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Juncker will den Scheidungsbrief „gerne sofort“

Live-Reaktionen auf Brexit-Referendum - Juncker will den Scheidungsbrief „gerne sofort“

Helle Aufregung in Europa und aller Welt: hat sich für den Ausstieg aus der Europäischen Union entschieden. Am Ende eines nächtlichen Wahlkrimis steht . Die Stimmen zu der historischen Entscheidung.

  • Premierminister David will bis Oktober sein Amt aufgeben.

  • Die Bank of England stellt Milliarden für die Finanzindustrie bereit.

  • Angela Merkel will sich mit Tusk, Hollande und Renzi treffen.

  • Rechtspopulisten in Frankreich und den Niederlanden wollen eigene Referenden.

+++ Juncker will Scheidungsbrief sofort +++

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat Großbritannien aufgefordert, umgehend die Verhandlungen über den Austritt aus der EU aufzunehmen. Er verstehe nicht, warum die britische Regierung bis Oktober für die Entscheidung brauche, ob sie den Scheidungsbrief schicke oder nicht. „Ich hätte den gerne sofort“, sagte Juncker am Freitagabend im ARD-Fernsehen. „Es ist keine einvernehmliche Scheidung“, sagte Juncker. „Aber es war ja auch nie ein enges Liebesverhältnis.“ Er sei tief traurig über das Votum. „Aber das Projekt Europa läuft weiter.“

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+++ Obama spricht mit Cameron und Merkel +++

US-Präsident Barack Obama hat nach dem Brexit-Votum mit dem britischen Premier David Cameron und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert. Er sei zuversichtlich, dass Großbritannien ein geordneter Übergang aus der EU heraus gelinge, sagte Obama am Freitag bei einer Rede an der Universität von Stanford. Eine Ursache für das unerwartete Votum der Briten ortete Obama in den „andauernden Veränderungen und Herausforderungen der Globalisierung“. Die USA würden aber weiterhin eine besondere Beziehung zu Großbritannien pflegen, sagte der US-Präsident.

+++ Frankreich wirbt um britische Banken+++

Frankreichs Finanzminister Michel Sapin stellt einen „roten Teppich“ für die britischen Banken in Aussicht - eine Anspielung auf einen Satz von Premierminister David Cameron von 2012, der die gleiche Geste für französische Firmen angekündigt hatte. Allerdings hege man keine bösen Absichten gegenüber den Briten, sagt Sapin: „Ich glaube, Großbritannien hat bereits genug politische, wirtschaftliche und finanzielle Probleme.“

+++Vater von Boris Johnson hält Brexit für Fehler+++

In der Frage des Brexit waren Austritts-Wortführer Boris Johnson und sein Vater Stanley völlig anderer Meinung. Stanley Johnson (76 Jahre alt und früherer Europaabgeordneter der Tories) hat sich klar offen gegen Großbritanniens Ausscheiden aus der EU positioniert und läuft auch am Tag nach dem historischen Votum der Briten mit einem weißen T-Shirt mit blauem Remain-Aufdruck herum. „Boris kann das, der kann Premier“, sagte der Vater des 52-jährigen Brexit-Antreibers und früheren Londoner Bürgermeisters dem Handelsblatt nach einem Interview mit der BBC in Westminster. Allerdings sei der Brexit ein totaler Fehler, Großbritannien in der EU stärker, so der Vater von vier Kindern.

+++Starke Kursverluste im Dax+++

Die Entscheidung der Briten gegen die EU sorgte am . Der Schock ging durch alle Branchen und alle Länder. Welche Papiere untergingen. Und welche im Crash zulegen konnten. Am Freitag schloss der Dax mit einem Abschlag von 6,82 Prozent auf 9557,16 Punkten. Zuvor hatten die Anleger auf einen Verbleib der Briten in der EU spekuliert, was den Aktienmarkt kräftig angetrieben hatte. So blieb auf Wochensicht ein Minus von 0,77 Prozent übrig.

+++ Parlamentspräsidenten sind sich einig über Zukunft Europas +++

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat mit den Parlamentspräsidenten in Frankreich, Italien und Luxemburg telefoniert. Sie hätten die gemeinsame Überzeugung bekräftigt, dass der Prozess der europäischen Einigung auch ohne Großbritannien fortgeführt werden müsse, teilt der Bundestag mit. Man werde die nun anstehenden Austrittsverhandlungen für Großbritannien mit großer Sorgfalt parlamentarisch begleiten und sich in bewährter Weise abstimmen.

+++ Katalanen sehen sich durch Briten-Votum bestärkt +++

Die Katalanen in Spanien sehen sich durch das Brexit-Votum in ihrem Streben nach Unabhängigkeit bestärkt. Nach Worten des Chefs der Regionalregierung, Carles Puigdemont, zeigt der Austritt der Briten aus der Europäischen Union, dass auch Katalonien seine Unabhängigkeit ohne Zustimmung der Zentralregierung in Madrid beanspruchen könnte.

+++ Seehofer: Union will Brexit-Herausforderung gemeinsam gerecht werden +++

CSU-Chef Horst Seehofer sieht im Brexit eine Chance für die Union, ihre gemeinsame Handlungsfähigkeit zu beweisen. Die Entscheidung der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union sei ein historischer Moment und die Union habe große historische Prozesse von der Sozialen Marktwirtschaft bis zur Wiedervereinigung immer gemeinsam gestaltet, sagte Seehofer zu Beginn einer Klausur der Spitzen von CDU und CSU am Freitagabend in Potsdam. „Wir sind jedenfalls entschlossen, dieser historischen Herausforderung gerecht zu werden. (...) Die Union ist dafür bestens legitimiert.“ Die Frage nach einer Volksabstimmung auch in Deutschland stelle sich nicht. Die Deutschen stellten die Mitgliedschaft des Landes in der EU nicht infrage. „Was sie wollen, ist eine bessere EU. Darüber brauchen wir keine Volksabstimmung.“ Das sei die Aufgabe der Politiker. Auf die Frage, ob er sich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Flüchtlingspolitik einigen werde, sagte Seehofer: „Man kann solche schwierigen Fragen nicht zu Beginn einer Klausur beantworten. Ich bin froh, dass sie stattfindet.“

+++ Obama: USA und Großbritannien behalten besondere Beziehung +++

Die USA und Großbritannien bleiben sich laut US-Präsident Barack Obama auch nach der Brexit-Entscheidung auf besondere Weise verbunden. In einer vom Weißen Haus verbreiteten Mitteilung hieß es am Freitag: „Das Volk des Vereinigten Königreichs hat gesprochen, und wir respektieren seine Entscheidung.“

Obama erklärte, die Mitgliedschaft Großbritanniens in der bleibe für die USA ein wesentlicher Eckstein ihrer Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Gleiches gelte für die Beziehungen zur Europäischen Union, die so viel getan habe, um Stabilität zu gewährleisten, Wirtschaftswachstum anzukurbeln und demokratische Werte und Ideale über den Kontinent und darüber hinaus zu verbreiten.

„Das Vereinigte Königreich und die EU bleiben auch dann unerlässliche Partner für die USA, wenn sie ihre aktuellen Beziehungen zu verhandeln beginnen“, erklärte Obama. Dies stelle Stabilität, Sicherheit und Wachstum für Europa, Großbritannien, Nordirland und die Welt sicher.

+++ Fed will Finanzierungsengpässe verhindern +++

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) will nach der Entscheidung der Briten für einen EU-Austritt Engpässe in der Geldversorgung verhindern. Die Notenbank stehe bereit, nötigenfalls Dollar über bestehende Devisen-Swap-Linien mit anderen Zentralbanken zur Verfügung zu stellen, teilte die Fed am Freitag mit. Solche Finanzierungsprobleme könnten negative Folgen für die US-Wirtschaft haben.

Zusammen mit anderen Zentralbanken beobachte die Fed die Entwicklung an den Finanzmärkten genau. Die Briten hatten zuvor in einem Referendum mehrheitlich für einen Ausstieg ihres Landes aus der Europäischen Union (EU) gestimmt. Das hatte weltweit heftige Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst.

+++ Zukunft von Erasmus-Programm in Großbritannien unklar +++

Nach der Entscheidung der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union ist auch die Zukunft des europäischen Austauschprogramms Erasmus mit Großbritannien fraglich. „Das britische Votum gegen die Mitgliedschaft in der EU wird erhebliche Auswirkungen auf die Mobilität von Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben“, erklärte die Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Margret Wintermantel.

Großbritannien gehört mit bis zu 3.140 deutschen Austausch-Studierenden pro Jahr zu den attraktivsten Erasmus-Zielen in Europa. „Ob es künftig noch möglich ist, ein Erasmus-Studium oder Praktikum in Großbritannien zu absolvieren, ist Gegenstand der anstehenden Verhandlungen“, erklärte der DAAD. Die Teilnahme eines Landes am Programm ist derzeit aber nicht an die Mitgliedschaft in der EU gekoppelt.

„Der Brexit wird negative Auswirkungen haben“, sagte Studentenwerks-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde der Nachrichtenagentur AFP. Vor allem finanziell könnte es für deutsche Studierende eng werden: Es sei möglich, dass Studiengebühren und Lebenshaltungskosten in Großbritannien ansteigen, gleichzeitig aber keine finanzielle Hilfe mehr durch das Erasmus-Stipendium möglich sei, sagte auf der Heyde.

+++ Wales bangt um Fördergelder +++

Vor dem Rathaus von Cardiff weht noch die europäische Flagge. Formal ist der Ausstieg schließlich noch nicht umgesetzt. Doch auch in Wales hat sich eine Mehrheit dafür ausgesprochen, dass die Fahne in den kommenden Jahren abgehängt werden muss.

First Minister Carwyn Jones meldete sich am Freitag bereits zu Wort. „Nicht einen Penny“ wolle man durch den EU-Ausstieg verlieren, sagt er. Wales will sich seine Loyalität aus London bezahlen lassen. Denn das Verhältnis zu England ist in diesen Tagen paradox. Für den First Minister ist das Referendum auch eine Denkzettelwahl für Premierminister David Cameron gewesen. Es sei ein Fehler gewesen, das Referendum so kurz nach den lokalen Wahlen anzusetzen. „Er hat entschieden, wo dieser Kampf ausgefochten wird“, sagt er.

