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Der falsche Mythos von der spanischen Siesta

Viele Spanier reagieren genervt, wenn man sich über ihre langen und vermeintlich verschlafenen Mittagspausen lustig macht. Denn für die Mehrzahl von ihnen kommt ein Mittagsschlaf in der Pause gar nicht in Frage. Eine Weltgeschichte.

Für jedes Land gibt es Stereotypen. Sie halten sich gemeinhin hartnäckig, auch wenn die Realität sie längst überholt hat. In Spanien ist das mit der Siesta so: Am vergangenen Montag belegte eine Studie erneut, dass der spanische Mittagsschlaf für die Mehrzahl der Bevölkerung nicht in Frage kommt. 58 Prozent der Spanier machen nie ein Nickerchen nach dem Essen, rund ein Drittel nur ab und zu einmal und nur 18 Prozent regelmäßig.

Viele Spanier reagieren deshalb etwas genervt, wenn man sich im Ausland über ihre langen und vermeintlich verschlafenen Mittagspausen lustig macht. Ihnen sind die zwei vorgeschriebenen Stunden Arbeitspause am Mittag selbst ein Graus: Traditionell wird in Spanien zwischen 14 und 17 Uhr zu Mittag gegessen. Früher fuhren viele Angestellten dann nachhause, um mit ihrer Familie zu essen und sich anschließend aufs Ohr zu legen. Der Ursprung der langen Pause liegt im Süden des Landes, wo die Bauern in der größten Hitze des Tages nicht arbeiten konnten. Sie holten am Mittag den Schlaf nach, den sie nachts nicht bekamen, weil sie die kühlen Abendstunden für ausgedehnte Essen und all jene Aktivitäten nutzten, die am heißen Tag nicht möglich waren.

Inzwischen jedoch gibt es weniger Bauern und in dem meisten Gebäuden Klimaanlagen. Der spanische Rhythmus aber bleibt gen Nacht verschoben: Viele Firmen schreiben nach wie vor eine Mittagspause von zwei Stunden vor – was Arbeitszeiten bis 20 oder 21 Uhr am Abend nach sich zieht. Eltern haben so kaum eine Chance, abends Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Seit Jahren fordern Interessenverbände, den Rhythmus stärker dem Rest Europas anzugleichen. Der spanische Premier Mariano Rajoy schlug im vergangenen Frühjahr vor, die Arbeitszeit auf 18 Uhr zu begrenzen, zum Mittagessen soll eine Stunde reichen. Kurz vor Weihnachten stellte seine neue Arbeitsministerin Fátima Báñez im Kongress ihren Plan vor. Sie will, dass Groß-Unternehmen sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände den ersten Schritt machen und ihre Bereitschaft für die neue Arbeitszeit bekunden. „Wir reden schon lange über dieses Thema, aber die Ministerin scheint es jetzt ernst zu meinen“, sagt Nuria Chinchilla, Direktorin des Zentrums für Arbeit und Familie an der Business-School IESE in Barcelona und Mitglied des „Verbands zur Rationalisierung der spanischen Arbeitszeiten“.

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Dass die Arbeitsministerin bei den Unternehmen anfangen will, ist schlau. Genau da liegt das eigentliche Problem: Während Länder wie Deutschland bereits die Heimarbeit einführen, basiert das spanische System auf einer antiquierten Präsenspflicht. „Die Mitarbeiter gehen davon aus, dass sie ihr Engagement dadurch zeigen müssen, dass der Chef sie auch spät abends noch am Schreibtisch sieht“, sagt Chinchilla. Umgekehrt haben die Chefs den Eindruck, dass ohnehin niemand arbeitet, wenn sie nicht da sind. Tatsächlich scheinen die ausgedehnten Arbeitstage den Unternehmen keineswegs zu nützen: Gemessen an der Produktivität pro Mitarbeiter liegt Spanien im europäischen Vergleich auf den hintersten Plätzen.

Arbeitsexpertin Chinchilla hat in Studien gezeigt, dass die Produktivität der Mitarbeiter steigt und ihre Krankheitstage sinken, wenn Firmen flexible Arbeitszeiten einführen. Die Mitarbeiter sind zufriedener und ihre Leistung steigt. Vielleicht klappt ja der jüngste Vorstoß der neuen Arbeitsministerin. Das Land könnte nach seiner tiefen Wirtschaftskrise einen Produktivitätsschub jedenfalls gut gebrauchen.