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„Fahrt in der Geisterbahn“ – Deutsche Bank kann ihre Aktionäre nicht von Reformplänen überzeugen

Die Deutsche Bank versucht auf der Hauptversammlung, wieder einmal den Neustart zu inszenieren. Das beeindruckt Aktionäre und Analysten kaum.

Gleich zu Beginn der Hauptversammlung in der Frankfurter Festhalle versuchte Aufsichtsratschef Paul Achleitner, die Aktionäre der Deutschen Bank auf seine Seite zu ziehen, zumindest die Fußballfans unter ihnen. Auch als Münchener sei es ihm „ein besonderes Bedürfnis“, dem Bundesligisten Eintracht Frankfurt zum Gewinn des DFB-Pokals gegen Bayern München zu gratulieren.

Achleitner wusste, dass Demut angesagt war. Nach dem Chaos rund um den dritten Jahresverlust in Folge, dem verpatzten ersten Quartal 2018, dem abrupten Wechsel an der Vorstandsspitze und dem Absturz des Aktienkurses wollte die Bank die leidgeprüften Aktionäre beschwichtigen. Unmittelbar vor dem Start der Hauptversammlung machte der neue Vorstandschef Christian Sewing amtlich, was bereits am Mittwoch durchgesickert war.

Die Deutsche Bank wird mindestens 7.000, wahrscheinlich aber noch mehr Stellen abbauen. Von heute mehr als 97.000 Mitarbeitern sollen „deutlich weniger“ als 90.000 übrig bleiben. Vor allem die einstige Vorzeigesparte, das Investmentbanking, will Sewing kräftig zusammenstreichen. Allein im Handel mit Aktien, wo zuletzt die Erträge einbrachen und das Institut der Konkurrenz schon seit Jahren hinterherläuft, soll rund ein Viertel der Jobs wegfallen.

Der Großteil des Abbaus, der bereits begonnen hat, soll bereits im laufenden Jahr über die Bühne gehen. Betroffen sind vor allem Mitarbeiter in den USA und Großbritannien. Unter dem Strich soll das Bilanzvolumen der Unternehmens- und Investmentbank um mehr als 100 Milliarden Euro sinken. Das entspricht einem Zehntel des Bilanzvolumens der Sparte von rund einer Billion Euro zum Ende des ersten Quartals.

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Die Botschaft ist klar: Sewing, 48 Jahre alt und mit einer kurzen Unterbrechung seit 30 Jahren bei der Deutschen Bank, schreckt vor einem radikalen Umbau des Geldhauses nicht zurück, anders als sein Vorgänger John Cryan, der die Schwächen der Bank zwar schonungslos analysiert, aber nicht entschlossen genug die Konsequenzen daraus gezogen hatte. Deshalb hatte Achleitner, den von ihm 2015 selbst inthronisierten Briten Anfang April in einer Hauruckaktion ausgetauscht.

„Wir mussten handeln, auch wenn es ursprünglich nicht unsere Absicht war, so schnell den Wechsel herbeizuführen“, verteidigte Achleitner die Trennung von Cryan. Nicht nur die Ergebnisse seien enttäuschend ausgefallen. Er habe außerdem „zunehmend Meinungsverschiedenheiten und Konflikte innerhalb der Führung zur Kenntnis nehmen“ müssen. Sewing sei die „erste Wahl“ des Aufsichtsrats.

Trotz aller Fußballmetaphern wurde die Hauptversammlung nicht zum Heimspiel für die Bank, nicht für Sewing und erst recht nicht für Achleitner, den einige der einflussreichsten Aktionäre mitverantwortlich für die Dauermisere der Bank machen. „Der Aktienkurs gleicht der Fahrt in einer Geisterbahn, bei der hinter jeder Kurve eine unangenehme Überraschung lauert“, kritisierte Fondsmanager Andreas Thomae von der Dekabank, der Fondsgesellschaft der Sparkassen, die Entwicklung der vergangenen Monate.

Thomae kreidet Achleitner und dem Rest des Aufsichtsrats eine Mitschuld an den diversen strategischen Kehrtwenden der Bank an, deshalb verweigert er dem Kontrollgremium die Entlastung. Hans-Christoph Hirt vom einflussreichen britischen Aktionärsberater Hermes EOS lässt ebenfalls kaum ein gutes Haar an Achleitners Amtsführung: „Auch an der Spitze des Aufsichtsrats braucht unsere Bank dringend eine effektivere Führung“, monierte Hirt.

Deshalb rät Hirt, hinter dem 40 Pensionsfonds mit einem Aktienvermögen von 370 Milliarden Euro stehen, der Deutschen Bank, mit der Suche nach einem neuen Chefaufseher zu beginnen. Aufsichtsrat und Vorstand will Hermes trotzdem entlasten, wenn auch nur, weil die Bank nach dem Chaos der vergangenen Wochen keine neue Führungsdiskussion brauchen könne.

