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Restaurants vor der Pleite: Für viele Wirte lohnt sich die Öffnung nicht

Nach den Zwangsschließungen erholt sich die Gastronomie nur mühsam. Die Wirte fühlen sich im Vergleich zu anderen Unternehmen vom Staat stiefmütterlich behandelt.

Die Tische in vielen Gaststätten bleiben leer. Jeder dritte Gastronom kämpft um seine Existenz. Foto: dpa
Die Tische in vielen Gaststätten bleiben leer. Jeder dritte Gastronom kämpft um seine Existenz. Foto: dpa

Nach nur einer Woche machte der traditionsreiche Münchner Hofbräukeller schon wieder dicht. „Der gesamte Innenbereich ist ab dem zweiten Juni 2020 bis auf Weiteres geschlossen!“, teilte die Wirtsfamilie Steinberg auf der Homepage mit. Im Hofbräukeller können drinnen sonst mehrere Hundert Gäste beköstigt werden.

Doch viele Tische blieben leer. Vor allem Touristen aus dem In- und Ausland fehlen, die sonst in Scharen nach München kommen. Der Biergarten mit Selfservice und die Außenterrasse bleiben zwar offen, aber nur bei gutem Wetter. „Leider ist dieser Weg aktuell die einzig sinnvolle Lösung für uns“, sagte Familie Steinberg.

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Seit Mitte Mai durften Restaurants, Cafés und Biergärten hierzulande wieder schrittweise öffnen – nach rund zwei Monaten Zwangsschließung wegen der Corona-Pandemie. Doch wie bei Familie Steinberg hält sich die Freude bei den meisten Gastronomen in Grenzen: Bei strengen Abstandsregeln zwischen den Tischen, ausbleibenden Gästen und hohen laufenden Kosten lohnt sich der Betrieb finanziell oft gar nicht.

Die Bilanz von Restaurants und Cafés nach der Wiedereröffnung fällt ernüchternd aus: Acht von zehn Gastronomen sagen, ein wirtschaftliches Handeln sei unter den Corona-Auflagen nicht möglich. Das zeigt eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Für das Gesamtjahr erwarten die Betriebe einen Umsatzrückgang von mindestens 55 Prozent. Solche Einnahmeausfälle können selbst diverse staatliche Hilfen nicht annähernd wettmachen.

Dabei tun Bund und Länder einiges, um die Gastronomie über die Krise zu retten. Die Mehrwertsteuer auf Speisen wird ab Juli für ein Jahr von 19 auf sieben Prozent gesenkt, bis Jahresende sogar auf fünf Prozent. Neben Kurzarbeitergeld wurden Soforthilfen, KfW-Kredite und Mietstundungen ermöglicht. Dehoga-Präsident Guido Zöllick begrüßte denn auch ausdrücklich die impulsgebenden Maßnahmen.

Anfang Juni wurde zudem beschlossen: Firmen mit Umsatzeinbußen von mindestens 50 Prozent zum Vorjahresmonat bekommen die fixen Betriebskosten für drei Monate bis zur Hälfte erstattet. Bei einem Umsatzrückgang von mehr als 70 Prozent können sogar bis zu 80 Prozent der Fixkosten erstattet werden. Maximal gibt es 9.000 bis 150.000 Euro für drei Monate, abhängig von der Mitarbeiterzahl.

Hohe volkswirtschaftliche Bedeutung

Hinzu kommen weitere Erleichterungen wie die Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge auf 40 Prozent, die Entlastung bei der EEG-Umlage, die Erweiterung des steuerlichen Verlustrücktrages oder eine Ausbildungsprämie.

Dennoch ist für den Verband Dehoga mehr als offen, ob diese Überbrückungshilfen ausreichen, Betriebe und die Arbeitsplätze im großen Stil zu retten. „Die geplanten Summen sind zu gering. Überbrückungshilfen für drei Monate greifen zudem in unserer besonders betroffenen Branche deutlich zu kurz. Hier ist eine Ausweitung auf sieben Monate zwingend notwendig“, forderte Zöllick.

Gastronom Harald Rüssel von „Rüssels Landhaus“ bei Trier hält es für entscheidend, dass die Hilfen für die Branche jetzt schnell und unbürokratisch ankommen. Die Mehrwertsteuer müsse nicht nur auf Speisen, sondern auch auf Getränke deutlich gesenkt werden – und das für zwei Jahre, forderte Rüssel. So könnten sich Gastronomen mit ihren Umsätzen selbst aus der unverschuldeten Krise retten.

„Doch die Politik behandelt die Gastronomie immer schon wie ein ungeliebtes Stiefkind“, ärgert sich der Sternekoch. Autoindustrie oder Landwirtschaft hingegen bekämen in Notzeiten unbürokratisch Abwrackprämien oder Dürrehilfen.

Dabei ist die volkswirtschaftliche Bedeutung der Gastronomie anderen wichtigen Branche ebenbürtig. „Die Gastronomie gehört zu den wichtigen Branchen in Deutschland“, unterstreicht Hanno Kempermann vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. 775.000 Beschäftigte in Restaurants und Gaststätten stehen gut 1,05 Millionen im Maschinenbau und 800.000 Mitarbeitern in der Automobilwirtschaft inklusive Zulieferer gegenüber.

Zwar ist die Bruttowertschöpfung im Maschinenbau gut doppelt so hoch wie bei Gaststätten und Hotels mit rund 44 Milliarden Euro im Jahr. „Ein Euro Umsatz in der Gastronomie hebelt jedoch in etwa 80 Cent in anderen Branchen über Vorleistungen. Das gilt auch in etwa für die Beschäftigung,“ sagt der IW-Wirtschaftsforscher. Damit liege der volkswirtschaftliche Hebel ungefähr so hoch wie im Maschinenbau.

