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Für Oliver Samwer läuft die Zeit

Licht und Schatten bei Rocket Internet: In der Bilanz steht ein hoher Verlust, gleichzeitig machen wichtige Beteiligungen Fortschritte. Firmenchef Oliver Samwer hat noch bis Jahresende Zeit, seine Versprechen einzulösen.

Unter dem Strich sieht es wieder mal nicht gut aus für Rocket Internet: Das Unternehmen von Oliver Samwer hat das Jahr 2016 mit einem Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) von minus 565 Millionen Euro abgeschlossen – ein doppelt so hoher Verlust wie im Vorjahr. Das Ergebnis sei vor allem der Entkonsolidierung von Tochterunternehmen sowie den Abschreibungen geschuldet, die man im letzten Jahr habe vornehmen müssen, sagte Finanzchef Peter Kimpel am Dienstag bei der Präsentation der Ergebnisse.

Fortschritte hingegen gab es bei den einzelnen Beteiligungen zu vermelden: Der Umsatz von fünf ausgewählten Portfoliounternehmen stieg zusammengerechnet von 1,7 Milliarden Euro auf 2,2 Milliarden Euro. Die Verluste reduzierten sich um 234 Millionen auf rund 360 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte an dieser Stelle noch ein Verlust von einer Milliarde gestanden.

Damals waren in der Rechnung allerdings noch zwei Unternehmen enthalten, die jetzt nicht mehr dabei sind, weil Rocket sie verkauft oder seine Beteiligung stark reduziert hat. Die Zahlen der einzelnen Start-ups seien wichtiger als das Ergebnis der Holding, betonte Kimpel: „Wenn unsere Portfoliounternehmen gute Ergebnisse erzielen, wird sich das langfristig auch im Ergebnis von Rocket Internet zeigen.“

So sanken die Verluste der Global Fashion Group (GFG), einem Zusammenschluss von Zalando-Klonen mit Ablegern in der ganzen Welt, 2016 um fast die Hälfte auf minus 128 Millionen Euro. Der Umsatz stieg auf mehr als eine Milliarde Euro. Namshi, der Teil der Gruppe, der im mittleren Osten operiert, war 2016 bereits profitabel.

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Gleichzeitig war die Global Fashion Group in hohem Maße für das negative Gesamtergebnis verantwortlich: Im Zuge einer Finanzierungsrunde im vergangenen Jahr hatten die Investoren, neben Rocket vor allem die schwedische Investitionsbank Kinnevik, die Bewertung der GFG um rund zwei Drittel auf eine Milliarde Euro reduziert. Das sei dem allgemeinen Marktumfeld geschuldet und habe nichts mit der Performance des Unternehmens zu tun, beteuerte Kimpel.

Auch die Möbelhändler Westwing und Home24 konnten ihre Verluste deutlich reduzieren. Allerdings wachsen beide Unternehmen auch langsamer als zuvor, Home 24 etwa nur noch um 4,3 Prozent. Starkes Wachstum zeigt nach wie vor der Kochboxenversender Hello Fresh. Die Umsätze stiegen hier um 96 Prozent auf 597 Millionen Euro. Der Ebitda-Verlust ist mit 82,6 Millionen Euro weiterhin hoch, wenngleich sich die Marge verbesserte.

„Im Jahr 2016 haben unsere ausgewählten Unternehmen weitere Fortschritte auf dem Weg in Richtung Profitabilität erzielt und gleichzeitig ihren Umsatz gesteigert,” sagte Rocket-Chef Oliver Samwer. Bis Ende 2017 sollen drei der größten Beteiligungen profitabel sein. Dieses Versprechen muss er halten, will er das Vertrauen seiner Aktionäre zurückgewinnen.


Anleger müssen weiter auf Börsengänge warten

Als Rocket Internet im Herbst 2014 an die Börse ging, hatte Oliver Samwer gerade seinen größten Erfolg gefeiert: Der Online-Händler Zalando war – allen Kritikern zum Trotz – profitabel geworden und hatte an der Börse 600 Millionen Euro eingesammelt. Doch wer geglaubt hatte, die Geschichte würde sich von nun an jedes Jahr wiederholen, wurde enttäuscht: Auf einen weiteren Börsengang warten Anleger seither vergeblich.

Der Kochboxenversender Hello Fresh hatte zwar einen IPO geplant, musste aber mangels Käuferinteresse wieder absagen. Den Investoren war die aufgerufene Bewertung von über zwei Milliarden Euro zu hoch – für ein Geschäft, das immer noch Verluste im zweistelligen Millionenbereich macht.

Der Verkauf der südostasiatischen Plattform Lazada an den chinesischen Konzern Alibaba vor rund einem Jahr, ein Deal, bei dem Rocket sein Investment immerhin verfünfzehnfachte, brachte nur kurzfristig Erholung für die Aktie. Schwerer wog der Ausstieg des langjährigen Partners Kinnevik und größten Anteilseigners neben der Familie Samwer im letzten Februar. Die schwedische Investmentgesellschaft hatte nicht nur in die Holding Rocket Internet investiert, sondern auch mehrere von Samwers Start-ups direkt mitfinanziert. So sind die Schweden unter anderem an Westwing und an der Global Fashion Group beteiligt.