Anders als Cameron will der Europa-Befürworter Jones aber im Amt bleiben und für seine Landsleute den Ausstieg mitverhandeln. Man werde alles tun, um Jobs im Land zu behalten. Wie stark seine Verhandlungsmacht am Ende sein wird, hängt wohl auch davon ab, wer neuer Premier nach Cameron wird.

+++ Englands Verbandschef erwartet „ziemlichen Einfluss“ durch Brexit +++

Englands Fußball-Verbandsvorsitzender Greg Dyke hofft durch den Brexit auf eine Steigerung der Anzahl heimischer Spieler in der Premier League. Es könne zwei Jahre dauern, um die Wirkung des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union einschätzen zu können, sagte Dyke am Freitag der Press Association. „Aber es könnte einen ziemlichen Einfluss auf den englischen Fußball wegen des Brexits geben.“

Inzwischen kämen nur noch 30 Prozent Spieler in der Premier League aus England, dies sei „eine Schande“, erklärte der FA-Chef. „Wenn sich die Zahl der englischen Spieler vergrößert, ist das sehr willkommen.“

+++ Lagarde plädiert für sanften Übergang +++

IWF-Chefin Christine Lagarde fordert die Verantwortlichen in Großbritannien und Europa auf, bei der Gestaltung der neuen Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Königreich und der EU nach dem Brexit auf einen sanften Übergang hinzuarbeiten. Sie befürworte die Maßnahmen der Bank of England und der EZB, das Bankensystem mit ausreichend Liquidität zu versorgen.

+++ G7 wollen für Liquidität sorgen +++

Die sieben führenden Industriestaaten (G7) wollen sich nach dem Brexit-Votum in Großbritannien eng abstimmen, um auf massive Verwerfungen an den Finanzmärkten rasch reagieren zu können. Übermäßige Schwankungen und Turbulenzen bei den Wechselkursen könnten die wirtschaftliche Stabilität und die Finanzstabilität beeinträchtigen, hieß es am Freitagnachmittag in einer gemeinsamen Erklärung der G7-Finanzminister. Sie bekräftigten zugleich, dass die Wirtschaft und der Finanzsektor Großbritanniens widerstandsfähig seien. Die Institutionen des Landes seien gut gerüstet, um mit den Folgen der Entscheidung umzugehen.

+++ Trump: Obama hat wahrscheinlich den Brexit verursacht +++

US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump sieht für sich geschäftliche Vorteile aus dem Brexit: Ein schwaches Pfund bedeute, dass mehr Touristen in sein Golf-Ressort an der schottischen Westküste kämen, sagte Trump. Er war am Freitagmorgen mit dem eigenen Hubschrauber auf seinem Gelände eingeflogen, um den Golfplatz wiederzueröffnen.

Vor über 300 Journalisten, darunter Handelsblatt-Reporter Christoph Kapalschinski, gab er eine seiner typischen Presskonferenzen – und analysierte den Brexit. „Ich sehe Parallelen zu den USA und anderen Ländern. Die Leute wollen sichere Grenzen – und nicht dass Leute in ihr Land strömen, von denen sie nichts wissen“, sagte er.

Trump machte zudem einen überraschenden Schuldigen am Brexit aus: US-Präsident Barack Obama habe sich eingemischt, indem er ein „Remain“-Votum empfohlen habe. „Womöglich hat er damit den Ausschlag gegeben, dass das Brexit-Lager gesiegt hat“, sagte Trump gleich zweimal.

Trump behauptete, mit Premierminister David Cameron in Gesprächen über ein Treffen an diesem Freitag gewesen zu sein. „Aber nach dem, was passiert ist, will er heute sicherlich niemanden sehen.“ Cameron sei ein guter Mann, habe die Stimmung aber völlig falsch eingeschätzt – womit es ihm so ähnlich gehe wie Hillary Clinton.

+++ Farage will an die Macht +++

Der Chef der britischen Anti-EU-Partei Ukip will nach dem Sieg der „Leave“-Kampagne mit an die Macht. "Wir brauchen jetzt eine Brexit-Regierung", sagte Nigel Farage dem Handelsblatt in Westminster. Damit wich er der Frage nach seiner Berufung in ein Nach-Cameron-Kabinett etwas aus, unterstrich aber den Anspruch seiner United Kingdom Independence Party an einer Regierungsbeteiligung.

„Das war ein sehr langer Weg. 1994 holte ich bei der Wahl in meinem Wahlkreis gerade mal 952 Stimmen. Jetzt haben wir die Schlacht gewonnen“, sagte der 52-Jährige. Für ihn sei dieser 23.Juni „der Tag von Großbritanniens Unabhängigkeit“, setzte Farage eine breite Siegesmiene auf.

Er sehe seinen Siegeszug aber als „keineswegs beendet“ an. „Die meisten Labour-Wähler sind ihrer Führung nicht gefolgt. Das ist ein riesiges Wählerpotenzial für UKIP", ist der vor allem mit der Angst vor Migranten spielende Parteichef sicher. Der erfolgreiche Brexit sei „ein Sieg des einfachen Volkes gegen die Big Boys".

+++ Merkel: Brexit ist Einschnitt für Europa +++

Eine sichtlich erschütterte Angela Merkel (CDU) trat am Mittag im Kanzleramt vor die Kameras. „Es gibt nichts darum herum zu reden: Der heutige Tag ist ein Einschnitt für Europa, er ist ein Einschnitt für den europäischen Einigungsprozess“, begann die Kanzlerin ihr Statement über den weiteren Weg, den die 27 übrigen EU-Staaten nach dem Ausstiegsvotum der Briten nun vor sich haben. Sie warb dafür, keine hastigen Entscheidungen zu treffen, sondern die Lage „in Ruhe zu analysieren, zu bewerten und dann gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen“.

Am Montag will sie über die neue Lage zunächst mit Frankreichs Präsident Francois Hollande, Italiens Premierminister Matteo Renzi und EU-Ratspräsident Donald Tusk im Berliner Kanzleramt beraten, bevor sich am Dienstag und Mittwoch alle EU-Regierungschefs in Brüssel treffen.

Aus Merkels Sicht gelte es bei den Verhandlungen, drei Grundsätze zu beachten: Erstens müssten die Regierungschefs akzeptieren, dass immer mehr Menschen in allen Ländern Zweifel an den EU-Institutionen hegten. "Es kommt darauf an, dass die Menschen spüren, dass die EU ihre Lebensumstände verbessern hilft", formulierte sie den Anspruch, dem die Regierungschefs genügen müssten.

Gerade Deutschland habe ein besonders Interesse daran, dass die europäische Einigung gelinge. Sie werbe dafür, dass es auch in Zukunft ein „enges und partnerschaftliches Verhältnis“ zwischen der EU und Großbritannien gebe. Für das weitere Vorgehen müsse es „einen geordneten Verhandlungsprozess zum Austritt der Briten aus der EU geben, für den die Verträge ein Verfahren vorsehen“, sagte sie. Nach den Verträgen dauert dieser Prozess zwei Jahre. In dieser Zeit bleibe Großbritannien Mitglied der EU mit allen Pflichten und Rechten, betonte Merkel. Diese müssten beide Seiten gleichermaßen achten.

+++ Renzi will zur Tagesordnung übergehen +++

„Wir respektieren die Entscheidung der Briten, aber jetzt beginnt ein neues Kapitel. Das ist ein Tag, wie es ihn noch nicht gegeben hat, ein schwieriger Tag, aber Europa hat in seiner langen Geschichte gezeigt, dass es stärker ist als jede Schwierigkeit.“ Der italienische Premier Matteo Renzi, der am Mittag in seinem Amtssitz Palazzo Chigi in Rom vor die Presse trat, hielt sich nicht lange beim Brexit-Ergebnis auf. Schon vor der Entscheidung in Großbritannien hatte er gesagt, wenn das Land, entscheide, die EU zu verlassen, dann solle sie es schnell tun und es würde dann auch keinen Weg zurückgeben. Die EU müsse sich in jedem Fall 2017 neu erfinden.

Italiens Wirtschaft ist nicht direkt vom Votum der Briten betroffen. Zwar würde nach einer Studie des Kreditversicherungsunternehmens Sace der Export leiden, die größeren Handelspartner Italiens sind aber Deutschland und Frankreich. Italien muss eher die politische Instabilität fürchten. Die Konjunktur zieht nach der langen Rezession nicht richtig an, das Wachstum ist eines der geringsten in Europa. Vor allem der Bankensektor kann unter dem Brexit leiden. Auch deshalb sagte Renzi am Freitag: „Die Regierung und europäischen Institutionen sind in der Lage, auf jede erdenkliche Art und mit allen Mitteln die Stabilität des Finanzsystems und die Sicherheit der Sparer zu garantieren.“

+++ Schottische Regierungschefin bringt neues Referendum ins Spiel +++

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hält ein neues Referendum über die Unabhängigkeit des britischen Landesteils für „sehr wahrscheinlich“. Die Schotten hatten bei der gestrigen Abstimmung mehrheitlich für einen Verbleib in der Europäischen Union gestimmt. Sturgeon erklärte, Schottland dürfe nicht „gegen seinen Willen“ zum EU-Austritt gezwungen werden.

+++ Cornwall nimmt britische Regierung in die Pflicht +++

Auch die Wähler aus Cornwall im Süden von England haben für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt – dabei wird die wirtschaftlich schwache Region jährlich mit knapp 70 Millionen Pfund aus Brüssel gestützt. Kaum lag das Ergebnis des Referendums am Freitag vor, schon forderte die Regionalverwaltung, dass die London Regierung in Zukunft die Finanzierung übernimmt: „Wir bestehen auf einem Investment in derselben Höhe wie das EU-Programm“, sagte John Pollard, der Ratsherr von Cornwall. Bis 2020 hatte die EU Cornwall Zusagen für Projekte im Wert von 400 Millionen Pfund gemacht.

+++ EU-Spitzen drängen Briten zur Eile +++

Die vier Präsidenten der EU (Kommission), Donald Tusk (Rat), Martin Schulz (Parlament) und Mark Rutte (alternierender Rat) haben Großbritannien aufgefordert, das Brexit-Votum von Donnerstag möglichst schnell politisch umzusetzen und einen Austrittsantrag in Brüssel zu stellen. „Jede Verzögerung würde die Unsicherheit unnötig verlängern“, erklärten die vier EU-Chefs am Freitag in Brüssel. Die EU stehe bereit, zügig Verhandlungen über den Austritt mit dem Vereinigten Königreich zu beginnen. Die vier Präsidenten gaben zugleich ein politisches Bekenntnis zur EU ab. „Die Union der 27 Mitgliedstaaten wird weitermachen.“

Bis zum förmlichen EU-Austritt bleibe Großbritannien EU-Mitglied und das EU-Recht gelte im Vereinigten Königreich weiter, mahnten die vier EU-Präsidenten. So stehe es in den EU-Verträgen, die Großbritannien ratifiziert habe.

