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Falsches Spiel mit der Angst vor Armut

Kanzlerkandidat Martin Schulz verspricht ein höheres Rentenniveau, eine neue Studie warnt vor Altersarmut. Doch die Fakten zeigen: Die meisten Bürger sind gar nicht betroffen und bräuchten andere Unterstützung.

Der von schlechten Umfragewerten geplagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz setzt nun auf einen Rentenwahlkampf. Beim Parteitag in Dortmund beschlossen die Delegierten, das gesetzliche Rentenniveau bis 2030 bei 48 Prozent stabilisieren zu wollen. Und Zufall oder nicht, die Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht just am Tag darauf eine Studie, derzufolge in 20 Jahren jeder fünfte Neu-Rentner von Altersarmut bedroht werde. Das nutzt die Linke wiederum, der Union Untätigkeit in der Rentenpolitik vorzuwerfen. Zu recht?

Fakt ist, dass es den Rentnern in Deutschland derzeit besser denn je geht. Die Altersarmut liegt im niedrigen einstelligen Bereich. Fakt ist auch, dass Politiker bisher in jedem Wahlkampf seit den 70er Jahren mit der Apokalypse von Altersarmut zu punkten versuchten. Zu den Fakten gehört ferner, dass die Renten auch nicht sinken werden. Wer vom Rentenniveau spricht, redet stets vom Verhältnis der Renten zu den Löhnen; und dieses Verhältnis soll sich in den nächsten Jahren zugunsten der Löhne verändern. Angesichts einer steigenden Zahl von Rentnern – absolut und im Vergleich zu den Beschäftigten – ist dies sowohl logisch als auch unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit vertretbar.

Zunächst, wie immer wenn mit dem Armutsbegriff politische Diskussionen angeheizt werden sollen, sollte man die Bertelsmann-Studie genau lesen. Zwar lautet die Schlagzeile, dass jeder fünfte Neu-Rentner in 20 Jahren von Armut bedroht sei. Eine Bedrohung ist aber noch lange nicht ein tatsächlicher Zustand. Was die Bertelsmann-Studie behandelt, ist die "Armutsrisikoquote": "Danach gelten Personen als armutsgefährdet, wenn ihr bedarfsgewichtetes verfügbares Einkommen geringer als 60 % des Medianeinkommens in der Bevölkerung ist." Das Median-Einkommen erhält man, wenn man die Bevölkerung nach der Höhe ihres Einkommens sortiert und dann zwei gleich große Gruppen bildet, die Person, die genau in der Mitte dieser Verteilung steht, bezieht das Medianeinkommen. Nach dieser Methode ist also dafür gesorgt, dass stets ein großer Teil der Bevölkerung als armutsgefährdet gilt.

Ebenso schnell gilt man in der deutschen Diskussion übrigens auch als Besserverdiener. Der Steuerstaat sieht schon bei einem Jahreseinkommen von 53.666 Euro den höchsten Tarif von 42 Prozent vor. Die Grenze des Spitzensteuersatzes hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich Richtung Mitte verschoben. Die sogenannte Reichensteuer mit einem Steuersatz von 45 Prozent greift bereits ab 256.304 Euro Jahreseinkommen pro Person.

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Tatsächliche Altersarmut niedriger

Wirkliche Altersarmut liegt viel niedriger als die genannte Risikoquote. Hunger und Elend droht zudem in unserem Sozialstaat niemandem. Ein ausgeklügeltes System an sozialen Leistungen und Ergänzungsleistungen sorgt dafür, dass jeder Bürger hierzulande ein menschenwürdiges Leben führen kann; das ist auch vom Grundgesetz garantiert. Das ist ein hohes Gut in Deutschland. Dass nun Politiker die Solidarität der Gesellschaft kritisieren und es für unzumutbar halten, dass von Armut betroffene Ältere solche Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen und statt dessen eine höhere Grund- oder Lebensleistungsrente fordern, ist im Prinzip nur ein Versuch, die Solidarität in ein anderes Gewand zu kleiden. Gleichzeitig würde damit das in Deutschland noch immer weitgehend bestehende Äquivalenzprinzip von Beitragseinzahlungen und späteren Rentenleistungen weiter ausgehöhlt.