Aus ähnlichen Gründen empfahl auch der einflussreiche Aktionärsberater, ISS aus den USA, die Entlastung von Achleitner und seinen Kollegen im Aufsichtsrat. Experten schätzen, dass hinter ISS rund 20 Prozent aller Stimmen auf der Hauptversammlung stehen.

Zweifel am Aufsichtsratschef

Achleitner steht seit Wochen in der Kritik, allerdings geht es in diesem Jahr auf dem Aktionärstreffen nicht um die Wiederwahl des Aufsichtsratschefs. Der Österreicher wurde bereits 2017 für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Mit einem schlechten Ergebnis bei der Entlastung könnten die Aktionäre allerdings ein deutliches Signal senden. Wie deutlich der Denkzettel für Achleitner ausfallen würde, war bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht klar.

Die Abstimmungsergebnisse werden erst für den späten Abend erwartet, und einige große Aktionäre, die normalerweise bereits Tage vor der Hauptversammlung ihre Stimmen abgeben, warteten in diesem Jahr nach Informationen des Handelsblatts ab, weil sie erst einmal die Details zur neuen Strategie abwarten wollten, bevor sie Achleitner entlasten.

Der neue Vorstandschef Sewing machte klar, dass er nicht nur den Anspruch der Deutschen Bank als global breit aufgestellte Investmentbank aufgibt und die stabileren Geschäftsfelder stärken will, auch auf der Kostenseite will der neue Mann in den Doppeltürmen in Frankfurt keine Kompromisse machen und konzernweit die Ausgaben schneller und entschiedener senken als seine Vorgänger. Wie bereits angekündigt sollen die bereinigten Kosten im laufenden Jahr 23 Milliarden Euro nicht überschreiten. Für 2019 plant der Vorstand einen weiteren Rückgang auf 22 Milliarden Euro. „Dabei sind derzeit keine größeren Verkäufe von Geschäftsteilen geplant.“

Durch die Stellenstreichungen, die bis zu 800 Millionen Euro kosten dürften, werde das Jahresergebnis 2018 „beeinträchtigt“, räumte der neue Vorstandschef ein. Gleichzeitig bekräftigte Sewing das Ziel, in einem normalisierten Geschäftsumfeld eine Rendite von rund zehn Prozent nach Steuern auf das materielle Eigenkapital zu erzielen. „Angestrebt wird, dieses Ziel ab 2021 zu erreichen.“ Die Kapitalverzinsung solle in den kommenden Jahren gesteigert werden.

Die Analysten hörten zwar Sewings Botschaft von der Hauptversammlung, aber vielen fehlt der Glaube an eine schnelle Gesundung des größten heimischen Geldhauses. Die Experten der DZ-Bank halten die Einschnitte im Investmentbanking zwar für sinnvoll, warnen aber, dass „dies mit erneut sinkenden Erträgen einhergehen wird, und es fraglich ist, ob die Kostenbasis entsprechend fällt.“

Für die Analysten der Schweizer UBS sind die Einschnitte kein radikaler Strategiewechsel im Investmentbanking. Den könne sich die Deutsche Bank finanziell derzeit gar nicht leisten. Sewings Renditeversprechen halten die Experten für unrealistisch. Dazu müsse die Kostenbasis deutlich unter die angekündigten 22 Milliarden Euro fallen und die Einnahmen auf rund 32 Milliarden Euro steigen. Die Analysten schätzen die künftigen Erträge allerdings eher auf um die 26 Milliarden Euro.

Absturz an der Börse

Kritik kam auch aus der Politik. „Die unternehmerischen Versäumnisse der Deutschen Bank sind mit Stellenabbau nicht zu lösen“, warnt der stellvertretende SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. Die Bank brauche endlich ein klares Konzept und sozialverantwortliche Regelungen mit dem Betriebsrat. Das Fazit des Sozialdemokraten: „Man kann nicht gesellschaftliche Verantwortung reklamieren und gleichzeitig konzeptlos Stellen abbauen.“

Die Anleger kann Sewing mit seinem Programm zumindest kurzfristig ebenfalls nicht überzeugen. Mit einem Minus von über sechs Prozent war die Deutsche-Bank-Aktie am Nachmittag größter Dax-Verlierer. Zeitweise notierte die Aktie nur noch bei 10,23 Euro und damit bedenklich nah an den Tiefständen aus dem Herbst 2016, als die Bank wegen einer Multimilliardenforderung der US-Justiz in eine tiefe Vertrauenskrise rutschte. Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment sprach auf der Hauptversammlung im Rückblick auf diese schwierigen Monate von einer „Nahtoderfahrung“ für die Frankfurter Bank.