Man hoffe, dass Großbritannien künftig ein „enger Partner“ der EU bleibe. „Wir erwarten diesbezüglich Vorschläge des Vereinigten Königreichs“, heißt es in dem Statement der vier Präsidenten. Jedes neue Abkommen, das zwischen der EU und dem Drittstaat Großbritannien geschlossen werde, müsse aber „die Interessen beider Seiten widerspiegeln“ und sowohl Rechte als auch Pflichten enthalten.

+++ Johnson: Europa nicht den Rücken zuwenden +++

Großbritannien sollte Europa nach dem Willen von Londons früherem Bürgermeister trotz des Brexit-Referendums nicht den Rücken kehren. „Wir sind im Herzen Europas“, sagte Johnson am Freitag in London. Der konservative Tory-Politiker ist einer der führenden Köpfe der Brexit-Kampagne und gilt als einer der möglichen Nachfolger des zurücktretenden Premierministers David Cameron.

Mit Blick auf die Abwicklung der EU-Mitgliedschaft seines Landes rief Johnson zur Ruhe auf. „Es gibt keinen Grund zur Hast“, sagte er, auf einen langen Prozess des Abschiedes hindeutend. Er sehe auch keine Notwendigkeit, von Artikel 50 des Lissabon-Vertrages Gebrauch zu machen. Dieser würde den Abschluss von Austrittsverhandlungen binnen zwei Jahren nötig machen. Der amtierende Premierminister David Cameron hatte zuvor angekündigt, es sei Sache seines Nachfolgers, wann er zu Artikel 50 greifen wolle.

Johnson äußerte sich über die Europäische Union an der Grenze zur Verhöhnung. „Sie war eine prächtige Idee - zu ihrer Zeit“, sagte er in London. „Sie ist aber nicht mehr das Richtige für dieses Land.“ Großbritannien sei dagegen „eine mächtige, liberale, humane Kraft für das Gute auf der Welt.“

+++ Cameron spricht bei der Queen vor +++

Der britische Premierminister David Cameron hat am Freitag Queen Elizabeth II. im Buckingham-Palast über den Ausgang des Brexit-Referendums und über seinen bevorstehenden Rücktritt informiert. Es ist üblich, dass der Premierminister das Staatsoberhaupt über wesentliche Vorgänge in der Regierung informiert. David Cameron ist bereits der 13. Premierminister ihres Landes, den die 90 Jahre alte Königin kommen und gehen sieht. Sein Nachfolger wird Nummer 14 werden, sollte die betagte Monarchin gesund bleiben.

+++ EZB nach Brexit-Votum zum Handeln bereit +++

Heftige Finanzmarkt-Verwerfungen nach der Entscheidung der Briten für einen Brexit rufen auch die Europäische Zentralbank (EZB) auf den Plan. „Die EZB steht bereit, falls nötig, zusätzliche Liquidität in Euro und in Fremdwährungen bereitzustellen“, teilten die Euro-Wächter am Freitag mit. Die EZB habe sich auf diesen Notfall in engem Kontakt mit den Banken, die sie überwache, vorbereitet. Sie beobachte die Finanzmärkte genau und stehe in engem Kontakt mit anderen Zentralbanken.

Die EZB stuft das Bankensystem der Euro-Zone bezüglich Kapital und Liquidität als widerstandsfähig ein. Die Notenbank erklärte zudem, sie werde ihren Verpflichtungen nachkommen, Preisstabilität und Finanzstabilität im Währungsraum zu sichern.

Die erklärte, sie habe am Devisenmarkt interveniert, um den rasanten Anstieg des Franken zu bremsen.


Brexit trifft spanische Banken

+++ Brexit trifft spanische Banken, Santander bekennt sich trotzdem weiter zu +++

In Spanien, wo in zwei Tagen Neuwahlen anstehen, gehören die Banken zu den größten Verlierern, allen voran Santander und Banco Sabadell. Santander, die nach Marktkapitalisierung größte Bank der Eurozone, erzielt ein Viertel ihres Gewinns in Großbritannien. Das Königreich ist damit der wichtigste Markt für die Spanier. Durch die Abwertung des Pfunds reduzieren sich die Gewinne von der Insel, Santander verliert an der Börse 20 Prozent. Bankchefin Ana Botín erklärte jedoch: „Unser Einsatz für britische Unternehmen, Kunden und unsere Mitarbeiter bleibt so stark wie immer.“ Sie hatte bereits vor dem Referendum erklärt, die Bank werde in Großbritannien bleiben, komme was wolle."

+++ Airline-Holding IAG büßt ein Viertel des Börsenwertes ein und gibt Gewinnwarnung raus +++

Die Airline Holding IAG, zu der die Fluggesellschaften Iberia, British Airways, Vueling und Air Lingus gehören, ist das Unternehmen des spanischen Börsenindex Ibex 35, das am heftigsten vom Brexit betroffen ist. Bis zum Mittag hat IAG ein Viertel seiner Marktkapitalisierung verloren. Der Konzern erklärte, die Ticket-Verkäufe hätten schon in den Wochen vor dem Referendum nachgelassen. Die Gewinnprognose für dieses Jahr sei jetzt nicht mehr zu halten. Langfristig erwartet IAG aber keine bedeutenden Auswirkungen des Brexits sein Geschäft.

+++ EU-Parlament fordert von Austrittsantrag +++

Die großen Fraktionen der Konservativen und der Sozialdemokraten im Europaparlament haben den britischen Premier David Cameron aufgefordert, den Austrittsantrag aus der EU sofort zu stellen. Die britische Regierung solle den anderen EU-Staaten beim EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel offiziell mitteilen, dass das Land die EU verlassen will, forderte der Chef der EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU). Die EU benötige jetzt Stabilität. Auch Liberale und Grüne schlossen sich der Forderung an.

Dagegen sah der Vorsitzende der EKR-Fraktion, in der die britischen Konservativen den Ton angeben, keine Probleme. Es sei absolut richtig, dass die Verhandlungen Camerons Nachfolger überlassen blieben, sagte der Tory Syed Kamall. Langfristig spiele es keine Rolle, wenn die Austrittsverhandlungen "ein paar Wochen später" beginnen würden. Cameron hat angekündigt, bis zum Oktober im Amt zu bleiben. Über den Austritt solle dann sein Nachfolger mit der EU verhandeln.

+++ Bank von England stellt zusätzliche Milliarden bereit +++

Die britische Notenbank rechnet für Großbritannien nach dem Votum für einen EU-Ausstieg des Landes mit einer Zeit der Unsicherheit. Die Zentralbank stehe aber bereit, das Funktionieren der Märkte zu garantieren, sagte der Chef der Bank von England (BoE), Mark Carney am Freitag in London.

Zur Geldversorgung der Finanzwirtschaft könnten zusätzliche 250 Milliarden Pfund abgerufen werden. Wenn notwendig, könne die britische Notenbank auch erhebliche Liquidität in Fremdwährung bereitstellen. Die Bank von England will zudem prüfen, ob sie weitere Schritte in den kommenden Wochen einleiten wird.

+++ Peinlicher Ausrutscher von Brok +++

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments ist ein peinlicher‎ Ausrutscher passiert: „Großbritannien ist jetzt erst einmal ein Drittstaat für die EU wie Botswana", sagte Elmar Brok im „Deutschlandfunk“-Interview. Schnell bemerkte der CDU-Politiker seinen Fehler und schob nach: „Wenn ich mal ironisch sein darf.“ Die EU-Gegner in England werden es dennoch als Affront ausschlachten.


Cameron kündigt Rücktritt an

+++ kündigt Rücktritt an +++

David Cameron kündigt seinen Rücktritt an. Das Volk habe sich für einen Weg entschieden, für den er nicht gestanden habe. Das Land solle bis Oktober einen neuen Premierminister haben. Dieser solle dann die Verhandlungen mit der Europäischen Union über einen Austritt führen, sagte Cameron vor seinem Amtssitz. Er werde in den „nächsten Wochen und Monaten“ für Stabilität sorgen. Die britische Wirtschaft sei stark. Er werde seinen Beitrag leisten, damit die stürmischen Zeiten gut durchstanden werden, sagte ein sichtlich angeschlagener Cameron. Aber: „Das Land braucht eine neue Führung.“

„Ich denke nicht, dass es richtig wäre für mich, der Kapitän zu sein, der unser Land zu seinem nächsten Ziel steuert“, sagte Cameron bei dem Auftritt vor seiner Residenz in der Downing Street. „Ich denke, es ist richtig, dass der nächste Premierminister die Entscheidung trifft, wann der Artikel 50 ausgelöst wird“, sagte er mit Blick auf Artikel 50 des EU-Vertrags, in dem ein Austritt eines EU-Landes geregelt ist.

„Ich möchte auch in anderen europäischen Ländern lebenden Briten und hier lebenden europäischen Bürgern versichern, dass es keine unmittelbare Änderung ihrer Umstände geben wird“, sagte Cameron an der Seite seiner Ehefrau Samantha. Er habe sich in der Kampagne vor dem Referendum mit „Kopf, Herz und Seele“ für den Verbleib in der EU eingesetzt und „nichts zurückgehalten“.

Als Nachfolger wird Boris Johnson gehandelt, der ehemalige konservative Bürgermeister von London, der sich an die Spitze der EU-Gegner gesetzt hatte.

+++ Gabriel verlangt Kurswechsel von Merkel ++

SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Brexit-Entscheidung einen Kurswechsel in der Europapolitik. Damit geht der Vizekanzler deutlich auf Distanz zur bisherigen Krisenpolitik der Bundesregierung, die die SPD in der Großen Koalition bisher mitgetragen hatte.

Nur durch Sparen alleine entstehe für die junge Generation Europas keine Arbeit. "Ich erwarte, dass als Konsequenz aus dem heutigen Tag auch in der Bundesregierung noch einmal neu debattiert wird, wie unsere Investitionen in die Zukunft Europas - gemeinsam mit anderen - die Lage der Menschen verbessern können", sagte Gabriel am Freitag in Berlin.

