. Sie starteten mit einem Onlineshop für Fastenprodukte und -beratung. Für die App zogen sie wegen dessen Technik-Szene nach Dresden – und holten die Investoren an Bord.

Entsprechend müssen sie große Wachstumsperspektiven aufzeigen: Als Hauptmärkte sehen die Gründer neben Deutschland und den USA Brasilien, Kolumbien und Südamerika. „Jetzt ist die richtige Zeit, Intervallfasten zu verbreiten“, sagt Wayman. Zehn Millionen Downloads melden sie, fünf Prozent der Nutzer hätten ein Abo. Zu Werbung etwa auf Facebook und Instagram kamen sogar einige TV-Spots.

Freeletics taugt nur teilweise als Vorbild

Yazio-Gründer Weißenstein hingegen hat bislang alle Angebote von Geldgebern abgelehnt. Schließlich bringt eine Übernahme durch Finanzinvestoren viel Wachstumsdruck. Das zeigt sich an Freeletics. Wie Yazio ist die App für Fitness ohne Geräte, eine Gründung von drei Münchener Studenten, in den Anfangsjahren ebenfalls selbstfinanziert gewachsen.

2018 übernahmen US-Investoren das Unternehmen und steckten seitdem 70 Millionen Dollar in das Geschäft. Im Gegenzug erwarteten sie eine Verzehnfachung des Umsatzes, hieß es beim Einstieg. Vor allem in ihrem Heimatland USA wollen die Investoren neue Abonnenten für das deutsche Unternehmen finden – mit Marketing, aber auch mit einem weiteren Ausbau der Trainingsangebote.

Allerdings zeigt Freeletics auch die Grenzen der Apps. Google Trends zeigt, dass die Marke seit ihrem Anfangs-Hype deutlich an Interesse verliert. Aus Investorenperspektive sei daher bei solchen Lifestyle-Apps eine klare Differenzierung des Angebots wichtig, sagt David Kuzek, Partner beim Investor HV Capital, der etwa beim Fitnessstudio-Abo Urban Sports Club und beim digitalen Fitnessspiegel Vaha dabei ist.

Seine These: Um gegen Anbieter wie Apple im großen Stil bestehen zu können, bräuchten die digitalen Angebote einen Hardwarekern – wie den Trainingsspiegel bei Vaha oder das Fitnessbike bei Peloton. Ansonsten sei es für die Abonnenten der rein digitalen Apps zu leicht, nach einigen Monaten gelangweilt zu einem anderen Anbieter zu wechseln.

Die Entwicklung von Freeletics sieht er relativ: Für die selbstfinanzierten Gründer sei es ein großer Erfolg, für renditeorientierte Risikokapitalgeber seien die Summen bislang wenig attraktiv. „Den meisten Gründern ist klar, dass sie mit Risikokapitalgebern mit jemandem ins Bett gehen, der ganz groß hinaus möchte“, sagt der Investor.

Einen Ausweg aus der Beliebigkeit bietet der Aufbau einer großen Zahl von Nutzern, die sich untereinander vernetzen und so die Teilnehmer binden: „Wir sind auf dem Weg zur größten Fasten-Community weltweit“, hofft Fastic-Gründer Wettcke.

Yazio-Gründer Weißenstein will die Abonnenten dagegen über eine langfristige Verhaltensänderung überzeugen. Seine App soll zum Leben dauerhaft dazugehören. Dabei kann er entspannter vorangehen als die jüngeren Dresdener Konkurrenten: Schließlich muss er keine Investoren zufriedenstellen.