Wann das nächste Unternehmen an die Börse geht, wollten die Rocket-Chefs am Dienstag nicht sagen. „Das entscheiden die Start-ups selbst“, sagte Oliver Samwer. Fest steht, dass die Pizzalieferdienst-Vermittler Delivery Hero einen Börsengang für dieses Jahr vorbereitet. Das Unternehmen, an dem Rocket Internet einen Anteil von knapp 40 Prozent hält, hatte bereits am Montag einen Vorgeschmack auf seine Zahlen gegeben. Demnach stiegen die Umsätze 2016 um fast 80 Prozent auf 297 Millionen Euro. Die Ergebnisse will das Start-up erst am Mittwoch veröffentlichen. Sie werden negativ sein.

KONTEXT

Das sagt Oliver Samwer selbst

Über seine Arbeitsmaxime

"Zu viele Menschen glauben ihren eigenen Pressemitteilungen. Messt Erfolg nicht an Berichterstattung, sondern ökonomischem Einfluss. ["¦] Betreibt ein Start-up wie eine Bäckerei: Backt am Morgen, verkauft über den Tag und zählt die Einnahmen in der Nacht! ["¦] Fürchtet euch nicht davor, im Dreck zu leben. ["¦] Geht zu McKinsey, wenn ihr gescheitert seid. Warum vorher? Jetzt seid ihr jung. Ihr solltet glücklich sein. Gott hat euch das Internet gegeben!"

Oliver Samwer zu unterschiedlichen Gelegenheiten über seine Arbeitsmaximen

Über seine Zeit an der WHU

"Das Tollste waren die Gastvorträge von Unternehmern, die im Zeitraffer erzählten, wie sie aus dem Nichts eine Firma mit ein paar Hundert oder sogar 20.000 Leuten schufen, wie sie auch mal am Abgrund standen, bis dann gerade noch rechtzeitig der entscheidende Auftrag kam."

Oliver Samwer über die Vorzüge seines Studiums an der WHU

Über das ideale Start-up

"Das ideale Start-up ist eine Kombination aus Gelegenheit, Team und Timing. Das ideale Start-up adressiert einen riesigen Marktplatz, der offen für eine Veränderung ist oder gerade durch einen Paradigmenwechsel kreiert wird, hat ein Team, das empfindlich genug für die Anforderungen des Marktes ist, und im richtigen Moment auf den Markt kommt, nicht zu früh und nicht zu spät. Jede einzelne dieser Eigenschaften, wenn sie schlimm genug ist, tötet das Unternehmen."

Oliver Samwer und Max Finger über ein "ideales Start-up" in ihrer Diplomarbeit

Über den Verkauf von Alando

"Wir haben Alando überhaupt nicht zum richtigen Zeitpunkt verkauft. Wir waren doch Idioten, dass wir ausgestiegen sind. Wir waren die größte deutsche Auktionsseite. Heute macht Ebay in Deutschland 120 Millionen Euro Gewinn im Jahr, folglich war es nicht klug, Alando für 50 Millionen Dollar zu verkaufen. Im Nachhinein sehen ich und meine Brüder das als unseren vielleicht größten Fehler an."

Oliver Samwer über den frühen Ausstieg der Samwers bei Alando

Über kleine Niederlagen

"Eine wirklich schlimme Niederlage haben wir nicht erlitten. Aber wir sind oft durch den Dreck gerobbt. Die Erfolge, die sich hinterher in der Zeitung so mühelos lesen, haben in Wahrheit wahnsinnig viel Kraft gekostet. Und es gab immer kleine Niederlagen - und oft großes Bangen. Bertelsmann hat bei Alando mal intensiv alle unsere Nutzer angespamt und versucht, sie uns auszuspannen. Das hat uns einige schlaflose Nächte gekostet. Bis wir gesehen haben: Die Leute bleiben bei uns."

Oliver Samwer 2007 über die Herausforderungen ihrer Alando-Zeit

Über die Anfänge von Jamba

"Wir haben uns damals mit dem 'Wireless'-Markt beschäftigt, nach Japan geschaut und uns die europäischen Märkte angesehen. Wir stellten fest, dass nicht News, Verkehrsnachrichten oder Börsenkurse das Geschäft mit Mobilfunkdiensten ausmachten, sondern Entertainmentinhalte. Wir sahen den Boom, [...] dass Spiele fürs Handy in Japan bereits ein Renner waren und stellten uns vor, dass dies zusammen mit Musik und Bildern auch in Europa funktionieren könnte."

Oliver Samwer im Jahre 2003 über die Entstehung von Jamba

Über Schnelligkeit

"Wir bekommen jeden Tag viele Businesspläne und E-Mails von Start-ups zugeschickt. Haben wir dann an einer erfolgversprechenden Idee Interesse gefunden, kommt es relativ zeitnah und pragmatisch zur Kontaktaufnahme. Nach kurzer Zeit können wir dann auch bereits eine Investitionsentscheidung treffen, da wir keine bürokratischen Prozesse durchlaufen müssen. Ein Gespräch unter uns drei Brüdern genügt. Vom ersten Meeting bis zur Entscheidung braucht es oft weniger als 48 Stunden."

Oliver Samwer über die Schnelligkeit des European Founders Funds

Über den European Founders Fund

"Wir haben uns in den USA und Asien umgeschaut. Dabei ist uns im kalifornischen Silicon Valley aufgefallen, dass viele erfolgreiche Unternehmer ihr Geld in Start-ups investieren und den jungen Firmen dann auch aktiv zur Seite stehen. ["¦] Wir wollen den Gründern aber nicht nur Geld, sondern auch unsere aktive Unterstützung und unseren Rat geben."

Oliver Samwer über die Aktivitäten des European Founders Funds

Quelle

Joel Kaczmarek, "Die Paten des Internets", erschienen im Finanzbuchverlag FBV, ISBN: 978-3-89879-880-8