Ohne die Union beim Namen zu nennen, sagte der Bundeswirtschaftsminister, Deutschland sei in der Euro-Schuldenkrise mit erhobenem Zeigefinger durch Europa gelaufen. In Frankreich, Spanien und Italien gebe es zwar großen Reformbedarf – es müssten aber auch mehr Impulse für Beschäftigung gesetzt werden.

Das Brexit-Votum der britischen Wähler nannte er „einen Schuss vor den Bug“. Man dürfe jetzt nicht nur Jammern. Ein Lichtblick sei, dass Dreiviertel der jungen Briten unter 25 Jahren Ja zu Europa gesagt hätten, meinte Gabriel. Ihnen gegenüber dürfe die EU „nicht die Zugbrücken hochziehen“.

+++ British-Airways-Mutter kappt nach Brexit Gewinnprognose +++

Der British-Airways-Mutterkonzern International Consolidated Airlines Group (IAG) nimmt wegen des Brexit-Votums die Gewinnprognose zurück. Aufgrund der Unsicherheiten nach der Wahl rechne IAG in diesem Jahr nicht mehr mit einem Gewinnanstieg, der in Pfund dem Plus des vorigen Jahres entspreche, teilte der Lufthansa -Konkurrent am Freitag mit.

Der Konzern, zu dem neben British Airways auch die spanischen Airlines Iberia und Vueling sowie Aer Lingus aus Irland gehören, rechne aber weiterhin mit einem Gewinnplus in diesem Jahr. Langfristig werde der Brexit keine großen Auswirkungen auf die Geschäfte der Holding haben. IAG-Aktien verloren an der Londoner Börse 20 Prozent.

+++ Bedauern und Freude in Israel +++

Der Rücktritt von Cameron wird in Jerusalem bedauert. Er habe eine „tiefe Freundschaft“ für Israel gezeigt, indem er zum Beispiel gegen die anti-israelische Boykottbewegung BDS angetreten sei, sagte Sicherheitsminister Gilad Erdan.

Die israelische Rechte kann dem Brexit Gutes abgewinnen. Der Austritt der Briten werde dazu führen, dass sich die EU weniger als bisher in den israelisch-palästinensischen Konflikt einmischen werde, heisst es in Jerusalemer Regierungskreisen. Die EU werde fortan vor allem mit sich selber beschäftigt sein. Eine EU ohne bedeute auch, dass in Brüssel das relative Gewicht Deutschlands an Bedeutung gewinnen werde. Das bedeute, dass der Einfluss des verlässlichsten Partners Israels in der EU steigen werde.

Avi Primor, ehemaliger Botschafter Israels bei der EU relativiert in einer ersten Stellungnahme die Meinung, dass es kein Zurück gebe. „Die Britten werden in ein paar Jahren zurückkehren wollen, die Jungen haben für einen Verbleib in der EU gestimmt.“ meinte er am Freitagmorgen in einem Rundfunkinterview.

+++ Start-up-Branche sieht Berlin als Gewinner +++

Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups, sieht Berlin als Standort für junge Gründer durch den Austritt Großbritanniens aus der EU im Aufwind. : „Die deutsche Start-up-Hauptstadt Berlin ist der Gewinner des Brexit, London der Verlierer“, sagte Nöll. „Die deutschen Startups werden den erschwerten Zugang zu 64 Millionen Konsumenten im Vereinigten Königreich verkraften und an anderen Stellen deutlich profitieren. Die eigentliche Rechnung zahlen ab heute die britischen Startups. Wir wünschen unseren Freunden dabei viel Erfolg." Dennoch rief er dazu auf, die Europäische Einheit zu verteidigen. „Die Politik ist gefordert, den Menschen viel intensiver als bisher zu erklären, was wir Startups schon wissen: Wie wertvoll die europäische Idee ist"

+++ Trump gratuliert Briten zum Brexit +++

US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump hat den Briten zum Brexit-Votum gratuliert. „Im Grunde haben sie sich ihr Land zurückgeholt. Das ist eine großartige Sache“, sagte Trump am Freitag beim Besuch eines Golfresorts in Schottland. „Auf der ganzen Welt sind die Menschen wütend. (...) Sie sind wütend darüber, dass Menschen ins Land kommen und übernehmen und niemand weiß, wer sie sind.“ Auf die Frage, ob das Votum seiner Kampagne helfe, sagte Trump: „Ich habe gesagt, dass das passieren würde. Wir müssen sehen, aber es ist eine großartige Sache.“

+++ Griechischer Bankenchef spricht von „schwerem Schlag“ +++

Michalis Sallas, Präsident der Piraeus Bank, des größten griechischen Kreditinstituts, kommentierte gegenüber dem Handelsblatt: „Das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union ist ein schwerer Schlag für die Einheit und die Wirtschaft Europas.“ Während an der Athener Börse am Freitagmorgen Panik herrschte und der Leitindex ATHEX zum Handelsbeginn um fast 15 Prozent abstürzte, sieht Sallas für sein Land allerdings keine großen Gefahren durch den Brexit: „Was Griechenland angeht, rechne ich wegen der geringen Größe unserer Wirtschaft und der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit begrenzten Folgen“, so Sallas zum Handelsblatt. Die „extremen und hektischen Reaktionen am griechischen Markt“ hält der Chef der größten Bank des Landes deshalb für „nicht gerechtfertigt.“

+++ Europäische Wirtschaft warnt vor Unsicherheit +++

Der Europäische Wirtschaftsverband Business Europe hat davor gewarnt, dass der bevorstehende Austritt Großbritanniens die Wirtschaft dauerhaft belasten könnte. „Der Brexit birgt Faktoren von Unsicherheit“, erklärte Verbandschefin Emma Marcegaglia. Die politische EU-Führung müsse nun ein ganz starkes Signal ausgeben: „für den Binnenmarkt, für die gemeinsame Handelspolitik und für den Euro“. Nötig seien außerdem „kluge Lösungen für einen geordneten britischen Ausstiegsprozess“. Die EU müsse jetzt „kühlen Kopf bewahren“, sagte die Präsidentin des Verbandes, dem auch der angehört.

+++ Steinbrück: Vielleicht wird manches ohne die Briten einfacher +++

Der frühere Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat die europäischen Regierungschefs aufgefordert, nach dem Austrittsvotum der Briten nach vorne zu schauen. „Natürlich ist das Ergebnis des britischen Referendums eine Enttäuschung. Andererseits: Die EU wäre ohnehin nicht mehr so weiter zu regieren gewesen wie bisher“, sagte Steinbrück, der heute Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages ist. „Vielleicht wird manches ohne die Briten langfristig sogar einfacher; sie haben ja in den vergangenen Jahren viele Vereinbarungen nur sehr halbherzig oder gar nicht umgesetzt", sagte er dem Handelsblatt.

Steinbrück verlangte von der EU Selbstbeschränkung. „Die EU muss sich jetzt auf alles konzentrieren, was auf dieser Ebene wesentlich ist: Außen- und Sicherheitspolitik, Migration, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Erhalt des Binnenmarkts, Stabilisierung des Euro, Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen globalen Playern“, sagte er. Anderes müsse zurück verlagert werden auf die nationale und die regionale Ebene.

„Merkel muss jetzt als erstes dafür sorgen, dass über das Scheidungsverfahren mit den Briten keine Anreize für andere Länder gesetzt werden, dem britischen Beispiel zu folgen“, warnte er. Es müsse völlig klar sein: „Out is out. Es darf keinerlei Extra-Angebote für die Briten geben.“
Als wesentlichen Grund für den Brexit sieht Steinbrück die emotionale Abwehrhaltung gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. „Das bewegt alle rechtspopulistischen Parteien in Europa.“ Dem müssten die anderen Parteien begegnen. „Eine positive Seite dieses Brexit-Votums wäre es, wenn das als Alarmsignal im Sinne einer Rekonstruktion der EU verstanden würde“, sagte Steinbrück.


Griechische Zeitungen schreiben von „Erdbeben“

+++ Spaniens Premier Mariano Rajoy wirbt für Europa +++

Zwei Tage vor den Neuwahlen im eigenen Land hat der spanische geschäftsführende Ministerpräsident Mariano Rajoy versichert, dass alle geltenden Verträge in Kraft bleiben, bis der endgültige Austritt Großbritanniens aus der EU abgeschlossen ist. Das werde wahrscheinlich mindestens zwei Jahre dauern. Bis dahin würden alle bestehenden Verträge zwischen der EU und unverändert bestehen bleiben Briten, die derzeit in Spanien leben, behielten alle Rechte und könnten auch in der britischen Enklave Gibraltar im Süden Spaniens „in absoluter Normalität“ arbeiten. Um das Territorium schwelt ein jahrelanger Streit, weil Spanien Gibraltar unabhängig vom Brexit als spanisch betrachtet. So hatte Rajoy vor dem Referendum in Großbritannien den Besuch des britischen Premiers in Gibraltar kritisiert.

Rajoy versuchte auch, die Märkte zu beruhigen: „Spanien hat heute eine Wirtschaft mit solidem Fundament“, sagte er mit Blick etwa auf das starke Wirtschaftswachstum, den Abbau der Arbeitslosigkeit und die erfolgte Sanierung des Bankensystems. Dies biete “eine solide Basis, um die finanziellen Turbulenzen zu überstehen, die sich jetzt ereignen können.“ Und da Rajoy nicht nur amtierender Premier, sondern auch Wahlkämpfer ist, fügte er noch hinzu: „Ein externer Vorfall wie dieser hätte Spanien vor einigen Jahren in den Bankrott oder den Rettungsschirm führen können, das ist heute nicht der Fall.“ Er sei überzeugt, dass das Ergebnis der Wahl am Sonntag zeigen werde, dass die Mehrheit der Spanier die europäische Integration wolle, die Stabilität der Eurozone und die „Fortsetzung des Reformprozesses in unserer Wirtschafts- und Währungsunion und eine stärkere wirtschaftliche und politische Integration.“

Die EU-Mitglieder müssten sich nun „so anstrengen wie nie zuvor, um die Kraft der Gründergeistes der europäischen Integration wieder herzustellen“ und die EU bei der Bevölkerung wieder attraktiv zu machen. „Jetzt, wo wir endlich aus der Krise rauskommen, müssen wir die Handlungen der EU wieder den Bedürfnissen der Bevölkerung annähern“, sagte Rajoy. Das gehe vor allem mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstums.

