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Für Architekten bietet die Krise neben trüben Aussichten auch Chancen

Abgesagte Wettbewerbe, gestoppte Projekte: Die Coronakrise trifft die Architekten hart. Mittelfristig sehen sie sich aber auf der Gewinnerseite.

Die Erweiterung des Landtags in Düsseldorf am Rhein ist ein Projekt, um das sich Architekturbüros normalerweise reißen. Es verspricht Prestige und Geschäft. Zudem erscheint es ästhetisch herausfordernd. Schließlich gilt es, den charakteristischen Rundbau aus dem Jahr 1980 weiterzuentwickeln.

Doch dann kam die Coronakrise, und alle Arbeiten verlagerten sich ins Homeoffice. Der Abgabetermin für die Entwürfe war nicht mehr zu halten. Die beteiligten Architekten, die erste Reihe der Kreativen und Macher, baten um eine Fristverlängerung.

Der Präsident des Landtags und der Oberbürgermeister von Düsseldorf gewährten ihnen einen Aufschub von vier Wochen. „Ein wohl einmaliger Vorgang in herausfordernden Zeiten“, kommentiert Thomas Welter, Bundesgeschäftsführer des BDA, des Bundes Deutscher Architekten.

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Immerhin: In Düsseldorf am Rhein soll noch gebaut werden. Die Erweiterungspläne für den Landtag sind noch nicht kassiert worden. An anderen Orten der Republik werden Architekturwettbewerbe gestoppt oder gleich ganz ausgesetzt.

Rund 400 Kilometer südlich von Düsseldorf etwa hat der Flughafen Stuttgart „aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Luftverkehr“ alle Bauprojekte „auf den Prüfstand“ gestellt. Durch diesen Beschluss der Geschäftsführung ist auch der Architekturwettbewerb für die Terminalerweiterung vorerst ausgesetzt.

Planungsstopp in großen und kleinen Städten

Und es sind nicht nur die Architekturwettbewerbe und Vergabeverfahren, die ausgesetzt oder eingestellt werden. Privatwirtschaft und öffentliche Hand stellen alle Bauvorhaben ein, die noch zu stoppen sind. Und dabei handelt es sich nicht nur um einzelne prestigeprächtige Großprojekte wie die neue Konzernzentrale von Hochtief in Essen. Der Planungsstopp zeigt sich vielerorts in Deutschland, vor allem auch in kleinen Städten.

Zwei Beispiele: Die Stadt Kehl in Baden-Württemberg etwa verschiebt den Bau des neuen Schwimmbads „auf unbestimmte Zeit“. Der Grund: Der Stadt fehlen durch die Coronakrise mehrere Millionen Euro im städtischen Haushalt. „Eine Investition von rund 27 Millionen Euro in ein neues Kombibad ist vor diesem Hintergrund nicht vorstellbar“, erklärte Kehls Oberbürgermeister Toni Vetrano: „Auch wenn es wehtut – der Bau des neuen Bades muss verschoben werden.“

Lesen Sie hier, wie die Coronakrise die Immobilienwirtschaft im Einzelnen trifft:

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In Oberschleißheim in Bayern ist es eine ganze Reihe an stornierten Bauvorhaben: der Neubau des Hallenbads, die Sanierung der Bahnbrücke sowie das Wohnbauvorhaben für günstige Mitarbeiterwohnungen. Selbst Renovierungsarbeiten an Grundschulen werden in der Kleinstadt nördlich von München unterbrochen.

„Es droht Ausnahmezustand in der Architektur“, erklärt Thomas Welter, Bundesgeschäftsführer des BDA, des Bundes Deutscher Architekten. Die finanziellen Auswirkungen hielten sich derzeit zwar noch in Grenzen, da im Bau befindliche Projekte überwiegend noch abgewickelt würden. Doch die Aussichten seien stark getrübt. Das sei das Ergebnis einer Mitgliederbefragung des BDA, und das belege auch der Ifo-Geschäftsklimaindex für Architekturbüros.

Architektur in der Krise: Zwei wesentliche Gefahren

Grundsätzlich sieht Welter zwei wesentliche Gefahren: Die meisten Architekturbüros hätten sich im Shutdown zwar erfolgreich ins Homeoffice organisiert. Effizienzverluste gebe es aber natürlich. Gerade die Kommunikation leide stark. Dazu gehöre zum einen die Abstimmung mit Bauherren, die sich auch auf das digitale Arbeiten umstellen müssten.