Volle 18 Monate wird es nach einer aktuellen Erhebung des IW dauern, bis sich die Gastronomie wieder von der Corona-Pandemie erholt hat. Laut Dehoga sind rund 30 Prozent der Restaurants in ihrer Existenz bedroht. „Eine Insolvenzwelle in der Gastronomie würde insbesondere die Schwachen der Gesellschaft treffen - mit allen sozialen Härten“, warnt Kempermann vom IW. Denn die Branche biete Heimat für viele Geringqualifizierte, Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund – im Gegensatz zu Branchen wie dem Maschinenbau, in denen viele männliche Fachkräfte in Vollzeit arbeiten.

Auch nach der Wiedereröffnung sind die Umsatzverluste hoch

„Die Lage ist dramatisch. Viele Gastronomen sind schon bankrott - sie wissen es nur noch nicht“, konstatiert James Ardinast, Vorstand der Initiative Gastronomie Frankfurt. Mit seinem Bruder David betreibt er die Bar Shuka im 25hours-Hotel in Frankfurt. Das Lokal für moderne Küche aus Tel Aviv ist seit dem 3. Juni wieder geöffnet – erstmal unter Vorbehalt. „Wir schauen, wie es läuft und entscheiden, ob wir geöffnet lassen oder lieber wieder zumachen“, sagt Ardinast, der 17 Jahre Erfahrung in der Gastronomie hat. Die Corona-Schließung haben die Brüder mit ihrem „Hummus Taxi“, einem Lieferdienst und Takeaway, überbrückt. Den wollen sie auch nach der Krise mit eigenen Fahrern weiterbetreiben.

„Die Betriebskosten einer Gaststätte werden meist unterschätzt“, sagt Ardinast. „Den Break-even können viele Restaurants erst bei einer Auslastung von 80 Prozent oder mehr erreichen.“ Doch wegen der Abstandsregeln und der Zurückhaltung vieler Gäste können nur die wenigsten Gastronomen derzeit den nötigen Umsatz erzielen. Laut Dehoga-Umfrage hatte nur jeder fünfte Betrieb nach der Wiedereröffnung Umsatzverluste von weniger als 50 Prozent.

Robert Buchem, Geschäftsführer des Landgasthofs Gut Porz in Ratingen, hat sich „gefreut wie Hulle“, dass er sein Restaurant Mitte Mai wieder öffnen durfte. Von den 160 Plätzen im Innenraum darf er allerdings höchstens 90 belegen. Viele Stammgäste sind ohnehin ältere Herrschaften, die erstmal zuhause bleiben. Auch er wartet ab. „Die Unsicherheit ist groß, ob ich von den Einnahmen alle meine 20 Mitarbeiter und mein eigenes Gehalt zahlen kann“, sagt Buchem. Denn Familienfeiern, Hochzeiten und Firmenfeste, die sehr lukrativ sind, fallen das ganze Jahr über weg.

Vor drei Jahren erst hatte der langjährige Koch das Gut Porz übernommen. Deshalb hat er keinen Anspruch auf KfW-Kredite. Soforthilfen und Kurzarbeitergeld bekam der Betrieb aber unbürokratisch. „Chapeau an die Politik“, lobt er.

Das Haus gehört dem Bierlieferanten, der eine Stundung anbot. Buchem lehnte ab. „Als Koch kann ich rechnen, das käme spätestens im nächsten Jahr als Bumerang zurück.“ In der Branche gebe es jedoch viele „Künstler, die nicht rechnen könnten“.

Wirte monieren steuerliche Ungleichbehandelung

Von den Einnahmen bleibt Restaurants meist nur eine einstellige Marge übrig. Im Gut Porz gehen in normalen Zeiten 40 Prozent vom Umsatz für Personal ab, rund 25 Prozent sind Betriebskosten. Den Wareneinsatz hält Buchem mit 25 Prozent schlank, im Branchenschnitt sind 30 Prozent üblich.

Eine Senkung der Mehrwertsteuer war überfällig für die Gastronomie, findet der Betreiber von Gut Porz. „Es gab eine Wettbewerbsverzerrung zur Hotellerie, die schon länger deutlich weniger zahlt“, sagt er mit Verweis auf die umstrittene „Mövenpick-Steuer“ von sieben Prozent für Hotelservice. „Damit haben Hotels ihre Restaurants quersubventioniert.“

Auch James Ardinast von der Bar Shuka moniert steuerliche Ungleichbehandlung. Mahlzeiten zum Mitnehmen seien immer schon nur mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belastet. Warum nur die? Eine generelle Senkung würde vielen helfen. „Gerne würden wir unseren Mitarbeitern mehr zahlen, aber die Margen in der Gastronomie sind eben trotz hoher Umsätze gering“, sagt Ardinast mit Blick auf den Fachkräftemangel vor der Krise. Selbst erfolgreiche Gastronomen hätten deshalb kaum Rücklagen.

Hinzu kommt: Etliche Restaurants konnten sich nur halten, indem sie jahrzehntelang nur einen Teil versteuerten. „Wer aber seine Umsätze künstlich kleingehalten hat, profitiert jetzt weniger von den neuen staatlichen Hilfen.“ Das verstärke den positiven Trend zum sauberen Wirtschaften in der Gastronomie, begrüßt Ardinast.

Der Szene-Gastronom hofft, dass die Geschäfte schnell wieder anziehen. „Denn je länger die Coronakrise dauert umso schlimmer wird das Gastronomiesterben.“