+++ Skandinaviens Politik reagiert betroffen +++

Dänemarks rechtsliberaler Regierungschef Lars Løkke Rasmussen zeigte sich enttäuscht über den Brexit. „Wir müssen die Wahl respektieren, die eine Mehrheit der Briten getroffen hat“, erklärte Rasmussen. „Ich will aber keinen Hehl aus meiner Meinung machen, dass das ein sehr trauriges Ergebnis für Europa und Dänemark ist“. Der Regierungschef, der sich in seinem eigenen Land einer großen EU-Skepsis gegenübersieht, sprach am Freitagmorgen von „ernsten Konsequenzen für Großbritannien und Europa“. Außerdem unterstrich er: „Dänemark ist in der EU zuhause. Die EU beinhaltet für Dänemark die beste Alternative, um die die Welt zu beeinflussen. Wir sind im Guten wie im Schlechten ein Teil der Gemeinschaft“.

Karen Hækkerup, Chefin der Vereinigung des dänischen Landwirtschaftsverbandes spricht von großer Unsicherheit für viele dänische Unternehmen. Als größter Schweinefleischproduzent Europas habe man enge wirtschaftliche Verbindungen mit Großbritannien. „Wir wissen, dass die Briten unseren Bacon lieben, und wir werden ihn natürlich weiterhin nach Großbritannien liefern“.

Schwedens sozialdemokratischer Regierungschef Stefan Löfvén bezeichnete den Austritt Großbritanniens aus der EU als „traurig“. „Für die EU ist das nicht gut, aber man sollte daran denken, dass der größte Teil der EU erhalten bleibt“, sagte er im schwedischen Radio. Er bezeichnete Forderungen der rechtspopulistischen Schwedendemokraten und der sozialistischen Linkspartei, ebenfalls das Verhältnis zur EU zu überdenken als „unverantwortlich“.

Die Vorsitzende des schwedischen Wirtschaftsverbandes, Carola Lemne sprach von „einem Schock“. Es ist beunruhigend, dass es sich offenbar lohnt, mit Gefühlen zu spielen. Das hier war der Sieg der Gefühle über die Vernunft“, erklärte sie gegenüber der schwedischen Tageszeitung „Svenska Dagbladet“.

Der finnische Regierungschef Juha Sipilä sprach von einer „Enttäuschung“ über das britische Referendum. Er unterstrich: „Finnland ist und bleibt ein verlässliches Mitglied der Europäischen Union“. Finnlands Außenminister Timo Soini von der rechtspopulistischen Partei der Finnen bezeichnete das Ergebnis als „Bewährungsprobe für Europa“. Der Brexit spiegle das tiefe Misstrauen gegenüber der EU wider, erklärte Soini.

+++ Merkel kündigt Erklärung an +++

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will um 12:30 Uhr vor die Kameras treten und eine Erklärung zum britischen Referendumsergebnis abgeben. Zuvor will sie sich mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsparteien beraten, die sie für 11:30 eingeladen hat.

+++ Britische Handelskammer fürchtet um Geschäft und Arbeitsplätze +++

Die in Deutschland vertretenen britischen Unternehmen fürchten nach dem Brexit um ihr Geschäft und um Arbeitsplätze. Der Austritt werde negative wirtschaftliche Folgen haben, erklärte am Freitag der Geschäftsführer der Britischen Handelskammer in Deutschland (BCCG), Andreas Meyer-Schwickerath. Er betonte die wirtschaftliche Verflechtung mit Deutschland. Der Austritt werde aber auch den politischen Druck auf die EU für Reformen erhöhen, um ein Auseinanderbrechen der Union zu verhindern. Auch die Deutschen erwarteten nachhaltige Reformen.

+++ Griechische Zeitungen schreiben von „Erdbeben“+++

„Die Bombe ist geplatzt“, meldet die Zeitung „Kathimerini“ auf ihrer Webseite. In ihrer Analyse verweist das Blatt darauf, dass die EU jetzt mindestens zwei Jahre lang damit beschäftigt sein wird, die Konditionen der Scheidung von Großbritannien auszuhandeln. Das Ergebnis könnte eine politische Lähmung sein, unter der das krisengeplagte Griechenland besonders leidet.

Ein „Erdbeben“ sieht die Wirtschaftszeitung „Imerisia“ und meldete am späten Vormittag einen Absturz des Athener Aktienindexes um 15 Prozent. Griechische Bankaktien brachen sogar um bis zu 30 Prozent ein. Das Szenario erinnere an die Lehman-Pleite, warnt die Zeitung.

Das Web-Portal „Capital.gr“ fürchtet ein „Armageddon“ an den Finanzmärkten und warnt vor dem „Taifun des Brexit“, der auch die griechische Wirtschaft verwüsten könnte.
Premierminister Alexis Tsipras hat sich bisher nicht geäußert. Der Sprecher der oppositionellen konservativen Nea Dimokratia, Giorgos Koumoutsakos, twitterte: „Die Hoffnungen wurden enttäuscht. Vor uns liegt eine große Prüfung.“

+++ Fratzscher spricht von Katastrophe für alle Europäer +++

DIW-Chef Marcel Fratzscher hat sich auf Twitter bestürzt über den Ausgang des britischen EU-Referendums gezeigt:

+++ Klausur der Unionsspitzen verschiebt sich +++

Nach dem Votum Großbritanniens für einen Ausstieg aus der Europäischen Union verzögert sich eine am Freitag geplante Klausur der Unionsspitzen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Beginn der Tagung in Potsdam verschiebt sich um zwei Stunden auf 17 Uhr, wie die CDU-Zentrale in Berlin mitteilte. Angesichts des Brexits hat Merkel kurzfristig zusätzliche Termine in der Hauptstadt, unter anderem eine Sitzung der Unionsfraktion um 13 Uhr.


Nigel Farage: Die EU stirbt

+++ Airbus überprüft Investitionspläne +++

Der Flugzeugbauer stellt seine Investitionspläne in auf den Prüfstand. Vorstandschef Tom Enders sagte am Freitag, Großbritannien werde sich jetzt „noch mehr auf die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft gegenüber der EU und der gesamten Welt fokussieren. Aber natürlich werden wir unsere Investitionsvorhaben in Großbritannien überdenken, so wie jeder andere auch.“ Er hoffe, dass der wirtschaftliche Schaden durch den Brexit klein bleibe.

+++ Das Auswärtige Amt lädt die EU-Gründerstaaten zu Beratungen nach Berlin ein +++

Außenminister Steinmeier lädt die Außenminister der europäischen Gründerstaaten nach Berlin ein. Am Samstag empfängt Steinmeier seinen französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault, seinen niederländischen Amtskollegen Bert Koenders, seinen italienischen Amtskollegen Paolo Gentiloni, seinen belgischen Amtskollegen Didier Reynders und seinen luxemburgischen Amtskollegen Jean Asselborn zu Gesprächen im Gästehaus „Villa Borsig“ am Tegeler See.

Damit beginnt die Planung für die Zeit nach Großbritanniens EU-Austritt. Das Treffen reihe sich ein in die Tradition der Gespräche der sechs europäischen Gründerstaaten, zu denen zuvor Italien und Belgien eingeladen hatten. Bei dem Treffen werde es um einen Austausch zu aktuellen europapolitischen Themen gehen, so ein Sprecher des AA. Tatsächlich rückt ein Kern-Europa näher.

+++ Nigel Farage: Die EU stirbt +++

Der britische Rechtspopulist Nigel Farage hat nach dem Brexit-Votum in Großbritannien ein Zerbrechen der Europäischen Union vorausgesagt. „Die EU versagt, die EU stirbt“, sagte er am Freitag vor dem Parlamentsgebäude in London. Weitere Austritts-Referenden könnten folgen, möglicherweise in den Niederlanden, in Dänemark, Österreich und Italien. „Wir wollen Freunde und Nachbarn sein“, sagte Farage, der für die eurokritische United Kingdom Independent Party (Ukip) im EU-Parlament sitzt. „Aber ohne Hymnen, ohne Flaggen und ohne nutzlose Präsidenten, die nicht gewählt sind“, sagte Farage.

+++ Polen sieht Votum der Briten als Warnsignal für ganze EU +++

Polen sieht im Ausgang des britischen Brexit-Referendums ein Warnsignal an die gesamte EU. Statt das Votum der Briten zu kritisieren, sollte die Volksabstimmung zum Handeln mobilisieren, hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme des Warschauer Außenministeriums. „In mehreren Mitgliedsländern kann Desillusionierung mit der europäischen Integration und sinkendes Vertrauen in die EU beobachtet werden.“ Polen sei bereit, nach den besten Wegen für die künftigen Beziehungen zwischen EU und Großbritannien zu suchen. Auch wenn die Entscheidung bedauerlich sei, habe Großbritannien „als souveränes Land das Recht, über seine Zukunft in der EU zu entscheiden“.

+++ Schäuble: „Europa wird jetzt zusammenstehen“ +++

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich enttäuscht vom Votum der Briten für den Austritt aus der EU gezeigt. „Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht“, erklärte er am Freitagmorgen in Berlin. Zugleich rief er dazu auf, mit der Entscheidung für den Brexit verantwortungsvoll umzugehen. „Europa wird jetzt zusammenstehen“, betonte der Minister.

Er sei im Kontakt mit seinen Partnern in der Gruppe der sieben führenden Industrienationen (G7), um mit der Situation umzugehen. Schäuble erklärte weiter, das EU-Verfahren für einen Austritt sei „eindeutig geregelt und wird angewendet werden“. Das schaffe Verlässlichkeit. „Gemeinsam müssen wir das Beste aus der Entscheidung unserer britischen Freunde machen.“

+++ Gauck nach Brexit: An europäischer Idee festhalten +++

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich betroffen über das britischen Votum für einen Austritt aus der EU geäußert. „Viele gute Europäer haben heute traurige Gefühle“, sagte Gauck am Freitag am Rande einer Veranstaltung in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Jetzt gehe es darum, an der europäischen Idee festzuhalten. Gauck wollte sich später noch ausführlicher zu dem Brexit äußern. Der bulgarische Präsident Rossen Plewneliew sagte, dies sei „ein schlechter Tag für Europa, für die europäische Wirtschaft und für die europäische Demokratie“.

