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Facebook muss Erben Zugriff auf das Profil von Verstorbenen gewähren

Facebook muss Erben den Zugriff auf Konten ermöglichen. Das Urteil des BGH ist richtungweisend, denn noch beschäftigen sich zu wenige mit dem Thema.

Erben dürfen auf das Facebook-Konto des Verstorbenen zugreifen. Dieses Grundsatzurteil verkündete der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag. Auch Briefe und Tagebücher gingen an die Erben über, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann bei der Urteilsverkündung. Der BGH entschied in letzter Instanz.

Es bestehe kein Grund, digitale Inhalte anders zu behandeln. Im vorliegenden Fall habe die Tochter mit Facebook einen Nutzungsvertrag geschlossen, und die Eltern seien als Erben in diesen Vertrag eingetreten.

Damit gewann eine Mutter den Prozess gegen Facebook. Ihre 15-jährige Tochter war 2012 unter ungeklärten Umständen von einer U-Bahn erfasst worden und ums Leben gekommen. Die Mutter wollte über das Facebook-Konto ihrer Tochter Klarheit gewinnen, ob sie möglicherweise Suizidabsichten hatte.

Das soziale Netzwerk hatte das Profil des Teenagers jedoch in den Gedenkmodus versetzt – die Eltern können selbst mit Passwort nicht an die Informationen herankommen. Man fühle mit der Familie, teilte Facebook mit, wollte aber den Zugang zum Profil aufgrund von Datenschutzregeln nicht freigeben.

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Und während Tagebücher, Briefe und sonstige Notizen Teil des Nachlasses werden, wenn nicht anders festgelegt, war das bei digitalen Inhalten bislang noch nicht geregelt. Und die meisten Menschen, die ihre Spuren im Netz hinterlassen, denken nicht darüber nach, was damit am Ende passieren soll. Die Spuren reichen von Profilen in sozialen Netzwerken, über E-Mail-Konten bis hin zu Kryptowährungen. Das kann zu tragischen Ergebnissen führen – und Start-ups wittern ein einträgliches Geschäft.

Was das Urteil für Erben und Erblasser bedeutet

Das BGH-Urteil war schon von Experten als wegweisend eingeordnet worden. Rechtsanwalt Alexander Niethammer von der Kanzlei Eversheds Sutherland erklärt dem Handelsblatt die konkreten Änderungen: „Für die Erben gelten die allgemeinen erbrechtlichen Grundsätze. Diese können nach erfolgter Legitimation umfassend Zugriff auf das Nutzerkonto und die digitalen Inhalte nehmen.“ Der Erblasser müsse nun testamentarisch verfügen, wenn er nicht wünscht, dass Erben Zugriff auf diese Informationen bekommen.

Auch Anbieter wie Facebook müssten nun ihre Geschäftspraxis prüfen und gegebenenfalls anpassen, sagt Niethammer: „Ein Einfrieren des Kontos durch AGB-Klauseln wird vom BGH als unwirksam angesehen. Es werden daher zukünftig neue Aufgaben, wie zum Beispiel ein Prozess zur Legitimierung der Erben, auf die Provider zukommen.“

Des Weiteren würden sich für die Provider neue Fragen ergeben. Wie etwa soll mit den Accounts während des Schwebezustandes zwischen Tod des Erblassers und Eintrittsverlangen der Erben umgegangen werden? Oder was passiert, wenn kein Erbe festgestellt werden kann?

Auch Facebook meldet sich nach dem BGH-Entscheid zu Wort: „Die Fragen - wie wir die Wünsche von Angehörigen und den Schutz der Privatsphäre Dritter abwägen - gehören mit zu den schwierigsten, die wir uns stellen müssen.” Man fühle mit der Familie.

Gleichzeitig müsse man sicherstellen, dass der persönliche Austausch zwischen Menschen auf Facebook geschützt sei, sagt ein Unternehmenssprecher: „Wir haben inhaltlich eine andere Position vertreten, und der langwierige Prozess zeigt, wie komplex der verhandelte Sachverhalt ist.”

Wie Start-ups den Nachlass regeln wollen

Während einer längeren Autofahrt überkamen Albert Brückmann düstere Gedanken. Der Manager dachte über den Tod nach, seinen Tod. Über das, was dann mit seinen Daten passieren würde. Er war frisch verheiratet und stellte sich die Frage, ob seine Ehefrau seinen digitalen Nachlass überhaupt verwalten und verarbeiten könne: „Da habe ich schwarzgesehen“, erzählt Brückmann. Er begann, über eine Lösung nachzudenken.

Er begann mit der Entwicklung eines Prototypen. Der war mit einer Totmanneinrichtung ausgestattet – bekannt etwa bei Zügen, um zu kontrollieren, ob eine Person anwesend und handlungsfähig ist.

Bei Brückmann schickte der Totmannschalter regelmäßig E-Mails zur Bestätigung. 2012 war der erste Prototyp fertig, den Brückmann erst einmal vier Jahre für sich selbst betrieb. 2016 produzierte er dann die Beta-Version, die seitdem getestet werden kann, 2017 gründete er schließlich das Start-up Meminto.

