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Die fünf Konsequenzen der taumelnden türkischen Lira

Die türkische Währung fällt gegenüber Dollar und Euro fast täglich auf ein neues Rekordtief. Zudem gibt es Zweifel an der Zuverlässigkeit der türkischen Daten.

Allein dieses Jahr hat die türkische Lira 25 Prozent an Wert verloren. Foto: dpa
Allein dieses Jahr hat die türkische Lira 25 Prozent an Wert verloren. Foto: dpa

Die türkische Lira taumelt von Rekordtief zu Rekordtief. Der Dollar steigt im Gegenzug auf ein Rekordhoch von 7,955 Lira, der Euro sogar auf 9,3662 . Bemühungen der Notenbank, am Devisenmarkt einzugreifen, laufen mittlerweile ins Leere, und auch die überraschende Zinserhöhung im September scheint inzwischen verpufft zu sein.

Der Verfall der Landeswährung bringt das Nato-Mitglied zunehmend in Bedrängnis. Allein seit Jahresauftakt hat die Lira fast ein Drittel verloren – binnen eines Jahrzehnts sind es mehr als 80 Prozent.

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Neben den vielen Problemen des Landes mit den zahlreichen geopolitischen Spannungen gibt seit einigen Tagen eine interessante Entwicklung: Laut der Commerzbank hat Birol Aydemir, vormals Chef des türkischen Statistikamts Turkstat, öffentlich behauptet, dass die amtlichen türkischen Daten „frisiert würden“ und das Statistikamt keine wirklich unabhängige Institution sei.

Konkret warnte er, manipulierte Daten würden letztlich zu einem gefährlichen Abgleiten in den vollständigen Einbruch führen. Zur Einordnung: Aydemir gründete im März eine neue Partei und zählt zur Opposition zur Regierungspartei AKP.

Bereits vor einigen Jahren hatten die Commerzbank-Devisenanalysten die Frage nach der Zuverlässigkeit der türkischen Daten gestellt. So wurde insbesondere im 3. Quartal 2016 eine Reihe von Anpassungen an der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vorgenommen, in deren Nachgang das durchschnittliche BIP-Wachstum der letzten Jahre rückwirkend kräftig nach oben korrigiert wurde.

„Sollte in diesen Behauptungen auch nur ein Funke Wahrheit stecken, wäre dies unseres Erachtens ein unüberwindbares Hindernis für ein Türkei-Engagement“, schreibt Commerzbank-Devisenanalyst Tatha Goose.

Im Folgenden ein Überblick über die Konsequenzen, die sich dem Verfall der Lira ergeben oder noch ergeben könnten:

1. Unternehmen haben sich im Ausland hoch verschuldet

Die Staatsverschuldung der Türkei gilt allgemein als tragbar. Anders sieht es aber bei den Unternehmen und Finanzinstituten des Landes aus. Viele haben in den vergangenen Jahren Kredite im Ausland aufgenommen, weil sie dort häufig niedrigere Zinsen zahlen müssen.

Auf sie kommen allein in den kommenden zwei Monaten Rückzahlungen im Volumen von fast zehn Milliarden Dollar zu. „Eine weitere Abwertung der Lira würde die Bilanzen der Firmen weiter belasten und negative Auswirkungen auf die Investitionsaussichten haben“, sagt Ugras Ulku, Chefanalyst für europäische Schwellenländer beim Institute of International Finance (IIF).

Das komme ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo vermehrte Investitionen nötig seien, um die Produktivität zu steigern, die Arbeitslosigkeit abzubauen, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die Exporte in Schwung zu bekommen. Im Außenhandel allerdings kommt die schwächere Währung den Firmen zugute, weil sie ihre Produkte billiger im Ausland verkaufen können.