+++ Krisengipfel auch in Rom +++

Der italienische Premier Matteo Renzi hat sofort am am Freitag früh einen Krisengipfel in seinem Amtssitz Palazzo Chigi einberufen, an dem Notenbankgouverneur Vincenzo Visco sowie von der Regierung Wirtschafts- und Finanzminister Pier Carlo Padoan, Außenminuster Paolo Gentiloni und Industrieminister Carlo Calenda teilgenommen haben. Ein offizielles Statement gab es noch nicht. Den eintägigen Parteitag seiner Partito Democratico (PD), für heute vorgesehen, bei dem die Niederlage bei den Kommunalwahlen diskutiert werden sollte, hat Renzi abgesagt.

+++ Eon hält Folgen in seinem britischen Geschäft für beherrschbar +++

Der Energiekonzern Eon rechnet nach dem Brexit nicht mit großen negativen Folgen für sein wichtiges Geschäft in Großbritannien. „Die Konsequenzen für Eon sind wohl beherrschbar“, sagte Vorstandschef Johannes Teyssen am Freitag in Essen. „Unser Geschäft in Großbritannien ist ein regionales.“ Allerdings liege in der Entwicklung des Pfundes ein Risiko. Eine schwächere britische Währung führt dazu, dass von Gewinnen auf der Insel bei der Umrechnung in Euro weniger übrig bleibt. Teyssen betonte zugleich, dass der Konzern auch Schulden in Pfund habe. Das wirke ausgleichend. Eon hat in Großbritannien rund fünf Millionen Strom- und Gaskunden.

„Das Votum ist eine immense Herausforderung - wirtschaftlich, aber mehr noch politisch“, sagte Teyssen. Es müsse nun nicht nur in den kommenden Monaten geklärt werden, wie die Europäische Union ihr politisches und wirtschaftliches Verhältnis zu dem Vereinigten Königreich gestaltet. „Vielmehr müssen die europäischen Entscheidungsträger überzeugende Wege finden, wie diese Staatengemeinschaft wieder zu einem Anliegen der Menschen wird - auch wenn wir uns daran gewöhnt haben, viele Jahrzehnte in wachsendem Wohlstand und Frieden zu leben. Man darf dies nie für eine Selbstverständlichkeit halten.“

+++ Bundestag kommt zu Sondersitzung zusammen +++

Der Bundestag wird nach Angaben von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder in der kommenden Woche zu einer Sondersitzung zur Brexit-Entscheidung zusammenkommen. Die Entscheidung sei bedauerlich, die Probleme in Europa würden größer, nicht kleiner. „Ich fürchte, die Bürger in Großbritannien werden das bald zu spüren bekommen“, sagt der CDU-Politiker.

+++ Raghuram Rajan: Brexit wird eine Warnung an EU-Skeptiker +++

Der prominente indische Notenbankchef Raghuram Rajan rechnet mit einer abschreckenden Wirkung des Brexits. „Die Kosten für die Briten dürften so hoch sein, dass sich andere Länder genau überlegen werden, aus der EU auszutreten“, sagte der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds im indischen TV. Die Aussichten für die Insel seien sehr schlecht.

Der Austritt der Briten sei außerdem ein größeres Risiko für die Weltwirtschaft als die Griechenland-Krise. „Das Vereinigte Königreich hat eine der größten Volkswirtschaften der Welt und ist sehr eng an die Eurozone angebunden“, sagte Rajan. „Die Auswirkungen sind größer, als wenn ein kleiner Staat in der Peripherie Pleite gehen könnte.“

Prinzipiell hält der prominente Geldpolitiker die derzeitigen Turbulenzen aber für kontrollierbar. Er rechnet mit entsprechenden Gegenmaßnahmen der Notenbanken. Angesichts der Verwerfungen an den Devisen-Märkten warnte er jedoch vor einem Abwertungswettlauf. Indien sieht er aufgrund guter Fundamentaldaten für unruhige Zeiten gewappnet.


G7 berufen Telefonkonferenz ein

+++ John Cryan: „Wir sind gut vorbereitet“ +++

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank meldete sich am Freitagmorgen zu Wort: „Das ist kein guter Tag für Europa. Die Konsequenzen lassen sich noch nicht vollständig absehen. Sie werden aber für alle Seiten negativ sein. Sicherlich sind wir als Bank mit Sitz in Deutschland und einem starken Geschäft in gut darauf vorbereitet, die Folgen des Austritts zu mildern.

Lassen Sie mich als Brite und Europäer aber noch eines hinzufügen: Ich bin ein überzeugter Anhänger der europäischen Idee. Diese hat uns mehr als 50 Jahre Frieden und Wohlstand gebracht. Deshalb schmerzt es mich, dass Europa für viele meiner Landsleute offenbar an Attraktivität verloren hat. Das ist ein klares Signal an die Europäische Union, wieder näher an die Menschen zu rücken und die Demokratie zu stärken.“

+++ Shell: „Wir respektieren die Entscheidung +++

„Obwohl Shell einen Verbleib in der Europäischen Union bevorzugt hätten, respektieren wir die Entscheidung einer Mehrheit des britischen Volkes, welche sich für einen Austritt entschieden haben“, sagte ein Sprecher in London am Freitag. „Wir werden mit der britischen Regierung und den europäischen Institutionen bei allen Fragen, die uns angehen sollten, zusammenarbeiten“. Shells erste Priorität sei es, seine Kunden in Europa und Großbritannien zuverlässig mit bezahlbarer Energie zu versorgen. Der britisch-niederländische Ölkonzern mit Sitz in London ist einer der größten Konzerne auf der Insel.

+++ RWE-Chef schockiert über Brexit +++

Der Chef des Energieriesen , Peter Terium, hat mit Enttäuschung auf das Votum einer knappen Mehrheit der Briten für einen EU-Austritt reagiert. „Ich bin schockiert, dass sich die Briten entschieden haben, die EU zu verlassen“, erklärte Terium am Freitag. „Niemand weiß genau, welche wirtschaftlichen Folgen der Brexit langfristig haben wird“, fügte er hinzu. Für das britische Geschäft seines Konzerns sei er aber „sehr zuversichtlich“: „Sollte es zu Handelshürden kommen, würden uns diese wohl nur am Rande treffen.“

Entscheidend sei für RWE das regionale Geschäft vor Ort: „Daher sollten die ökonomischen Einflüsse eines Brexit auf unser Geschäft auch vergleichsweise gut beherrschbar sein“, sagte Terium. RWE ist in Großbritannien unter anderem mit dem Versorger Npower vertreten und beschäftigt dort über 9000 Mitarbeiter.

+++ Marine Le Pen triumphiert +++

Frankreichs Präsident Francois Hollande hat alle Minister, die mit der EU zu tun haben, für 9 Uhr zu einer Krisensitzung zusammengerufen. Danach will Hollande sich äußern. Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National, triumphiert dagegen auf Twitter. „Sieg der Freiheit! Wie ich es seit Jahren fordere, muss es jetzt dasselbe Referendum in Frankreich und allen Ländern der EU geben.“

Aus Sicht von Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault muss Europa nun reagieren und um neues Vertrauen werben. Das Ergebnis sei traurig für Großbritannien, schrieb Ayrault auf seinem -Account. Europa bestehe fort, „aber es muss reagieren und das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen“, schrieb Ayrault.

+++ Commerzbank-Chefvolkswirt: EU muss Handel mit UK weiter fördern +++

Die Europäer sollten nach Ansicht von -Chefvolkswirt Jörg Krämer trotz des Neins der Briten zur Europäischen Union Großbritannien nicht ganz die Tür verschließen. „Die EU darf jetzt nicht die beleidigte Leberwurst spielen“, mahnte Krämer am Freitag. „Sie sollte Großbritannien wie dem Nicht-EU-Land Norwegen das Recht gewähren, weiter Zugang zum EU-Binnenmarkt zu haben.“ Schließlich sei Großbritannien der zweitwichtigste Handelspartner der EU - nach den USA und vor China.

Kurzfristig werde das Brexit-Votum für wirtschaftliche Unsicherheit sorgen, er erwarte für den Euroraum aber keinen Rückfall in die Rezession. Dennoch treffe das britische Nein die EU in einer sehr schwierigen Phase: „Das überraschend deutliche Votum der Briten gibt den Anti-EU-Parteien in vielen EU-Ländern Rückenwind“, erklärte Krämer.

+++ SPD-Parlamentarier: Menschen nehmen EU als Club der Verlierer wahr +++

Die EU müsse nach dem Brexit-Votum grundsätzlich über ihre eigene Konstruktion nachdenken, sagte SPD-Europaparlamentarier Jakob von Weizsäcker dem Handelsblatt. „Der Brexit ist nicht das Ende der EU, aber er ist ein lauter Warnschuss“, sagte der SPD-Politiker. Die EU werde von den Bürgern „immer mehr als Loser-Club wahrgenommen“. Deshalb müsse die Staatengemeinschaft ihre Zukunft grundsätzlich überdenken. „Dabei dürfen EU-Vertragsänderungen nicht tabu sein und darf auch nicht davor zurückscheuen, manche alte Zöpfe abzuschneiden.“ In manchen Bereichen brauche man vielleicht mehr Europa, in anderen aber auch weniger.

+++ Grüne wollen Grundsatzdebatte in Europa +++

Die Grünen verlangen nach dem britischen Votum für einen EU-Austritt eine Grundsatzdebatte über die europäische Demokratie. „Die Leave-Kampagne war auch eine Kampagne der nationalen Selbstbestimmung“, sagte der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold dem Handelsblatt. Nicht nur in Großbritannien hätten die Menschen das Gefühl, nicht genügend Einfluss auf die EU-Entscheidungen nehmen zu können. Auf diesen „empfundenen Mangel an Demokratie“ müsse die EU reagieren. Dabei reiche es nicht aus, die Bürokratie in Brüssel abzubauen.

+++ WPP-Chef zeigt sich enttäuscht +++

„Das sind keine gute Nachrichten - um es vorsichtig auszudrücken“, sagt Martin Sorrell, Chef der größten Werbeholding WPP, die ihren Stammsitz in London hat, gegenüber dem „Horizont“. Vom Ausgang der Abstimmung sei er sehr enttäuscht.

+++ Deutsche Industrie: Handel mit Großbritannien wird leiden +++

Die deutsche Industrie rechnet nach der Brexit-Entscheidung mit „harten und unmittelbaren“ Einschnitten im Handel mit Großbritannien. „Wir erwarten in den kommenden Monaten einen deutlichen Rückgang des Geschäfts mit den Briten. Neue deutsche Direktinvestitionen auf der Insel sind kaum zu erwarten“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Markus Kerber, am Freitagmorgen.

