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Fünf Herausforderungen für Outfittery – und wie Gründerin Julia Bösch diese angeht

Julia Bösch hat sich für das Start-up noch einmal frisches Kapital gesichert. Doch der Trend zum Homeoffice macht den Weg zur Profitabilität noch schwieriger.

Julia Bösch ist eine bekannte Größe in der Start-up-Welt. Schließlich hatte sie zusammen mit Anna Alex bereits vor neun Jahren ihr eigenes Start-up Outfittery gegründet. Die beiden Gründerinnen bekamen viel Aufmerksamkeit – und auch viel Wagniskapital. Ihr Geschäftsmodell: Curated Shopping für Männer. Diese bekommen digital Hilfe beim Klamottenkauf, mal mit Stylisten, mal per Algorithmus, und bekommen dann eine Box zugesendet.

Doch das Corona-Jahr 2020 war herausfordernd für die Gründerin. Viele Kunden blieben im Homeoffice und shoppten kaum Mode – auch im Netz nicht. Die Zurückhaltung der Verbraucher macht es Outfittery nun noch schwieriger, endlich profitabel zu werden.

Bösch aber gibt nicht auf. Jetzt hat sie sich von den Investoren HV Capital, Highland, Northzone und dem Hightech-Gründerfonds frisches Kapital gesichert, wie das Handelsblatt erfahren hat. Wie sie mit ihrem Unternehmen die Krisensituation angeht, taugt als Beispiel für viele andere Start-ups.

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Herausforderung 1: Das Sortiment flexibel anpassen

Während der gesamte Modehandel 2020 um rund ein Viertel bis ein Drittel zurückgegangen ist, stieg der Online-Anteil von rund 20 auf 39 bis 42 Prozent, schätzt das Kölner Institut für Handelsforschung. „Und das wird auch so bleiben“, ist Bösch überzeugt. Outfittery konnte jedoch vom Corona-bedingten Online-Boom nicht so stark profitieren wie Europas größte Modeplattform Zalando, wo Bösch und auch ihre Mitgründerin einst arbeiteten.

Bei Outfittery kommt hinzu, dass die Hauptkunden – berufstätige Männer, die die meiste Zeit beruflich unterwegs oder im Büro arbeiten – allesamt ins Homeoffice gezogen sind. Im Sommer arbeiteten weiter viele von daheim, bevor dann der zweite Lockdown endgültig alle zurück vor den häuslichen Rechner setzte.

Und wenn es keine Anlässe für große Einkäufe gibt, dann kaufen die Kunden oft nur das Nötigste: Polo statt Hemd, Jeans statt Stoffhose, Kappe statt Friseurbesuch. „Wir haben so viele Hoodie-Pullis verkauft wie nie zuvor“, sagt Bösch. „Außerdem hatten wir im Sommer einen Rekordumsatz mit kurzen Hosen.“

Klar ist, dass sich das Homeoffice langfristig etablieren wird. Künftig wird also weniger Business-Kleidung gefragt sein, weil nicht mehr fünf von sieben Tagen ein Büro-Outfit hermuss. Aber: Die Sehnsucht der Menschen nach Ausgehen wird steigen, darauf müssen sich alle Modehändler einstellen.

Herausforderung 2: Beratung und Algorithmen eng verzahnen

Die Herausforderung beim Geschäftsmodell von Outfittery besteht darin, den Kunden ein immer passgenaueres Angebot zu liefern, auch um die Retouren weiter zu verringern. Bei Outfittery werden dazu inzwischen auch Algorithmen genutzt.

Die Idee: Wenn die Kunden persönliche Beratung wünschen, bekommen sie diese. Aber durch die Datensammlung über den Algorithmus hinter „Dein Shop“ sollen im Prinzip beide Beratungen, die persönliche und die errechnete, besser werden.

„Stylisten und Algorithmen werden eng verzahnt und lernen dadurch und verringern die Retourenquoten“, sagt Bösch. Einen Erfolg kann sie dank der rund 50 Datenpunkte bereits melden: „Während das Neukundengeschäft unter den Erwartungen zurückgeblieben ist, konnte der Umsatz pro Bestandskunde um mehr als zehn Prozent gesteigert werden.“

Das schreibt sie den noch passgenaueren Beratungen zu, die durch den Algorithmus ermöglicht würden.

Herausforderung 3: Professionelle Strukturen einziehen

Firmen, die wie Outfittery bereits schon deutlich mehr als fünf Jahre aktiv sind, entwachsen häufig den klassischen Start-up Strukturen. Oder anders ausgedrückt, es müssen klare Prozesse her, wo zuvor auch der Zuruf noch gut funktionierte.

Bösch sagt, die internen Prozesse seien professionalisiert worden. Man habe 2020 auch niemanden wegen Corona entlassen müssen. Mit Benjamin von Schenck hat Bösch ab 1. April nun einen versierten Manager von Pro Sieben als CFO an ihre Seite geholt. Schon seit Jahresbeginn ist Alessandro Patina an Bord als Marketingchef, er kommt von Zalando.

„Outfittery hat ein Management-Upgrade bekommen, sich neben der starken CEO Julia Bösch in einigen Bereichen verstärkt und ist solide finanziert“, urteilt Investor Rainer Märkle von HV Capital, der ganz früh bei Outfittery eingestiegen ist. Die Zeichen stehen also auf Professionalisierung und Profitabilität.

Alex von Frankenberg, Investor der allerersten Stunde vom Hightech-Gründerfonds, bei dem Bösch einst ein Praktikum absolvierte, sagt: „Es gab schon mehrere Monate, die profitabel waren, und das Unternehmen ist für dieses Jahr durchfinanziert.“ Und er habe nach dieser normalen Finanzierungsrunde „berechtigte Hoffnung, dass Outfittery in die Profitabilität kommt und kein Geld mehr von außen braucht“.

