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Führende Unionspolitiker warnen vor „Dauerlockdown“ und fordern Strategiewechsel

Die Wirtschaft verlangt öffentliche Diskussion über den richtigen Weg aus der Krise. Und auch in der Union werden die Rufe nach einer Neuausrichtung der Coronapolitik lauter.

In vielen Regionen steht der Einzelhandel auf der Kippe. Foto: dpa
In vielen Regionen steht der Einzelhandel auf der Kippe. Foto: dpa

Im Vorstand der Bundestagsfraktion von CDU und CSU mehren sich die Stimmen derer, die einen Strategiewechsel in der Coronapolitik fordern. „Je länger diese zweite Welle andauert und die Gefahr weiterer Wellen durch Virus-Mutationen steigt, desto dringender wird es, die jetzige Strategie zu überdenken und neu auszurichten“, sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann dem Handelsblatt.

Er fordert, ein klares Bild vom Infektionsgeschehen zu erhalten. „Es darf doch nicht wahr sein, dass wir immer noch nicht wissen, wo sich die Menschen anstecken. Sind es bestimmte Berufsgruppen, ist es der ÖPNV, gibt es soziale Faktoren? Wenn wir hier nicht endlich Licht ins Dunkel bringen, stolpern wir in den nächsten Wochen und Monaten von einem Lockdown in den nächsten“, warnte der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU. „Aber das hält weder unsere Wirtschaft noch unsere Gesellschaft aus.“

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Auch der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, beklagt inzwischen einen „Eiertanz“ der Politik. Und Christian Haase, der Chef der kommunalpolitischen Vereinigung der CDU, forderte entsprechend eine „Exitstrategie, in deren Mittelpunkt die Impfungen stehen“.

In vielen Regionen stehe der Einzelhandel auf der Kippe, die Menschen verfielen langsam in eine gewisse Perspektivlosigkeit. „Da hilft es wenig, wenn Ministerpräsidenten über Dauerlockdown-Szenarien sprechen“, warnte der Bundestagsabgeordnete.

„Wenn die Zahlen weiter deutlich sinken und auf einem niedrigen Niveau verharren, muss ein klares Ausstiegsszenario her, das sich an nachvollziehbaren Kriterien ausrichtet.“

Entfacht hatte die Debatte Ende vergangener Woche Fraktionsvize Georg Nüßlein. Im Handelsblatt hatte er darauf gedrängt, über Alternativen nachzudenken. „Wir brauchen eine Strategie, wie wir das gesellschaftliche Leben öffnen, ohne es kurz darauf wieder zu schließen“, forderte er. Es gehe nicht darum, alles beim nächsten Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten wieder zu öffnen.

Die Strategie müsse daran geknüpft sein, dass die Infektionszahlen nachhaltig sinken und die Virusmutation nicht zu neuen Problemen führt. So schlug Nüßlein vor, dass etwa Unternehmen Schnelltests bei ihren Mitarbeitern durchführen könnten. „Die Menschen sind bereit, vieles in Kauf zu nehmen, und auch die Unternehmen haben Interessen, dass ihre Belegschaft nicht ausfällt.“

Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat noch nicht getagt

Als positives Zeichen betrachtete Nüßlein die Vereinbarung von Kanzleramt und Ministerpräsidenten bei ihrem letzten Treffen am 19. Januar, eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Sie soll über mögliche Öffnungsstrategien beraten. „Bund und Länder werden rechtzeitig vor dem Auslaufen der Maßnahmen zusammenkommen, um über das Vorgehen nach dem 14. Februar zu beraten“, hieß es in dem Beschlusspapier und weiter: „Eine Arbeitsgruppe auf Ebene des Chefs des Bundeskanzleramtes und der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien wird beauftragt, bis dahin ein Konzept für eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie zu erarbeiten.“

Allerdings hat sich die Arbeitsgruppe noch nicht konstituiert. „Die Arbeitsgruppe befindet sich in der Abstimmung zwischen Bund und Ländern“, erklärte ein Regierungssprecher auf Nachfrage. Weitere Details wollte er nicht bekanntgeben außer: „Sie wird regelmäßig tagen.“

Eine öffentliche Diskussion über den richtigen Weg aus der Krise lehnen indes sowohl Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) wie auch der neue CDU-Chef Armin Laschet ab. Für Öffnungsdiskussionen sei „kein Raum“, sagte Laschet am Montag und begründete dies mit der Ungewissheit angesichts des mutierten Virus. „Wir müssen auf Sicht fahren“, erklärte er.

Regional so früh wie möglich lockern

Dem aber folgt die Bundestagsfraktion nicht mehr. „Die Forderung nach einem Ausstieg ist berechtigt“, sagte Fraktionsvize Johann Wadephul dem Handelsblatt. Angesichts der mutierten Virusvariante müssten natürlich „unnötige Risiken“ vermieden werden.

„Richtig ist aber, dass mit Blick auf freie Krankenhauskapazitäten nicht überall die Inzidenz 50 das Maß aller Dinge ist“, stellte der aus dem weniger von der Pandemie betroffenen Bundesland Schleswig-Holstein stammende Wadephul fest. „Deshalb sind angesichts der hohen wirtschaftlichen und sozialen Schäden Lockerungen so früh wie irgend möglich anzustreben.“ Ähnlich fordert es auch der Ministerpräsident des nördlichsten Bundeslandes, Daniel Günther (CDU).

Fraktionsvizin Gitta Connemann lobte die „beispiellose Disziplin“ von Bürgern und Betrieben während des Lockdowns. „Aber jetzt brauchen sie eine gesicherte Perspektive“, sagte sie dem Handelsblatt. Dies sei zwar eine Gratwanderung, da keine falschen Hoffnungen geweckt werden dürften, schließlich gelte es, weiter Risikogruppen zu schützen. „Aber wir müssen darüber hinaus den Blick nach vorn richten und die Frage beantworten: Welcher Weg führt aus dem Lockdown? Hier darf es keine Denkverbote geben.“

Die führenden Fraktionspolitiker treibt die Sorge um, dass der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet. Dies legen Umfragen nahe, belegen allerdings auch die Rückmeldungen aus den Wahlkreisen. Die Bundestagsabgeordnete und Vizechefin der Mittelstandsunion, Jana Schimke, sagte: „Immer mehr Menschen zweifeln an den Corona-Maßnahmen und halten sie für unverhältnismäßig, vor allem die erzeugten Schäden durch die Lockdown-Politik.“

Die Regierung drohe Vertrauen zu verspielen. Wichtig sei es daher, die Strategie in den Blick zu nehmen, besondere Risikogruppen zu schützen. Dazu gehören etwa die Bewohner von Pflegeheimen. „Dafür muss in anderen Bereichen mehr Normalität auch unter Auflagen möglich sein: vor allem bei Grundschulen, im Einzelhandel, auch in der Gastronomie und in der Kultur.“