Fast 400.000 Menschen arbeiten im Vereinigten Königreich in Niederlassungen deutscher Unternehmen. „Die Beschäftigten stehen vor unsicheren Zeiten“, sagte Kerber. Besonders betroffen vom Brexit seien wohl die Branchen Auto, Energie, Telekom, Elektronik, Metall, Einzelhandel und Finanzen. Die Überschrift für die kommenden Austrittsverhandlungen müsse „maximale Schadensbegrenzung“ lauten.

+++ Sinn Fein fordert Vereinigung Nordirlands mit Irland +++

Nach dem Votum der Briten für den Austritt aus der EU will die nordirische Partei Sinn Fein die Nordiren über eine Vereinigung mit Irland abstimmen lassen. Zur Begründung nannte Sinn-Fein-Chef Declan Kearney am Freitagmorgen, die von London aus regierten Nordiren hätten bei dem Referendum für den EU-Verbleib gestimmt. Der Norden werde allein durch das Abstimmungsergebnis in England aus der EU gedrängt.

„Sinn Fein wird jetzt unsere alte Forderung nach einer Umfrage über die Grenze vorantreiben“, sagte Kearney. Nordirland gehört mit Schottland, Wales und England zu Großbritannien. Neben den Nordiren hatten auch die Schotten bei dem Referendum für den EU-Verbleib gestimmt.

+++ G7 berufen Telefonkonferenz ein +++

Der Sieg für das Brexit-Lager und sich abzeichnende Turbulenzen an den Finanzmärkten rufen die Gruppe der führenden Industriestaaten (G7) auf den Plan. Es sei eine Telefonkonferenz geplant, erfuhr das Handelsblatt aus G7-Kreisen. Sie werde voraussichtlich gegen Mittag stattfinden. Die Finanzminister und Notenbankchefs wollen das Ergebnis des Referendums beraten und ihre Reaktionen abstimmen. Großbritannien und Japan, das derzeit die G7-Präsidentschaft innehat, seien bereits in Vorbereitungen für eine G7-Reaktion.

Bereits in den vergangenen Tagen hatten Vertreter der Finanzminister und Notenbankchefs sich auf einen möglichen Brexit vorbereitet. Als entscheidend für die Beruhigung der Märkte gelten vor allem die Reaktionen der US-Notenbank Federal Reserve, der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der britischen Notenbank.

+++ CSU-Abgeordneter gegen Zugeständnisse für Briten +++

„Heute ist ein rabenschwarzer Tag“, sagte Stephan Mayer (CSU), Chef der deutsch-britischen Parlamentariergruppe im Bundestag dem Handelsblatt. „Natürlich werden wir mit unseren britischen Kollegen zusammenarbeiten“, sagte er. Die Phase der Austrittsverhandlungen werde vermutlich schwierig. „Aber es muss auch klar sein, dass es keine Zugeständnisse an die Briten geben kann.“ Allein schon, um in der EU niemanden als Nachahmer zu ermutigen. „Großbritannien kann dann nach dem Austritt erneut Mitglied im Binnenmarkt werden wie Norwegen: Dann aber mit allen Pflichten und vollständiger Freizügigkeit für alle EU-Bürger“, sagte er. Gewonnen habe das Land damit nichts, dann mitstimmen in der EU dürfe es dann nicht mehr.

Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) mahnte alle Politiker in Deutschland, Ruhe zu bewahren. „Wir sollten uns jetzt nicht von Wut und Enttäuschung leiten lassen“, sagte er dem Handelsblatt. „Es ist eine demokratische Entscheidung der Briten, die wir zu respektieren haben“, sagte er. Am besten sollten alle das Wochenende nutzen, sich zu beruhigen: „Die Europäische Union wird den Brexit wegstecken“, sagte er.

+++ Schottland stimmt für die EU - und debattiert über Austritt +++

Das britische Votum für den Brexit gibt den schottischen Unabhängigkeitsbefürwortern neuen Auftrieb. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon sagte am Freitagmorgen, Schottland habe eindeutig für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU votiert. Dies verdeutliche, dass ihre Landsleute ihre Zukunft als Teil der EU sähen.

Tatsächlich hatten alle 32 Wahlbezirke in Schottland gegen den Brexit gestimmt. Erst 2014 hatten sich die Schotten in einem Referendum für den Verbleib in Großbritannien entschieden.

Die Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling sprach sich bereits für eine Loslösung Schottlands von der Londoner Zentralregierung ein. „Schottland wird die Unabhängigkeit anstreben“, witterte sie. Premierminister s' „Vermächtnis“ werde es sein, zwei Staaten-Bündnisse zerbrochen zu haben, sagte sie mit Blick auf die EU und das Vereinigte Königreich. Beides hätte nicht sein müssen, sagte die berühmte schottische Schriftstellerin.

+++ Brexit-Anhänger spricht von „Warnschuss für ganz Europa“ +++

Syed Kamall hat gewonnen, aber triumphieren will er nicht. Der britische Europaabgeordnete, Vorsitzender der europaskeptischen ECR-Fraktion im EU-Parlament, hatte in den vergangenen Monaten für den Austritt seines Landes aus der EU geworben. Dass die Wähler ihm und den anderen Wortführern der Leave-Kampagne tatsächlich mit klarer Mehrheit gefolgt sind, das hat aber auch Kamall „überrascht“, wie er freimütig zugibt.

Der Tory-Politiker spricht von einem „Warnschuss für ganz Europa“ - die EU müsse sich dringend reformieren. Nun müssten die Verhandlungen zwischen London und Brüssel aufgenommen werden, wie die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs aufgelöst werden könne. EU-Kommissionspräsident habe ihm vor dem Referendum versichert, die EU würde den Abschied Großbritanniens bedauern, sei aber auch in diesem Fall an „freundschaftlichen Beziehungen“ mit London interessiert. Er gehe davon aus, dies gelte auch nach dem Referendum.

+++ Schulz: Austrittsverhandlungen werden schnell starten +++

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz rechnet mit einem schnellen Start der Austrittsverhandlungen mit Großbritannien. „Wir haben uns auf einen Brexit vorbereitet“, sagt Schulz im ZDF. Er rechne allerdings nicht damit, dass es nun zu einer Kettenreaktion komme.


Deutsche EU-Befürworter unter Schock

+++ EU-Konservative fordern schnellen Ausstieg Großbritanniens +++

Die Konservativen und Christdemokraten im Europaparlament haben nach dem historischen Brexit-Votum einen schnellen Ausstieg Großbritanniens aus der EU gefordert. „Wenn die Briten raus wollen, dann müssen sie raus, und das muss schnell passieren“, sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), am Freitag im Brüsseler EU-Parlament. Dort trafen führende Parlamentarier zu Krisenberatungen zusammen. Man brauche keine weiteren Unsicherheiten in der Europäischen Union.

Im Radiosender B5 sprach sich Weber für eine EU-Reform für mehr demokratische Legitimation der Entscheidungen aus. „Die Menschen fühlen sich bei den europäischen Entscheidungen nicht mitgenommen.“ Deswegen müssten künftig mehr Entscheidungen im Europäischen Parlament fallen. Zudem sei ein „klarer Aufgabencheck“ nötig, wofür Europa gebraucht werde. Weber nannte hier als Beispiel eine bessere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror. Die Idee hinter der EU, nach brutalen Kriegen zusammen zu arbeiten, bleibe richtig. „Es gibt kein Reserveeuropa. Es gibt nur die Chance, entweder dieses Europa, das wir heute haben, zu reformieren, oder es zu zerstören.“

Die Aktienmärkte zeigten, dass der Verlierer sei, nicht die EU, sagte Weber. Den britischen Politikern warf er Versagen vor. Premier etwa habe jahrelang Kampagnen gegen Brüssel gemacht. Drei Monate vor der Wahl habe er sich dann für einen Verbleib in der EU stark gemacht - „das ist unglaubwürdig“.

+++ Ifo-Chef Fuest: Briten müssen Teil von EU-Binnenmarkt bleiben +++

Ifo-Präsident Clemens Fuest reagierte entsetzt: „Die Entscheidung der britischen Wähler für den Brexit ist eine Niederlage der Vernunft“, sagte er. Die Politik müsse jetzt alles tun, um den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Dazu gehöre es, dass Großbritannien so weit wie möglich Teil des EU-Binnenmarktes bleibe. „Es ist wichtig, die Verhandlungen darüber möglichst schnell zum Abschluss zu bringen, damit die Phase der Unsicherheit über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen möglichst kurz bleibt“, sagte er.

+++ Von Storch fordert Rücktritt von Schulz +++

Beatrix von Storch, Vize-Bundesvorsitzende der AfD und Vorsitzende des AfD-Landesverbands Berlin, forderte den Rücktritt von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und EU-Kommissionspräsident . „Die Europäische Union ist als politische Union gescheitert. Juncker und Schulz haben das zu verantworten. Sie müssen zurücktreten“, sagte von Storch. Der 23. Juni sei ein historischer Tag. „Es ist der Unabhängigkeitstag Großbritanniens. Das Volk wurde gefragt – und hat entschieden“, so die AfD-Vizechefin.

Bernd Lucke, Chef der Alfa-Partei, bedauerte den Ausgang des Referendums und spricht von einem „schweren Rückschlag für die EU“. Jetzt müssten die Dinge angegangen werden, die die Briten herausgetrieben hätten: „das starrsinnige Festhalten“ Deutschlands und Frankreichs am Euro und das „Hineinregieren in alle möglichen Angelegenheiten“ durch Brüssel. Geboten sei jetzt eine „Verschlankung“ der EU, sagte der inzwischen ausgetretene Gründer der AfD, dem Handelsblatt in Brüssel.

Brüssel solle sich auf seine „Kernkompetenzen“ konzentrieren. In Feldern wie Sozial-, Verkehrs- oder Landwirtschaftspolitik sollten hingegen die Mitgliedsstaaten künftig wieder alleine zuständig sein, forderte Lucke. Zugleich solle Deutschland künftig nur noch seinen Nettobeitrag nach Brüssel überweisen, um unabhängiger über die Mittelverwendung entscheiden zu können.

+++ Lambsdorff gibt Cameron persönlich Schuld für Brexit +++

Der Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff, hat den britischen Regierungschef David Cameron persönlich für den Ausgang des Brexit-Referendums verantwortlich gemacht. „Man kann nicht zehn Jahre lang auf Europa herumhacken und dann darauf hoffen, in sechs Wochen alles zu drehen. Die Wähler haben ein Gespür dafür“, sagte der FDP-Politiker am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“.