Auch Investor Märkle von HV Capital sieht Outfittery an der Schwelle zur Profitabilität, und das Unternehmen „soll dieses Jahr profitabel werden“. Investor Märkle deutet zumindest eine Zahl für den geplanten Umsatz an: „Wenn man die 100 Millionen Euro Umsatz ansteuert, muss das profitabel sein.“

Hoffnungsfroh stimmt Märkle, dass pro Kunde der Umsatz gesteigert worden sei. „Wir glauben an das Potenzial, es gibt da ja nicht viel Konkurrenz, Zalando bietet auch Curated Shopping an, rückt das aber nicht so in den Vordergrund, da ist ein eigenständiges Angebot von Outfittery genau für die Zielgruppe der jungen Männer schon auch stark.“

Herausforderung 4: Den Druck der Investoren aushalten

Outfittery hat laut Brancheninsidern bisher 50 bis 60 Millionen Euro Wagniskapital bekommen, offizielle Zahlen nennt das Unternehmen nicht. Eine solche Summe erzeugt Druck, denn die Investoren wollen meist rasch Erfolge sehen, um eine Perspektive auf einen Exit zu bekommen. Das führt dazu, dass die Unternehmen mit viel Wagniskapital dazu verdammt sind, sehr schnell zu wachsen.

Ein Experte aus der Investorenszene bringt es mit einer Frage auf den Punkt: „Kann Outfittery so groß werden wie Zalando? Nein, aber es ist ein gutes Geschäftsmodell mit viel Potenzial, das aber die Wachstumsziele nicht ganz erreicht hat.“ Er kennt den Mechanismus im Markt, wenn viel Wagniskapital geflossen ist. „Manchmal kommt dadurch eine negative Dynamik mit den Investoren auf, die mit dem Geschäftsmodell nichts zu tun haben muss.“

Tatsächlich sagt Rainer Märkle von HV Capital: „Das Geschäftsmodell von Outfittery hat sich in den vergangenen zwei Jahren nicht ganz so entfaltet wie erhofft.“ Nach der Übernahme des Konkurrenten Modomoto in 2019 sei wegen der Pandemie 2020 „doch leider ein eher schwieriges Jahr“ gewesen. „In der Zielgruppe der jungen Männer waren die für Outfitterys Angebot relevantesten Lebensbereiche Büro und Ausgehen einfach weitgehend ausgelöscht“, urteilt der Kapitalgeber.

Zu den aktuellen Zahlen möchte Outfittery-Chefin Bösch nichts sagen. Laut Bundesanzeiger lag der Umsatz 2018 bei mehr als 52 Millionen Euro, der Rohertrag, also der Nettoumsatz nach Retouren, Rabatten und Wareneinsatz, stieg um 23 Prozent auf 32,4 Millionen Euro. Für 2019 hatte Bösch von 80 Millionen gesprochen.

Die Prüfer hatten aber schon im Jahresabschluss für 2018 darauf hingewiesen, dass die Fortführung des Unternehmens davon abhängt, dass es spätestens für 2021 noch mal Geld von den Investoren gibt – wie es jetzt passiert ist. Immerhin schleppt das Unternehmen einen Verlustvortrag von mehr als 50 Millionen Euro mit sich herum.

Herausforderung 5: Offen für neue Geschäftsmodelle sein.

Outfittery gehört in Deutschland zu den Pionieren des Curated Shoppings, also des Online-Verkaufs mit Beratung, und ist in Europa Marktführer, urteilt Thomas Täuber, Handelsexperte und Geschäftsführer bei Accenture. Jedoch sei das Geschäftsmodell nicht trivial und Outfittery werde weitere Konkurrenz bekommen. In den USA ist mit Stitch fix ein Konkurrent auf dem Markt, der auch auf weibliche Kunden zielt und in Europa schon in Großbritannien aktiv ist. Auch Amazon und Zalando testen das Segment.

Handelsexperte Täuber sieht das Potenzial des Curated Shoppings deshalb eher „bei starken E-Commerce-Fashion-Playern wie Zalando, die bereits über eine entsprechend breite Kunden- und Datenbasis verfügen und sich von produktorientierten Anbietern differenzieren wollen, und bei Omnichannel-Retailern als Erweiterung ihres Serviceangebots“.

Outfittery muss deshalb flexibel und offen für neue Ideen bleiben. Auf die Frage, ob Outfittery den eigenen Algorithmus vielleicht den verzweifelten stationären Händlern als Mietmodell verkaufen könnte, sagt Bösch, dass es tatsächlich bereits Anfragen dazu gibt.

Bösch sprach kürzlich in einem Clubhouse-Talk über die Probleme und Chancen des Handels – unter anderem mit dm-Chef Christoph Werner. Sie findet es gut, wenn stationäre Händler innovativer werden und auch mehr in ihren Service investieren. Ihre Hoffnung: „Je mehr Akteure Personal Shopping anbieten, desto mehr etabliert sich das Modell auch beim Kunden als ein zentraler Bestandteil der Shopping-Experience.“

Ihre Mitgründerin Anna Alex hat inzwischen mit Planetly ein neues Start-up gegründet und sitzt im Beirat bei Outfittery. Bösch dagegen will ihr Unternehmen zum Erfolg führen „2018 haben wir ein großes Rebranding von Outfittery umgesetzt, 2019 stand der Merger mit Modomoto im Fokus, 2020 das Management der Coronakrise. Für 2021 ist ganz klar nachhaltige Profitabilität bei weiterem Wachstum mein Ziel.“