2. Schwache Lira sorgt für hohe Inflation

Die Schwäche der Währung macht sich in den Geldbeuteln der Bevölkerung bemerkbar. Die Inflation ist ein wunder Punkt für die Türkei, die auf eine Geschichte sehr stark steigender Lebenshaltungskosten zurückblickt – die Zeit der Hyperinflation wurde erst vor 17 Jahren überwunden. Im September ging die Teuerungsrate leicht zurück, liegt mit 11,75 Prozent aber weit über der Zielmarke der Notenbank von fünf Prozent. Experten rechnen nicht damit, dass sich die Inflation bald beruhigt.

„Wir gehen davon aus, dass die Abwertung der Lira der Haupttreiber der Inflation ist“, sagt Goldman-Sachs-Experte Kevin Daly. Verliert die Währung an Wert, verteuern sich Einfuhren. Daly verweist zudem darauf, dass die Inflation zuletzt auch durch Steuersenkungen gedrosselt worden sei und der Preisdruck in der Kernrate weiterhin hoch sei.

Der Notenbank gelingt es kaum, die Teuerungsraten in den Griff zu bekommen. Der Zinssatz liegt auch nach der überraschenden Zinserhöhung mit 10,25 Prozent unter der Teuerungsrate. Damit bietet er wenig Anreize für ausländisches Kapital und schwächt die Währung des Landes, das ohnehin unter einem Leistungsbilanzdefizit ächzt.

3. Vertrauen in den Notenbank schwindet

Ein wichtiger Grund, warum Investoren das Vertrauen in die Lira verlieren, ist die Frage nach der Unabhängigkeit der Notenbank. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gilt als ein Verfechter niedriger Zinsen. Viele Investoren fürchten seinen Einfluss auf die Notenbank.

Umso überraschender kam die Zinserhöhung um 200 Basispunkte im September. Bei Experten stieß der Schritt auf Zustimmung – konnte jedoch den Kursrutsch der Lira kaum bremsen. Auch die höheren Obergrenzen für Devisentransaktionen mit ausländischen Kreditinstituten wurden von Analysten begrüßt.

„Das lässt darauf schließen, dass es die türkischen Behörden endlich verstanden haben“, sagte Timothy Ash von BlueBay Asset Management in einer ersten Reaktion. Allerdings halten viele Fachleute weitere Zinsschritte für nötig. „Der Zinssatz muss 100 oder 200 Basispunkte über der Inflationsrate liegen – dann können wir zu einem konstruktiveren Umgang mit der Lira kommen“, sagt Commerzbank-Fachmann Tatha Ghose.

4. Devisenreserven schwinden

Die Notenbank hatte sich bereits mit Eingriffen am Devisenmarkt gegen den Verfall der Landeswährung gestemmt. Als Ergebnis schwinden jedoch die Devisenreserven. Goldman Sachs geht davon aus, dass die Türkei allein in diesem Jahr fast 80 Milliarden Dollar verbrannt hat, um die Währung zu stützen. Jüngsten Daten zufolge sind weniger als 20 Milliarden Dollar an Reserven übrig.

Wichtig ist noch ein andere, für den Devisenmarkt stets wichtige Kennzahl. Die „frei verfügbaren Reserven“, bei denen Devisen-Mindestreserven, die Banken bei der türkischen Zentralbank halten, ausgenommen sind. Diese Zahl rutscht seit Ende August stetig in negatives Territorium ab und erreichte Ende September minus acht Milliarden Dollar. Anders gesagt: Die Türkei als Staat hat weniger Gesamtreserven als ihre Banken.

5. Ein IWF-Hilfspaket dürfte folgenreich sein

Die Commerzbank-Devisenanalysten bleiben bei ihrer Einschätzung, die sie seit längerer Zeit vertreten: Letztlich wird es schwierig, so etwas wie ein IWF-Hilfspaket zu vermeiden. „Erdogans geldpolitsches Experiment wird scheitern“, meinte Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann bereits vor mehr als einem Jahr.

Sollte das so kommen, darf man auf die politischen Auswirkungen in der Türkei gespannt sein. Erdogan hat immer ein solches Hilfspaket ausgeschlossen.