Lambsdorff schlug einen „großen Reformkongress“ für die Europäische Union vor. „Wir müssen einen Neustart für Europa organisieren. Ein Konvent muss her, der sich nicht nur auf Brüssel beschränkt, sondern die Bürger mit einbezieht.“ Für die EU sei der Abschied von Großbritannien ein „schwerer Verlust“. Das europäische Projekt sei aber nicht gescheitert.

+++ Ökonom Enderlein sieht Ausstieg positiv +++

Der Ökonom Hendrik Enderlein sieht dagegen gerade den wahrscheinlich zähen Prozess bis zum tatsächlichen Austritt der Briten positiv: „Auch nach dem Referendum muss es nicht zwangsläufig zu einem echten Brexit kommen“, sagte er. Die Prozedur nach Artikel 50 sei langwierig und schwierig. „Wir müssen uns auf Gespräche von mindestens zwei Jahren einstellen. Während dieser Zeit kann viel passieren“, sagte er. Weil Großbritannien viel zu verlieren habe, sei es nicht ausgeschlossen, dass das Land den Austrittsantrag nach einem erneuten Referendum wieder zurückzieht. „Realpolitik ist zäh. Und das ist gut so“, sagte er.

+++ Deutsche EU-Befürworter unter Schock +++

Aus dem Lager der britischen EU-Befürworter gab es zunächst nur Schweigen. Der deutsche Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick reagierte geschockt: „Wir müssen jetzt in der EU alles tun, damit kein Dominoeffekt eintritt“, sagte er dem Handelsblatt. Die verbleibenden 27 Staaten müssten schnell eine attraktive Perspektive für die EU entwickeln und klar machen, dass die EU ein Weg ist, die Globalisierung zu gestalten. „Außerdem braucht die EU nach acht Jahren Krise dringend ein Wohlstandversprechen“, sagte der Bundestagsabgeordnete. Die Sparpolitik, die Merkel durchgesetzt habe, habe zur Lage der EU mit schwachem Wachstum, fehlenden Investitionen und hoher Arbeitslosigkeit in vielen EU-Staaten beigetragen. „Als allererstes aber müssen die EU-Regierungen nun Klarheit schaffen, wie der Austritt organisiert wird“, sagte er. Denn eine längere Phase der Unsicherheit würde die EU-Wirtschaft insgesamt hart treffen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich enttäuscht über den Ausgang des Brexit-Referendums geäußert. „Die Nachrichten aus Großbritannien sind wahrlich ernüchternd“, sagte Steinmeier am Freitag in Berlin. „Es sieht nach einem traurigen Tag für Europa und für Großbritannien aus.“ Der SPD-Politiker wird am Freitag zu einem EU-Ministertreffen in Luxemburg erwartet, bei dem über die Folgen des Referendums beraten werden soll. Am Samstag kommen in Berlin die Außenminister der sechs EU-Gründerstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Länder) zusammen.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) twitterte nur: „Damn!“

Der europäische Grünen-Chef Reinhard Bütikofer erwartet nach dem Brexit-Referendum eine drastische Verschärfung der ohnehin schon schwierigen Lage der EU. „Der 23. Juni wird als tiefschwarzer Tag in die Geschichte Europas eingehen“, sagte der EU-Abgeordnete der dpa. Die populistische Anfechtung werde weitergehen und nur überwunden werden, wenn Europa schnell konkrete Ergebnisse liefere. Als Beispiel für wichtige Projekte nannte Bütikofer die Europäisierung der inneren und äußeren Sicherheit sowie die Weiterentwicklung der Wirtschaft „in ökologischer und sozialer Verantwortung“.

+++ Wilders und Front National fordern eigene Referenden +++

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders fordert nach dem Sieg des Brexit-Lagers ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft seines Landes. Auch der rechtsextreme Front National will eine Abstimmung für Frankreich. „Die Freiheit der Völker siegt am Ende immer“, twittert Parteivize Florian Philippot.

Der erste Politiker in Italien, der sich zum Brexit äußerte, war Matteo Salvini, der Chef der antieuropäischen Lega Nord. Auch er jubelte via Twitter: „Es lebe der Mut der freien Bürger! Herz, Kopf und Stolz schlagen Lüge, Drohungen und Erpressungen- Danke UK, jetzt sind wir dran.“

+++ Tories fürchten den Machtverlust +++

Bei den Tories, der konservativen Partei von Premier David Cameron, wuchs unterdessen die Angst vor dem Machtverlust. Mehr als 80 konservative Abgeordnete, die einen Brexit unterstützt hatten, baten den britischen Premierminister David Cameron, im Amt zu bleiben. Cameron hatte bis zuletzt für den Verbleib der Briten in der EU geworben. Er dürfte der große Verlierer des Referendums sein, seinen Rücktritt im Brexit-Fall hielten die meisten Experten vor der Auszählung für unvermeidlich.

Die 80 Abgeordneten dankten Cameron in einem gemeinsam unterzeichneten Brief dafür, „dem britischen Volk die Wahl gegeben zu haben“, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden. Wie auch immer die Volksabstimmung ausgehe, Cameron habe den Auftrag und die Pflicht, „die Nation weiterhin zu führen“.

Der Brief wurde nach der Schließung der Wahllokale im Internet von dem Abgeordneten Robert Syms veröffentlicht und demnach am Donnerstagabend Cameron übermittelt. Zu den Unterzeichnern gehört auch der erklärte EU-Gegner und frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson. Auch Justizminister Michael Gove unterschrieb die Forderung an Cameron.

+++ Farage triumphiert ++++

Der erste, der sich öffentlich über den sehr wahrscheinlichen Austritt Großbritanniens aus der EU freute, war am frühen Freitagmorgen Nigel Farage. „Ich wage es jetzt zu träumen, dass die Sonne über einem unabhängigen Vereinigten Königreich aufgeht“, sagte der Chef der rechtspopulistischen Partei UKIP. Noch um Mitternacht hatte Farage erwartet, das sein Lager der Brexit-Befürworter knapp verlieren würde. Nach Auszählung von über 70 Prozent der Stimmen jubelte er: Der Unabhängigkeitstag für Großbritannien sei nah.

+++ Wahlforscher erklären Sieg für EU-Gegner +++

Um 5:45 Uhr mitteleuropäischer Zeit hatten die BBC-Wahlforscher erklärt, dass ein Sieg des Brexit-Lagers so gut wie sicher sei. „Der Gedanke an ein Verlassen der EU ist nicht mehr nur ein akademischer“, sagte der angesehene britische Wahlforscher John Curtice, Professor von der schottischen Strathclyde-Universität.

KONTEXT

Wenn das Volk über die Politik der EU abstimmt

Niederlande

Im April 2016 votieren die Wähler in einer Volksabstimmung gegen ein Partnerschaftsabkommen der EU mit der Ukraine, das die übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten schon ratifiziert haben. Europakritische Initiativen in den Niederlanden hatten das rechtlich nicht bindende Referendum erzwungen. Schon 2005 hatten die Niederländer einem ersten Entwurf für den EU-Vertrag von Lissabon ihre Zustimmung verweigert. 2008 billigte das Parlament dann den Reformvertrag, ohne das Volk erneut abstimmen zu lassen.

Frankreich

Wenige Tage vor dem Nein der Niederländer hatten Ende Mai 2005 bereits die Franzosen den Entwurf für eine EU-Verfassung scheitern lassen. Knapp drei Jahre später stimmte das Parlament für den Lissabon-Vertrag - ohne einen weiteren Volksentscheid.

Irland

Die Iren stimmen dem Vertrag von Lissabon im Oktober 2009 mit überraschend großer Mehrheit zu - allerdings erst im zweiten Anlauf. Vierzehn Monate zuvor hatte eine Mehrheit dagegen votiert und die EU in eine politische Krise gestürzt. Bereits im Juni 2001 hatten die Iren den Vertrag von Nizza abgelehnt, der den Weg für die Erweiterung der EU ebnen sollte. Im Oktober 2002 sprachen sich dann in einem zweiten Referendum 62,9 Prozent doch noch für die Annahme aus.

Griechenland

Inmitten der Schuldenkrise erteilen die Griechen den Sparvorgaben der internationalen Gläubiger im Juli 2015 eine klare Absage. Regierungschef Alexis Tsipras hatte für ein negatives Votum bei dem Referendum geworben. Die Euro-Finanzminister erklären die Verhandlungen für gescheitert. Ein Krisengipfel in Brüssel kann den Austritt Griechenlands aus der Eurozone in letzter Minute verhindern.

Dänemark

Aus Sorge um den Erhalt ihrer nationalen Identität lehnen die Dänen den Euro bei einer Volksabstimmung im Jahr 2000 mit knapper Mehrheit ab. Auch beim ersten Referendum über den Maastrichter Vertrag hatten sie im Juni 1992 mit Nein votiert. Erst nach der Vereinbarung weitgehender Ausnahmeregelungen stimmten die Dänen zu.

Grönland

1982 votiert Grönland - als autonomer Teil Dänemarks Mitglied der Europäischen Gemeinschaft - in einem Referendum für den Austritt. 1985 verlassen die Grönländer die Union, bleiben aber assoziiert.

Schweden

Mit 56,2 Prozent lehnen die Schweden den Euro 2003 in einem Referendum ab. Wie die Dänen behalten sie ihre Landeswährung, die Krone.

Norwegen

Bereits in zwei Volksentscheiden haben sich die Norweger gegen einen Beitritt zur Europäischen Union entschieden - 1972 und 1994. Ein weiteres Referendum ist bisher nicht in Sicht: Bis heute lehnen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung einen EU-Beitritt ab.

Schweiz

Mit großer Mehrheit stimmen die Schweizer 2001 in einem Volksentscheid gegen den Antrag einer Bürgerinitiative, "unverzüglich" Verhandlungen über einen EU-Beitritt aufzunehmen. Die Schweiz hatte die EU-Mitgliedschaft schon 1992 beantragt. Das Beitrittsgesuch wurde aber auf Eis gelegt, nachdem das Volk eine Annäherung an die EU kurz darauf abgelehnt hatte.

Großbritannien

Erst nach Nachverhandlungen der Vertragsbedingungen durch Premier Harold Wilson sprechen sich die Briten in einem Referendum 1975 mehrheitlich für einen Verbleib in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus. London war der EWG 1973 beigetreten.