Dass Langzeitarbeitslose, Geringverdiener und Bürger mit gebrochenen Erwerbsbiographien später auf geringe Renten kommen, ist doch logisch. Für diese Menschen sollte man nicht das Rentensystem so hinbiegen, dass es am Ende zugrunde geht. Dafür haben wir andere, bewährte Sozialleistungen, für die unsere Gesellschaft viele Milliarden bereitstellt und die niemand schlecht reden sollte.

Allerdings hat die alle paar Jahre hoch ploppende Debatte um Altersarmut immer auch etwas konstruktives: Sie führt den Menschen vor Augen, eigene Vorsorge für ihr Alter zu leisten. Diese Eigeninitiative sollten unsere Politiker mehr als bisher fördern, etwa durch Steuerentlastungen, nicht zuletzt durch eine niedrigere Grunderwerbsteuer. Denn wer beizeiten eine Immobilie erwirbt, kann im Alter günstig darin wohnen. Solche Maßnahmen helfen einem Großteil unserer Gesellschaft mehr als dirigistischer Alarmismus.

KONTEXT

Das neue Rentenkonzept der SPD

Rentenplus

Für künftige Rentner bedeutet das laut Nahles höhere Renten, als sie nach derzeitigem Recht zu erwarten hätten. Ein Durchschnittsverdiener erhielte 2030 nach ihren Worten auf Grundlage des SPD-Konzepts 150 Euro mehr Rente im Monat, ein Facharbeiter könne mit einem Plus von 225 Euro rechnen. Das seien 8,1 Prozent mehr als nach geltendem Recht.

Die Kosten bezifferte Nahles auf 20 Euro per Person und Monat, wenn die Gesamtkosten von 19,2 Milliarden Euro im Jahr 2030 auf die Bevölkerung von 80 Millionen verteilt würden.

Quelle: Reuters

Stand: 07.06.2017

Rentenniveau

Derzeit erhält ein Rentner, der 45 Jahre den Durchschnittlohn verdient hat, eine Rente von 48 Prozent des aktuellen Durchschnittslohns. Dieses Rentenniveau ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Im Jahr 2003 lag es noch bei 53,3 Prozent. Ein weiteres Absinken ist programmiert durch die rot-grünen Rentenreformen: Ein Nachhaltigkeitsfaktor sorgt dafür, dass die Renten langsamer oder gar nicht zulegen, wenn die Zahl der Rentner stärker steigt als die Zahl der Beschäftigten. Nach derzeitigen Berechnungen könnte das Rentenniveau bis 2030 auf 44,7 Prozent fallen. Laut SPD-Konzept soll es nun bis 2030 stabil bei 48,0 Prozent bleiben.

Beitragssatz

Den Beitrag zur Rentenversicherung teilen sich je zur Hälfte Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dieser beträgt derzeit 18,7 Prozent. Nach bisherigen Berechnungen muss der Beitrag erstmals 2022 wieder steigen und bis 2030 auf 21,8 Prozent klettern. Das SPD-Konzept sieht ab 2024 einen etwas stärkeren Anstieg vor, der 2030 21,9 Prozent erreichen würde. Jedes Zehntel Beitragssatzpunkt mehr kostet die Beitragszahler derzeit rund 1,3 Milliarden Euro.

Steuerzuschuss

Ab 2028 soll laut SPD-Konzept der Bund einen "Demografiezuschuss" in die Rentenkasse zahlen. Dieser würde von 14,5 Milliarden auf 15,3 Milliarden Euro im Jahr 2030 steigen.

Solidarrente

Schon ab 2018 soll eine Solidarrente für Geringverdiener greifen, die 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt haben. Die Solidarrente soll zehn Prozent über der regional unterschiedlich hohen Grundsicherung im Alter liegen, die in der Höhe Hartz IV entspricht. Dabei werden Zeiten der Kindererziehung und Pflege angerechnet.

Selbstständige

Selbstständige sollen die Rentenversicherung einbezogen werden, sofern sie nicht über ein Versorgungswerk abgesichert sind, die es etwa für Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte und Steuerberater gibt. Nach Angaben aus dem Arbeitsministerium gibt es etwa drei Millionen Selbstständige, bei denen nicht klar ist, ob sie in irgendeiner Form abgesichert sind. Durch die Einbeziehung eines Teils von ihnen steigen die Beitragseinnahmen. Laut Nahles werden Einnahmen in Höhe von 0,4 Prozentpunkten eines Beitragspunktes erwartet. Die SPD sieht dies als ersten Schritt zu einer Erwerbstätigenversicherung.