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Fairness first

Wenn Donald Trump den Deutschen ihren Überschuss vorwirft, liegt er falsch – aber nicht ganz. Denn zum Wohle der Welt müssen sich Exporte und Importe ausgleichen.

Es war mir eine große Ehre, diese Woche der Festredner in der American Academy in Berlin zu sein, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Henry A. Kissinger Prize erhielt. Ich stimme mit Wolfgang in so vielen politischen Betrachtungen überein. Ich bewundere seinen Charakter und seine politische Ausdauer und Entschlossenheit ganz außerordentlich.

Aber gerade weil ich all dies tue, wäre es wenig aufrichtig, wenn ich nicht auch erwähnte, dass wir unterschiedlich ticken, wenn es um manche ökonomische Einschätzungen geht.

Diese Differenzen sind keineswegs so groß, wie manche vermuten. Vor allem sind sie natürlich nicht persönlicher Art – sie basieren eher auf unterschiedlichen Traditionen von Europäern und Amerikanern, was den Blick auf die Ökonomie anbelangt.

Bisweilen werden wir US-Ökonomen bewusst karikiert – als eine Art Gläubige, die der festen Überzeugung anhängen, dass Fiskal- und Geldpolitik nur gut genug eingefädelt sein müssen, damit sie flugs zu Vollbeschäftigung und permanentem Wachstum führen.

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Diesem Glauben hänge ich ausdrücklich nicht an, und viele meiner klugen Kollegen auch nicht. Die Wettbewerbsfähigkeit und der ökonomische Erfolg jeder Nation hängen letztendlich vom Können und Ehrgeiz ihrer Arbeitskräfte ab. Sie sind abhängig vom Einfallsreichtum und von der Effizienz nationaler Unternehmen und von der Qualität der Institutionen einer Nation – nicht allein von der Geld- oder Fiskalpolitik.

In all diesen Punkten kann die Welt eine ganze Menge von Deutschland lernen – vor allem, wenn es darum geht, jungen Menschen den Übergang von der Schule ins Berufsleben zu erleichtern. Es war gewiss kein Zufall, dass sich Präsident Donald Trump nach dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel so für das duale System in Deutschland interessierte.

Auch was die Reformfähigkeit angeht, sind die Deutschen schlicht Spitze – sie können zu Recht ihre aktuellen Erfolge auf die Bereitschaft zurückführen, mutige und schmerzhafte Reformen durchgesetzt zu haben.

Wenn nun manche (nein, ich nenne keine Namen) suggerieren, das so erfolgreiche Deutschland nutze das globale Wirtschaftssystem zu seinem eigenen Nutzen aus, auf Kosten anderer Nationen, ist das einfach falsch. Solche Pauschalvorwürfe können sich auf keine ökonomischen Theorien stützen und sind mir unerklärlich.

Und doch muss man differenzieren: In der langen Wirtschaftsgeschichte ist eine Währungsunion, die sich über mehrere Nationen erstreckt, ohne Vorbild und einzigartig. Genau das haben die Europäer aber mit dem Euro probiert. So eine Union erfolgreich zu managen erfordert gewaltiges staatsmännisches Können. Bislang ist die Struktur der Euro-Zone nämlich keineswegs auf Schocks und Turbulenzen in einer Weise vorbereitet, wie es in der Währungsunion USA selbstverständlich ist – die etwa nur einen Finanzminister kennt. Auch können Mitglieder der Euro-Zone nicht mehr abwerten, wenn sie in Schwierigkeiten geraten.

Das stellt die gesamte Union vor echte Herausforderungen: Konvergenz ist nötig, um Erfolg zu erzielen. Und weil die Glaubwürdigkeit einer solchen Union von jedem einzelnen Mitglied abhängt, ist Disziplin, etwa bei Schulden und Ausgaben, eine unerlässliche Voraussetzung. Das haben die Deutschen zu Recht oft betont.

Aber, und hier kommen wir zu den Unterschieden: Was lobenswert für und vom einzelnen Mitglied ist, muss nicht automatisch zu mehr Erfolg für alle führen. Ein einfaches Beispiel aus dem Leben: Steht ein Zuschauer bei einem Fußballspiel auf, sieht er besser. Stehen alle auf, sieht niemand besser. Auf die Ökonomie und die Weltwirtschaft übertragen, heißt das: Wo ein Verkäufer ist, muss es auch einen Käufer geben. Importe und Exporte müssten sich ausgleichen. Also kann nicht jedes Land einen Riesenhandelsüberschuss erzielen wie Deutschland. Und wenn alle wachsen und gedeihen wollen, muss es jeweils Anpassungen geben. Bislang hat Europa diesen Ausgleich hinbekommen – auch weil die Europäische Zentralbank (EZB) bereit war, „alles zu tun“, um den Euro zu retten. Aber man kann diese Grundsatzfragen nicht ignorieren.

Klingt das, als wolle ich die Europäer belehren? Natürlich nicht. Ich würde auch etwa nie jemanden auffordern, die Amerikaner zu belehren – es ist etwa eine uramerikanische Aufgabe, der Welt zu zeigen, dass einige der Werte, die die Trump-Regierung vertritt, nicht amerikanische Werte darstellen. Umgekehrt müssen die Europäer uns Amerikaner wohl nicht über die Regulierung der Finanzmärkte belehren, wie es manche gerade angesichts der Ankündigungen von Trump tun. Einige der Regulierungen sind nach dem Schock der Weltfinanzkrise wirklich zu weit gegangen und haben sich als überkomplex herausgestellt. Sicherlich möchte niemand zum ungeregelten Finanzmarkt zurückkehren. Aber man sollte auch erst einmal abwarten, was die Trump-Regierung konkret vorhat, statt sich nur über die Rhetorik zu ereifern.

Statt einander zu belehren, möchte ich daher für meine Theorie des verantwortlichen Nationalismus werben. Diese ist nicht mit „America first“ zu verwechseln, weil sie sich nicht gegen eine Nation richtet oder unterstellt, dass wir Amerikaner immer verlieren. Es geht vielmehr darum, darauf zu achten, wie etwa die Interessen der vermeintlich Abgehängten oder derer, die sich mit der Globalisierung schwerer tun, international mit bedacht werden – statt etwa nur auf die Interessen der Anteilseigner von global tätigen Konzernen zu achten. Diese Art von verantwortlichem Nationalismus kann für die USA funktionieren – aber auch für Deutschland.

KONTEXT

Zur Person

Lawrence Summers

Lawrence Summers, 62, war Chefökonom der Weltbank, US-Finanzminister unter Bill Clinton und Präsident der Harvard University. Er diente als Top-Wirtschaftsberater von US-Präsident Barack Obama.