Zum anderen sei dieser Rückzug nicht ideal für die Erbringung kreativer Leistungen. Es wundere ihn deshalb nicht, dass die beteiligten Architekten um eine Fristverlängerung beim Wettbewerb für den neuen Landtag am Rhein gebeten hätten.

Die zweite Gefahr erkennt Welter im Planungs- und Baustopp vor allem von der öffentlichen Hand. „Die Rekordauftragslage der vergangenen Jahre beschäftigt viele Architekturbüros noch bis zum Herbst. Zeitverzögerungen von mehreren Monaten bei Projekten sind zudem normal und kalkuliert. Wenn dann aber keine neuen Aufträge nachkommen, wird es schnell sehr ernst werden. Vor allem die öffentliche Hand dürfe nicht alle Investitionsvorhaben stoppen.“

In Deutschland gibt es rund 40.000 Architekturbüros. 80 Prozent davon haben nur maximal vier Angestellte. Und nur 100 Büros machen mehr als zehn Millionen Euro Honorarumsatz. Insgesamt steht der Sektor für zwölf Milliarden Euro Honorarumsatz. Das größte deutsche Architekturbüro ist Von Gerkan Marg und Partner (gmp) mit rund 600 Angestellten. Es wurde durch den Bau des Berliner Hauptbahnhofs und Flughafens bekannt.

„Die Unsicherheit ist zur neuen Normalität geworden“, erklärt Dieter Schmoll, geschäftsführender Gesellschafter von RKW + Architektur, der mit rund 400 Angestellten Nummer zwei im Markt, und weiter: „Wir haben sehr gut zu tun. Wir planen keine Entlassungen oder Kurzarbeit.“ Der Bausektor sei jedoch überhitzt gewesen. Nun werde sich auch bei den Architekturbüros zeigen, wer im schwierigen Markt bestehen könne.

Grundsätzliche Beeinträchtigungen sieht er jedoch auch im eigenen Büro. „Die Arbeit ist so weit effektiv, aber isoliert. Wir Architekten schmoren derzeit im eigenen Saft. Es gibt keine Messen, keine Reisen, keine neuen Eindrücke. Das kann so auf Dauer nicht weitergehen. Wir leben schließlich von unserer Kreativität.“ Das Homeoffice habe sich in der Krise zwar bewährt. Es könne aber nur ein temporärer Rückzugsort sein.

Die eingeschränkten Reisetätigkeiten machen auch Joachim Schares zu schaffen. Der geschäftsführende Gesellschafter von AS+P Architekten aus Frankfurt ist eine Art Außenminister seines Büros.

Normalerweise ist er 100 von 365 Tagen im Jahr im Ausland unterwegs. Das Büro mit rund 200 Angestellten ist schon seit Jahrzehnten vor allem stark in Saudi-Arabien aktiv und hat auch eine eigene Niederlassung in Schanghai. „Altkunden und bekannte Bauherren können wir mit Videokonferenzen gut erreichen und auch überzeugen. Die Akquise neuer Projekte und Kunden ist aber ohne persönliche Treffen schwierig.“

Mittel- und langfristig sehen sich die Architekten aber auf der Gewinnerseite. Die Coronakrise fordere insbesondere die kreative Leistung ihrer Industrie. Es müsse im besten Sinne des Wortes neu geplant werden. „Wir brauchen neue Konzepte für Bürogebäude mit großzügigen, offenen Strukturen und geschlossenen Einheiten“, sagt Dieter Schmoll von RKW Architektur +. Gleiches gelte auch für öffentliche Gebäude, insbesondere für Schulen.

Und Joachim Schares von AS+P Architekten sieht Chancen im Städtebau. Dort müsse man „eine Pandemie künftig stärker mitdenken“. Es stünden Veränderungen an: „Wir haben ja gerade erlebt, wie wichtig öffentliche Grünflächen in Städten sind. Sie waren in den vergangenen Wochen weltweit einem enormen Stresstest unterworfen. Die Schaffung von Grünflächen wird in der Stadt von morgen deshalb noch wichtiger werden – und das ist im Übrigen auch im Sinne eines anderen Trends: des Klimaschutzes.“

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