Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.492,49
    +15,40 (+0,08%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.083,42
    +1,68 (+0,03%)
     
  • Dow Jones 30

    39.766,56
    +6,48 (+0,02%)
     
  • Gold

    2.245,80
    +33,10 (+1,50%)
     
  • EUR/USD

    1,0805
    -0,0025 (-0,23%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.550,02
    +1.574,25 (+2,46%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    82,83
    +1,48 (+1,82%)
     
  • MDAX

    27.043,04
    -48,91 (-0,18%)
     
  • TecDAX

    3.454,68
    -2,68 (-0,08%)
     
  • SDAX

    14.300,67
    -109,46 (-0,76%)
     
  • Nikkei 225

    40.168,07
    -594,66 (-1,46%)
     
  • FTSE 100

    7.952,62
    +20,64 (+0,26%)
     
  • CAC 40

    8.205,81
    +1,00 (+0,01%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.384,54
    -14,98 (-0,09%)
     

„Für die komplette Erholung der Wirtschaft müssen Menschen komplettes Vertrauen haben“

Eine vollständige Erholung der US-Wirtschaft könnte nach Einschätzung des Chefs der US-Notenbank Jerome Powell bis Ende nächsten Jahres dauern – unter der Annahme, dass es keine zweite Welle des Coronavirus geben wird.

Die Oberen der US-Notenbank wenden sich vergleichsweise selten in TV-Sendungen an ein größeres Publikum. Umso besonderer war es, dass Fed-Chef Jerome Powell nun bereits sein zweites Fernsehinterview gab, seitdem die Bank den Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie aufgenommen. In der Sendung „60 Minutes“ des Senders CBS sprach Powell über die Chancen auf eine komplette Erholung der US-Wirtschaft nach der Coronakrise. Seine Botschaft: Die ist möglich, hängt aber wohl auch von Erfolgen in der Forschung ab.

Die Konjunktur werde sich zwar erholen, sagte Powell in am Sonntag veröffentlichten Ausschnitten des Interviews. Allerdings könne dies bis zum Ende 2021 dauern. Wahrscheinlich sei dies zudem nur mit einem Impfstoff zu schaffen, sagte Powell. Die meisten Amerikaner würden ihre bisher normalen Aktivitäten wie einkaufen, reisen, auswärts essen und sich in großen Gruppen treffen, die alle zum Wachstum der Wirtschaft beitragen, voraussichtlich erst dann wieder aufnehmen. „Für eine komplette Erholung der Wirtschaft müssen die Menschen komplettes Vertrauen haben“, sagte er.

Powell wies darauf hin, dass es im Vergleich zum plötzlichen Einbruch der Wirtschaft deutlich länger dauern würde, diese wieder aufzubauen. „Langfristig und sogar mittelfristig“, sagte der Notenbankchef aber, „will man nicht gegen die amerikanische Wirtschaft wetten. Diese Wirtschaft wird sich erholen. Und das heißt, die Leute werden wieder arbeiten gehen. Die Arbeitslosigkeit wird wieder sinken. Wir werden das durchstehen.“

WERBUNG

Vorher steht den Amerikanern nach Einschätzungen der Notenbank weiteres Ungemach bevor. Die Fed geht von einem dramatischen Einbruch der US-Wirtschaft im laufenden Quartal aus. Es sei gut möglich, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) infolge der Corona-Pandemie um 20 bis 30 Prozent abnehme, so Powell. Er erklärte zudem, dass die Arbeitslosigkeit auch in die Nähe des Rekordhochs von 25 Prozent steigen könnte. Jedoch seien die Notenbank Fed und andere Zentralbanken sehr viel eher in der Lage und gewillt, zur Stabilisierung der Wirtschaft einzugreifen, als sie es in den 1930er Jahren waren. Eine Erholung könne sich jedoch bis zum Ende des kommenden Jahres hinziehen. Für Arbeitnehmer in den USA ist die Coronakrise bereits jetzt extrem belastend: Innerhalb von zwei Monaten haben mehr als 36 Millionen Menschen Arbeitslosenhilfe beantragt. Die Arbeitslosenrate liegt bei 14,7 Prozent, es ist die höchste seit der Weltwirtschaftskrise.

