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Für diese Unternehmen wurde Corona zum Charaktertest

Kreativ oder unverantwortlich? Die Coronapandemie stellte Unternehmen in diesem Jahr vor unpopuläre Entscheidungen – viele riskierten dabei ihren guten Ruf. Doch es gab auch andere Patzer.

Auf Twitter sind sich viele schon wieder einig: Sie rufen zum Boykott von Douglas auf. Grund ist die inzwischen wieder zurückgenommene Entscheidung der Parfümeriekette, einen Teil ihrer Filialen trotz des Lockdowns geöffnet zu halten. Diese böten schließlich den Großteil des klassischen Drogeriesortiments.

Nur kurz darauf ruderte Douglas-Chefin Tina Müller jedoch zurück, mit sofortiger Wirkung. „Für viele Menschen war unsere Entscheidung, einige Filialen mit Drogeriesortimenten offen zu halten, nicht nachvollziehbar“, sagte Müller. „Wir bitten diejenigen um Entschuldigung, die wir mit unserem Vorgehen befremdet oder vor den Kopf gestoßen haben.

Dabei hätte Müller gewarnt sein können. Denn schon einmal hatte Douglas in diesem Jahr daneben gelegen. Als die Bundesregierung im Juni die Mehrwertsteuer senkte, plante Douglas, den Kunden einen Gutschein über drei Prozent des Einkaufswerts für ihren nächsten Einkauf auszustellen. Damit löste die Kette eine Protestwelle in den sozialen Netzwerken aus. Die Kunden hätten beim Ersteinkauf überhaupt keinen Vorteil, monierten Kritiker. Einige unterstellten, das Unternehmen spekuliere darauf, dass etliche der Coupons verfallen würden.

Schon nach kurzer Zeit leitete Müller – wie auch nun wieder – die Kehrtwende ein. „Wir haben Euer Feedback gehört (...) und nehmen es ernst“, versicherte sie via Twitter. Künftig gebe es die drei Prozent direkt beim Einkauf.

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Ärger mit dem Minister

Mit Boykott-Aufrufen sah sich in diesem Jahr auch Adidas konfrontiert. Der Sportartikelriese aus Herzogenaurach hatte im ersten Lockdown Mitte März verkündet, im April die Mietzahlungen für seine Läden in Europa auszusetzen. Zwar hatten auch Handelsketten wie Deichmann und H & M ähnliche Schritte angekündigt. Doch Adidas traf der Zorn von Verbrauchern und Politik – wenige Tage zuvor hatte der Konzern noch Rekordzahlen für das Jahr 2019 vorgelegt.

Besonders Arbeitsminister Hubertus Heil und Justizministerin Christine Lambrecht regten sich massiv auf. Heil nannte das Vorgehen von Adidas unverantwortlich, schließlich habe der Konzern in den vergangenen Jahren hohe Gewinne erzielt: „Jetzt müssen alle die Krise gemeinsam schultern. Alle sind gefordert, sich nicht wegzuducken.“ Lambrecht sagte: „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel.“

Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted reagierte auf die heftige Kritik im Heimatmarkt und entschuldigte sich in einem offenen Brief per Zeitungsanzeige: „Die Entscheidung, von Vermieter(innen) unserer Läden die Stundung der Miete für April zu verlangen, wurde von vielen von Ihnen als unsolidarisch empfunden“, hieß es dort, „Ihre Meinung ist uns wichtig, und Ihre Meinung ist eindeutig: Sie sind von Adidas enttäuscht.“

Man habe einen Fehler gemacht und damit viel Vertrauen verspielt, so der Konzern. „Es wird dauern, Ihr Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Aber wir werden alles dafür tun.“ Adidas kündigte an, die Mieten für April nun doch wie üblich zu bezahlen. Der Dax-Konzern verwies aber auch darauf, dass durch die Pandemie „fast auf der gesamten Welt kein normales Geschäft mehr“ stattfinde: „Die Läden sind zu. Das hält selbst ein gesundes Unternehmen wie Adidas nicht lange aus.“ Um Geld zu sparen, habe man bereits Kurzarbeit angemeldet., Vorstand und zweite Führungsebene lassen sich die Gehälter vorerst nur zum Teil auszahlen.

Nachhaltigen Schaden scheint das Mieten-Fiasko nicht angerichtet zu haben. Nachdem zwischenzeitlich alle Geschäfte wieder öffnen konnten, legte der Umsatz des Konzerns im dritten Quartal im Heimatmarkt Europa um vier Prozent zu. Und einer Umfrage für das Fachmagazin Horizont zufolge, zeichnete sich nach der Entschuldigung bereits im Mai eine Erholung des Ansehens der Marke Adidas ab.

