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Experten sehen Dax-Rückschlag nicht als Trendwende

Der weltweite Kurseinbruch versetzt die Anleger in Schrecken. Aber Marktbeobachter bleiben trotz eines zweiten Lockdowns vorsichtig optimistisch.

Lassen wir uns im Lockdown alle wieder mehr Essen liefern? Die Börse scheint davon auszugehen. Jedenfalls startete der neue Dax-Wert Delivery Hero relativ stark in den Tag und hielt sich als einziger Wert noch lange im grünen Bereich. Der Kurs des Essenslieferanten war einsamer Lichtblick im Deutschen Aktienindex (Dax).

Ansonsten ging es am Mittwoch weiter bergab, der Dax notierte am Nachmittag mehr als vier Prozent im Minus. Bereits am Dienstag hatte der Leitindex deutlich nachgegeben. Auch die US-Börse eröffnete am Mittwoch wieder klar negativ. Für Anleger stellt sich damit die Frage: Ist das, was in dieser Woche passiert, ein temporärer Rückschlag oder eine Trendwende?

Nach Meinung von Joachim Schallmayer, Chefstratege der Dekabank, gibt es keine Trendwende. „Wir erwarten weiterhin eine Erholung, die aber immer wieder von Rückschlägen durchbrochen wird“, sagt er und bezieht das auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und auf den hiesigen Aktienmarkt. Den neuen Lockdown bezeichnet er als „Katastrophe“ für die besonders betroffenen Branchen wie Gastronomie und Tourismus.

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Auf der anderen Seite hebt er hervor: „Das verarbeitende Gewerbe und der Einzelhandel scheinen dieses Mal nicht so stark direkt betroffen zu sein.“ Hinzu kommt aus seiner Sicht, dass die Märkte in Asien sich stabil halten – was wichtig ist für den deutschen Export. Insgesamt hält Schallmayer daher die Auswirkungen auf die großen deutschen Aktiengesellschaften für begrenzt.

Auch mit Blick auf die Finanzbranche bleibt er vorsichtig optimistisch: „Die Kurse der europäischen Banken spiegeln bereits ein extrem negatives Szenario wider.“ Anders gesagt: Wenn es ganz so schlimm nicht kommt, sollten sich auch diese Aktien erholen. Sein Fazit: „Wir gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Entwicklung und die Unternehmensgewinne sich nach einem schwächeren vierten Quartal 2020 im kommenden Jahr weiter erholen.“

Lage nicht mit März vergleichbar

Ähnlich kommentiert Jürgen Michels, Chefvolkswirt der BayernLB : „Wir erwarten im Winterhalbjahr eine Pause im wirtschaftlichen Aufholprozess, nicht jedoch einen erneuten Einbruch.“ Aus seiner Sicht hilft dabei auch, dass Schulen und Kitas geöffnet bleiben, es also nicht zu erneuten Problemen bei der Kinderbetreuung kommen sollte.

Axel Cron, Chefanlagestratege bei HSBC Deutschland, liegt auch auf dieser Linie. Er kommentiert: „Die Abwärtsrisiken haben zugenommen, auch am deutschen Aktienmarkt. Aber die derzeitige Situation ist nicht vergleichbar mit dem März.“ Er glaubt: „Selbst ein zweiter Lockdown würde die europäische und die deutsche Wirtschaft nicht erneut so hart treffen.“ Er betont ebenfalls, dass die Erholung in Asien eine wichtige Rolle spielt.

Deutlich skeptischer ist Felix Herrmann, Investmentstratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei Blackrock. Er geht zwar ebenfalls davon aus, dass die wirtschaftlichen Folgen eines neuen Lockdowns geringer sein werden als beim ersten Mal im Frühjahr.

Trotzdem warnt er: „Die Märkte müssen sich jetzt erst einmal darauf einstellen, dass der Aufschwung der letzten Monate vorbei ist.“ Dabei wären einschneidende, aber zeitlich begrenzte Maßnahmen aus seiner Sicht weniger schädlich als eine weiter anhaltende Unsicherheit angesichts steigender Infektionszahlen.

Die große Trendwende mag bisher also kein Experte ausrufen, sie bleiben vorsichtig optimistisch, mit unterschiedlichem Zungenschlag. Einigkeit besteht aber weitgehend auch darin, dass auch heftige Rückschläge jederzeit möglich sind.

Der Dax bewegt sich zum Beispiel nach Beobachtung von Ingo Mainert, dem Chefanlagestrategen Europa bei der Allianz-Fondstocher Allianz Global Investors (Allianz GI), aktuell in einer Bandbreite zwischen 12.100 und 13.200 Punkten. Doch bei schlechten Nachrichten könnte der Index auch noch fünf bis zehn Prozent darunter sacken, bevor ihn „Rettungsversuche aus der Geldpolitik reanimieren dürften“, sagt er.

Christian Kahler, Chefaktienstratege bei der DZ Bank, kann sich ganz ähnlich vorstellen, dass wichtige Indizes wie der Dax oder der S & P 500 bei schlechten Nachrichten jederzeit deutlich weiter einbrechen können. Vom aktuellen Niveau kann der Dax seiner Ansicht nach noch absacken auf rund 10.400 Punkte, der S & P 500 auf rund 3000 Punkte, wobei das nicht sein Basisszenario ist.

Für das weltweite Börsengeschehen ist auch die Frage wichtig, welche Anleger die Kurse stützen – und welche eher abwarten. Der amerikanische Hedgefonds-Manager Brad Lamensdorf warnte seine Fans vor Kurzem in einer Videobotschaft: „Es ist zu viel dummes Geld an der Börse und zu wenig schlaues Geld.“ Als „dumb“ bezeichnet er dabei die Privatanleger, als „smart“ dagegen die Profis. Dabei zählt er zur zweiten Kategorie auch die börsennotierten Unternehmen selbst.

„Zu viel dummes Geld an der Börse“

Seiner Beobachtung nach wurde in den USA die Rally der letzten Monate vor allem von den Privaten getragen, während die Großinvestoren vorsichtig blieben. Besonders beunruhigend findet er, dass Kleinanleger in den USA massiv mit Optionen auf steigende Kurse setzen.

Ganz ähnlich warnt der Hedgefonds-Manager David Einhorn vor einer „Kursblase“ bei Tech-Aktien. Beide, Lamensdorf und Einhorn, verdienen ihr Geld auch mit Wetten auf fallende Kurse. Lamensdorf hatte dabei vor drei Jahren besonders die Deutsche Bank im Visier und sagte damals schon einmal einen großen Crash voraus, der dann zunächst aber nicht eingetreten ist.

Einen „schleichenden Trend zu mehr Aktien bei Privatanlegern“ erkennt auch Ingo Mainert von Allianz GI. Seitdem die Aktienkurse im April und Mai begonnen hatten, sich von dem massiven Kurseinbruch nach Ausbruch der Corona-Pandemie zu erholen, sei das Phänomen zu beobachten gewesen: Private Anleger seien eingestiegen in die Aktienmärkte – der Aufschwung sei regelrecht von ihnen getragen worden, sagt Mainert. Institutionelle Anleger hingegen hätten verzögert und vorsichtiger agiert.

Das zeigen auch die europäischen Kapitalzuflüsse in Investmentfonds, von denen ein gewichtiger Teil – die Publikumsfonds – vorrangig für private Anleger aufgelegt werden. Während private Anleger in den ersten drei Monaten unter dem Strich noch Geld abgezogen haben, investieren sie seit dem Frühjahr netto neues Kapital.