„Schnell zu einer gesunden Wirtschaft zurück“

Der Einbruch sei kein Resultat einer tiefsitzenden Instabilität im Finanzsystem, wie beim Immobiliencrash und dem exzessiven Risikoverhalten von Banken, das zu der Weltwirtschaftskrise beitrug, erklärte Powell. Dass der Einbruch von einem externen Ereignis ausgegangen sei, bedeute, „wir können ziemlich schnell wieder zu einer gesunden Wirtschaft zurück.“

Powell hatte zuletzt vor einer langen Durststrecke der Wirtschaft gewarnt und damit die Börsen aufgeschreckt. Die Federal Reserve hat ihren Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld auf die Spanne von null bis 0,25 Prozent gesenkt und umfangreiche Unterstützungsprogramme für die Wirtschaft in Billionenhöhe aufgelegt. Sie steht unter Druck der US-Regierung, weitere Maßnahmen zu ergreifen: Präsident Donald Trump fordert Negativzinsen.
Trump bemüht sich lautstark tönend darum, die Stimmung zu heben. Er hofft noch auf einen Impfstoff-Einsatz bis Ende des Jahres. Erst am Freitag hatte er jedoch deutlich gemacht, dass ein Impfstoff aus seiner Sicht nicht Voraussetzung für eine Erholung der Wirtschaft ist. „Impfstoff oder kein Impfstoff: Wir sind zurück“, hatte er mit Blick auf die von ihm angestrebte Wiedereröffnung der Wirtschaft gesagt.

Ohnehin vermittelt der US-Präsident immer wieder den Eindruck, das Coronavirus kleinzureden. Das hat bereits Folgen: Kürzlich erst stellten Forscher der Rice University in Houston und der University of Chicago fest: Je höher der Anteil von Trump-Wählern in einem US-Bezirk, desto niedriger die Sorge der Menschen vor Covid-19 – und umso laxer ihre Sicherheitsvorkehrungen.

Wie stark bricht die Wirtschaft wirklich ein?

An den negativen wirtschaftlichen Entwicklungen in den USA ändert das indes natürlich nichts. Egal, wie laut Trump vom wirtschaftsstarken Amerika tönt, die US-Wirtschaft steuert wegen der Coronakrise auf den stärksten Konjunktureinbruch seit der großen Depression in den 1930er Jahren zu. Sowohl der Umsatz im Einzelhandel als auch die Industrieproduktion brachen im April in Rekordtempo ein. Einige Ökonomen rechnen deshalb für das laufende zweite Quartal sogar mit einem Einbruch des Bruttoinlandsproduktes von einer Jahresrate von bis zu 40 Prozent.

Die US-Einzelhändler nahmen 16,4 Prozent weniger ein als im März, wie das Handelsministerium am Freitag mitteilte. Einen größeren Rückgang hat es seit Beginn der Statistik 1992 noch nicht gegeben. Viele Läden mussten im Kampf gegen die Virus-Ausbreitung geschlossen bleiben. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung ist die Massenarbeitslosigkeit: Wegen der Corona-Pandemie verloren im April nach offiziellen Angaben 20,5 Millionen Amerikaner ihren Job, Fachleute gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl noch viel höher liegt.

Und eine deutliche Trendwende ist noch nicht in Sicht. Das Konsumklima hellte sich im Mai nur wenig auf. Das entsprechende Barometer kletterte um 1,9 auf 73,7 Punkte, wie die University of Michigan zu ihrer monatlichen Umfrage mitteilte.

Nicht viel besser sieht es in der Industrie aus. Die Betriebe stellten im April 13,7 Prozent weniger her als im Vormonat. Die gesamte Produktion - zu der auch Versorger und Bergbau beitragen - schrumpfte mit 11,2 Prozent so stark wie noch nie in der seit 101 Jahren veröffentlichten Statistik. Der Kampf gegen die Corona-Krise hat Lieferketten unterbrochen und die Nachfrage in den Keller gedrückt. Viele Experten rechnen erst in der zweiten Jahreshälfte mit einer Belebung.

Der Industrie, die etwa elf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der weltgrößten Volkswirtschaft beiträgt, ging es bereits vor der verschärften Corona-Krise nicht gut. Dazu trugen die Probleme des Flugzeugbauers Boeing mit seinem Modell 737 MAX ebenso bei wie der Preiskrieg der Öl-Staaten Russland und Saudi-Arabien, der den US-Förderfirmen mit der kostspieligeren Fracking-Technik zu schaffen macht.

Inzwischen sei klar, dass es keine schnelle Erholung der Wirtschaft geben werde, hatte auch US-Notenbankmitglied Neel Kashkari bereits vergangenen Donnerstag deutlich gemacht. Wenn das zwei Monate greifende Hilfsprogramm der Regierung („PPP“) auslaufe, werde es einen Anstieg der Firmenpleiten geben, sagte Kashkari voraus. Geschehe dies in der Industrie im großen Stil, würden damit auch Produktionskapazitäten abgebaut. Das „V“-Szenario, bei dem es wie bei dem Buchstaben scharf nach unten, aber auch schnell wieder scharf nach oben gehe, sei „vom Tisch“.

Mehr zum Thema
Kaum ein Land ist so heftig von Corona betroffen wie die USA – auch weil die Pandemie dort nicht von allen ernst genommen wird. Eine neue Studie zeigt: Je mehr Trump-Wähler in einem Ort leben, desto weniger halten sie sich an die soziale Distanz. Mehr dazu lesen Sie hier.