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EZB in Sorge: Die Dollar-Schwäche könnte zum Problem werden

Der Dollar hat in den vergangenen Monaten deutlich abgewertet. Auch wenn er sich zuletzt etwas stabilisierte, sorgen sich die europäischen Notenbanker.

Die US-Währung hat in den vergangenen Monaten deutlich nachgegeben. Foto: dpa
Die US-Währung hat in den vergangenen Monaten deutlich nachgegeben. Foto: dpa

Kaum ein Thema treibt die Notenbanker der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit so um wie der Wechselkurs. Der US-Dollar schwächelt – und der Euro hat in den vergangenen Monaten deutlich zugelegt. Das bringt die EZB in Probleme, wie der niederländische Notenbankchef Klaas Knot am vergangenen Mittwoch deutlich zur Sprache brachte.

In einem Interview mit Bloomberg TV verwies er auf die Folgen des starken Euros für die Inflationsentwicklung. Und drohte, die EZB verfüge über genug Instrumente, um einen weiteren Kursanstieg notfalls zu stoppen.

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Das schwächte den Euro kurzzeitig etwas und gab dem Dollar Auftrieb. Zuletzt hat sich die US-Währung auch dank des Anstiegs der amerikanischen Anleiherenditen etwas stabilisiert. Aber die Devisenexperten bleiben skeptisch.

„Längerfristig erwarten wir einen schwächeren Dollar“, sagt Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann. Als Grund sieht er vor allem den neuen geldpolitischen Kurs der US-Notenbank Fed.

Diese hat im September ihre Strategie angepasst und will künftig nach längeren Phasen niedriger Preissteigerungen eine Inflation von über zwei Prozent tolerieren. Leuchtmann sagt daher: „Wir gehen davon aus, dass die Fed auch bei einer höheren Inflation an ihrer lockeren Geldpolitik festhält.“ Er nennt noch weitere Argumente für einen schwächeren Dollar.

Eines ist die im historischen Vergleich hohe Bewertung der US-Währung. Dazu kommt, dass durch die entschlossene Krisenpolitik auch die Staatsschulden in den USA stark steigen. Ein dauerhaftes Phänomen ist zudem das Defizit in der Leistungsbilanz, also im Handel von Waren und Dienstleistungen mit dem Ausland. Die USA führen mehr aus dem Ausland ein, als sie dorthin liefern. Um dafür zu bezahlen, müssen sie Dollar in ausländische Währung tauschen, was den Dollar-Kurs schwächt.

Sonja Marten, die Devisenanalystin der DZ Bank, richtet den Blick vor allem auf die Geldpolitik. Die Fed habe mit ihrer neuen Strategie „die Weichen für eine expansivere Ausrichtung gestellt“. Dies werde den Dollar in diesem Jahr beeinflussen. Sie warnt daher: „Wir rechnen damit, dass US-Dollar-Engagements für Anleger aus dem Euro-Raum auf Jahressicht einen negativen Gesamtertrag erzielen werden.“

Am vergangenen Mittwoch bekräftigte Fed-Chef Jerome Powell nach der Sitzung der Notenbank, an dem bisherigen Kurs festzuhalten. Die Fed beließ den Leitzins auf dem Niveau von nahe null und lässt auch die Wertpapierkäufe von monatlich 120 Milliarden Dollar weiterlaufen.

Powell wandte sich deutlich gegen Spekulationen über ein frühzeitiges Zurückfahren der Käufe. Daran sei angesichts der Misere am Arbeitsmarkt mit vielen Millionen Amerikanern, die pandemiebedingt ihren Job verloren haben, vorerst nicht zu denken.

Die Fed bleibt locker

Ebrahim Rahbari, der Devisenexperte der Citigroup in den USA, sieht als zentrale Botschaft von Powell das Bemühen, die Inflation und das Beschäftigungsniveau zu stärken. Er erwartet, dass die Geldpolitik der Fed lockerer ausfallen wird als die der EZB und anderer Notenbanken. Aus diesem Grund rechnet er mit einer weiter zunehmenden Risikobereitschaft der Investoren und einem schwächeren Dollar.