Virus beim Fleischer

Auch Deutschlands größter Fleischkonzern Tönnies gibt in der Coronakrise kein gutes Bild ab. Als sich in einem Werk in Gütersloh im Sommer mehr als 1500 Mitarbeiter mit dem Virus infizieren, wird Tönnies zum Feindbild. Dieser und ähnliche Vorfälle lösen eine Diskussion über die Arbeits- und Produktionsbedingungen in der Fleischbranche mit ihren Subunternehmern aus. Die Bundesregierung bringt ein Verbot von Werkverträgen in dem Bereich auf den weg. Tönnies selbst räumt seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender beim Bundesligisten Schalke 04.


Vorwurf Rassismus


Es war jedoch nicht allein das Virus und seine Folgen, das in diesem Jahr das meist sorgsam komponierte Image von Unternehmen ankratzte. Das gilt etwa auch für den Modeversender Zalando. Mitten in der größten Rassismus-Debatte der jüngsten Zeit musste sich Zalando Vorwürfen ehemaliger Mitarbeiter stellen, das Unternehmen habe Fremdenfeindlichkeit geduldet. Der Onlinehändler hatte anlässlich des Mordes an George Floyd in den USA ein schwarzes Quadrat auf Instagram gepostet. Damit wollte Zalando ein Zeichen gegen Rassismus setzen, so wie es zahlreiche Unternehmen taten.

Ein ehemaliger Zalando-Stylist nahm den Post zum Anlass, seine Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit bei Zalando öffentlich zu machen. Er beklagte den rassistischen Umgangston in der Firmenzentrale, vor allem beim Booking schwarzer Models für die Webseite. Zalando räumte nach einer internen Untersuchung „Einzelfälle“ ein, „in denen diskriminierende und unsensible Sprache verwendet wurde“.

Rückzahlungs-Stopp aus Notwehr

Mit dem Start der Coronakrise hatten Deutschlands größte Reiseunternehmen Lufthansa und TUI gleich drei Dinge gemeinsam: Zuerst den massiven Einbruch der Gästezahlen auf stellenweise nicht mal fünf Prozent des Vorjahres, dann staatliche Unterstützung in Milliardenhöhe durch Kredite oder Beihilfen – und schließlich massiven Ärger mit ihren Kunden. Denn beide Konzerne drückten sich davor, die von Kunden bereits bezahlten Tickets oder die Anzahlungen auf gebuchte Urlaube zurückzuzahlen. Zuerst erstatteten sie fast gar nicht und drängten stattdessen die Kunden Gutscheine anzunehmen. Später beglichen dann beide ihre Schulden an den Gästen, wenn auch sehr zögerlich. So warteten in der Spitze mehrere Millionen Kunden wochenlang auf ihr Geld und viele klagten – entweder direkt oder mit Unterstützung der Verbraucherschutzverbände. Da war es kein Trost, dass mit wenigen Ausnahmen wie dem Studienreiseveranstalter Studiosus auch viele andere Fluglinien und Veranstalter im großen Stil säumig blieben.

Auch wenn beide Konzerne inzwischen fast alle Kundengelder erstattet haben, der Ärger blieb. Denn streng genommen – so der Eindruck – haben beide geltendes Recht gebeugt, wenn nicht gar verletzt. Die einschlägigen Regelungen sehen vor, dass die Unternehmen bei abgesagten Reisen die Gelder binnen zwei Wochen zurückschicken müssen.

So fragwürdig der Schritt auch war – vor allem Dinge wie auf den Webseiten den Knopf „Rückzahlung“ zu verstecken: Aus Sicht der Unternehmen war es eine Art Notwehr. Das hatte drei Gründe: Erstens konnten sich beide die Rückzahlung nicht leisten – „wenn wir dann alles sofort zurückgezahlt hätten, wären wir wahrscheinlich bald insolvent gewesen“, gestehen Manager von TUI und Lufthansa in vertraulichen Gesprächen. Zweitens hat beide die schiere Masse der Rückzahlungen überfordert. Nicht zuletzt um in der Not ungerechtfertigte Erstattungen zu verhindern, sollte auf jeden Vorgang ein Mitarbeiter eines Call-Centers blicken. Doch auf den Ansturm von mehreren Millionen Kunden waren die Call-Center nicht vorberietet, zumal viele Kunden nicht nur wegen ausgefallener Flüge anriefen, sondern auch um sich nach künftigen Reisen zu erkundigen. Drittes kommt ein vergleichsweise banaler Grund. dazu: Weil im Laufe des Jahres immer neue Flüge abgesagt werden mussten, kamen besonders mit den ansteigenden Coronazahlen im Herbst ständig neue Flüge dazu. „Darum wird die Zahl der nicht erstatteten Reisen erstmal es auch nie auch nur auf nahe Null gehen“, so ein Konzernmanager.

Mehr zum Thema: Douglas rudert nach massiver Kritik zurück. Andere Handelsketten bleiben jedoch erfinderisch, um den Lockdown zu umgehen.