Über den Tod spricht man nicht gern – das zeigt sich auch im Umgang der Deutschen mit dem digitalen Erbe. Susanne Dehmel, Bitkom-Geschäftsleiterin für Datenschutz und Sicherheit, bestätigt: „Nur eine Minderheit regelt den digitalen Nachlass zu Lebzeiten, beschäftigt sich also damit, was nach dem Tod mit den eigenen digitalen Daten geschehen soll.“

Acht von zehn Internetnutzern sagen einer Umfrage des Digitalverbands zufolge, dass sie ihren digitalen Nachlass noch überhaupt nicht geregelt hätten. Vor allem die jüngste und die älteste Generation zeigten sich relativ unbedarft, sagt Dehmel: „88 Prozent der 14- bis 29-Jährigen und 96 Prozent der Generation 65 plus, die im Internet aktiv sind, haben sich um ihren digitalen Nachlass noch überhaupt nicht gekümmert.“

Der letzte Wille in der Blockchain

Wie das gehörig schiefgehen kann, zeigt der Fall eines Krypto-Millionärs, der im April diesen Jahres verstarb und ein Vermögen von 250 Millionen Dollar in der Kryptowährung Ripple hinterlassen haben soll. Das Problem: Das Geld scheint über die ganze Welt verteilt – auch unter falschen Namen. Die Schlüssel zum Geld sind verteilt auf Datenspeicher in Bankschließfächern. Die Familie hat deshalb keinen Zugriff auf das mutmaßliche Millionenvermögen.

Vielleicht hätte ihm das Angebot von Brückmanns Start-up Meminto geholfen: In der derzeitigen Version sei das Hinterlegen von Informationen und Nachrichten für den Fall des unerwarteten Ablebens des Benutzers möglich, erklärt Gründer Brückmann: Der Benutzer entscheide zum Beispiel, in welchem Rhythmus er seinen Lifecheck erhält, wann und wie oft er erinnert werden will, wer seine Vertrauenspersonen (Trustees) sind und was geschehen soll, wenn widersprüchliche Meinungen zu seinem Lebenszustand vorliegen.

Noch sollen keine Passwörter oder sensiblen Informationen hinterlegt werden, erklärt der Gründer: „Aber für eine schöne Abschiedsnachricht oder ein Video ist es allemal ausreichend.“ Das Ziel sei die Umsetzung per Blockchain, so könnten Daten sicher dezentral gespeichert werden: „Prozesse können damit auch über Smart Contracts ausgeführt werden. In der Zukunft könnte man seinen letzten Willen sozusagen über Meminto umsetzen lassen.“ Es laufen bereits Gespräche mit Experten im Bereich Blockchain.

Auch Michael Brück hat mit Somnity ein Start-up für das digitale Vererben gegründet – und bietet zwei Arten von Datenspeichern. So kann sich die Verschlüsselungssoftware unter anderem auf einem Speicherstick befinden, auf dem alle Daten und Passwörter gesichert abgelegt werden, erklärt Brück: „Keine Daten verlassen das Haus. In der Family Version werden die Daten auf dem lokalen Rechner verschlüsselt und erst dann gesichert übertragen.“

Nachlassvorsorge bei Facebook ist unkompliziert

Dabei sind sich viele Menschen der Dringlichkeit und Bedeutung der Nachlassregelung durchaus bewusst, doch unternommen haben die meisten in dieser Hinsicht noch nichts, bestätigt Expertin Dehmel vom Branchenverband Bitkom: „Für viele ist der digitale Nachlass ein unangenehmes Thema ist, mit dem man sich nur ungern auseinandersetzt. Teilweise fehlen auch die Informationen, um den digitalen Nachlass zu regeln.“

Drei Viertel der Deutschen fänden es allerdings gut, wenn es eine gesetzliche Regelung zum digitalen Nachlass gäbe, vergleichbar mit dem Erbrecht an Gegenständen.

Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbands deutscher Bestatter, sieht wachsendes Interesse: „Die Nachfragen von Angehörigen eines Verstorbenen nach der Regelung des digitalen Nachlasses bei den uns angeschlossenen Bestattungsunternehmen sind sehr stark zunehmend, und zwar unabhängig, ob ein junger Mensch oder ein älterer Mensch verstorben ist.“ Auch im Zuge der Bestattungsvorsorge besprächen immer mehr Menschen dieses Thema mit ihrem Bestatter und sorgten so schon zu Lebzeiten vor, so Neuser: „Wir gehen davon aus, dass die Regelung des digitalen Nachlasses zukünftig ein fester Bestandteil einer jeden Bestattungsvorsorge und Bestattung sein wird.“

In Bezug auf das Facebook-Konto ist die Nachlassvorsorge übrigens keineswegs kompliziert: Facebook empfiehlt dringend, einen Nachlasskontakt einzurichten, damit das eigene Konto verwaltet werden kann, sollte es nach dem eigenen Tod in den Gedenkzustand versetzt werden.

„Jeder Profilinhaber kann bei Facebook zu Lebzeiten einen digitalen Erben, einen Nachlasskontakt, unter dem Punkt „Einstellungen“, „Konto verwalten“, bestimmen“, erklärt Bitkom-Vertreterin Dehmel. Wer keinen Nachlasskontakt bestimmen möchte, könne auch die sofortige Kontoauflösung nach dem Tod beantragen.