Langfristig scheint die Richtung also klar zu sein. Aber kurzfristig ist das Bild weniger deutlich. Aktuell kann es angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen zu stärkeren Schwankungen an den Märkten kommen, glaubt Rahbari. Commerzbank-Experte Leuchtmann geht außerdem davon aus, dass die Versuche von EZB-Vertretern, den Euro zu schwächen, zumindest kurzfristig Wirkung zeigen. Er sagt: „Ich bin erstaunt, wie deutlich der niederländische Notenbankchef Klaas Knot mit einer Zinssenkung gedroht hat, um den Euro-Kurs zu schwächen.

Das ist ein weiterer Tabubruch.“ Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte auf ihrer Pressekonferenz nach der Notenbanksitzung im Januar erklärt, der Wechselkurs werde „sehr sorgfältig“ beobachtet. „Kurzfristig sprechen die Kommentare von EZB-Vertretern zum Wechselkurs für einen stärkeren Dollar“, schließt Leuchtmann daraus.

Die nächste Frage lautet: Was könnte die EZB tun, um den Euro zu drücken? Aus Sicht von Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann wäre vor allem eine Zinssenkung wirksam, wie von Knot ins Spiel gebracht. Allerdings gehen hier die Meinungen auseinander. Eine Zinssenkung der Notenbank wirkt aber vor allem auf die kurzfristigen Zinsen.

Der Chefvolkswirt des Internationalen Bankenverbands IIF, Robin Brooks, geht dagegen davon aus, dass die langfristigen Zinsen für den Euro-Kurs eine wichtigere Rolle spielen. Darauf haben vor allem die Anleihekäufe der Notenbanken Einfluss. Brooks deutet an, dass aus seiner Sicht die EZB noch Spielraum hätte, mit mehr Käufen den Kurs zu beeinflussen.

Eine wichtige Rolle spielen die Renditen der Anleihen. Dabei ist aber entscheidend, ob die nominale Rendite gemeint ist oder die reale Rendite, also die Differenz zwischen der nominalen Variante und der Inflation. Reale Renditen ziehen Geld an und stärken damit die Währung. Wenn aber die Inflation steigt, sinkt die reale Rendite. Und die Währung kann, wenn die Kaufkraft sinkt, trotz hoher nominaler Rendite schwächer werden. Aus diesem Spannungsfeld ergeben sich ebenfalls Anstöße zu Kursschwankungen.

Der kurzfristige Trend bleibt unklar

Zuletzt sind die langfristigen nominalen Anleiherenditen in den USA deutlich gestiegen. Analysten führen das vor allem darauf zurück, dass nach den Stichwahlen in Georgia die Chancen auf ein großes Konjunkturpaket gewachsen sind.

Durch den Erfolg ihrer beiden Kandidaten verfügt die Demokratische Partei des neuen Präsidenten Joe Biden über eine Mehrheit in beiden Kammern des amerikanischen Kongresses. Biden will die Wirtschaft mit einem weiteren Stimulus von rund 1,9 Billionen Dollar stützen. Das könnte das Wachstum in den USA befeuern, und höhere Gewinnaussichten wiederum treiben die Anleiherenditen.

Die Frage ist allerdings, wie nachhaltig der Renditeanstieg am US-Anleihemarkt ist. Die Commerzbank erwartet, dass der aktuellen Euphorie durch den Corona-Impfstoff und Bidens expansive Fiskalpolitik eine Ernüchterung folgt. Sie geht daher davon aus, dass die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen von aktuell etwa 1,10 Prozent bis Jahresende wieder auf rund 0,8 Prozent sinkt. Leuchtmann sieht daher voraus, dass auch die Wirkung der US-Fiskalpolitik auf den Devisenmarkt schrittweise nachlässt.

Steigende nominale Renditen und möglicherweise steigende Inflation arbeiten also gegeneinander. Im vergangenen Jahr sind vor allem die Inflationserwartungen gestiegen, zuletzt hat unter dem Strich dann die reale Rendite zugelegt – aber auch das kann sich wieder drehen, wenn die Begeisterung über ein neues Konjunkturpaket nachlässt.

Kurzfristig ist die Entwicklung also schwer einzuschätzen. Vor allem mittel- bis langfristig sprechen aber viele Faktoren gegen den Dollar – und für einen stärkeren Euro. Für die Notenbanker der EZB würde das bedeuten, dass sie das Thema Wechselkurs noch länger begleitet.