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Experiment Energiewende: VW will griechische Insel auf E-Fahrzeuge umstellen

Auf Astypalea planen Konzernchef Diess und die griechische Regierung ein Pilotprojekt für vollelektrische Mobilität – samt Wind- und Solarenergie.

Noch geht es beschaulich zu auf der Insel. Foto: dpa
Noch geht es beschaulich zu auf der Insel. Foto: dpa

Astypalea ist ein karges Stück Land. Grüne Wälder sucht man auf dem felsigen Eiland, das zur Dodekanes-Inselgruppe in der südöstlichen Ägäis gehört, vergebens. Trotzdem könnte Astypalea bald für sich in Anspruch nehmen, die grünste aller Mittelmeerinseln zu sein. Die griechische Regierung und der Volkswagen-Konzern wollen hier in einem gemeinsamen Pilotprojekt ein ganzheitliches Konzept der nachhaltigen, smarten E-Mobilität testen.

Am Mittwoch haben der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und VW-Chef Herbert Diess in einer Videoschalte eine Absichtserklärung für das Vorhaben unterzeichnet. Ihr Ziel: Alle Autos, Lastwagen Motorräder und Busse der Insel sollen durch Elektrofahrzeuge der Wolfsburger ersetzt werden. Dafür erhält Astypalea eine dichte Ladeinfrastruktur. Der Strom wird aus Wind und Sonne gewonnen. Um die Fahrzeuge effizienter zu nutzen, werden außerdem intelligente Mobilitätskonzepte entwickelt, wie Carsharing und Ridesharing, also Mitfahrgelegenheiten.

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Diess nennt das Projekt „eine zukunftsweisende Blaupause für saubere Mobilität und eine saubere Umwelt“. Astypalea biete „die große Chance zu zeigen, wie man in einem umfassenden Projekt nachhaltige, vollelektrische Mobilität etablieren kann“, sagte er dem Handelsblatt. Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG lobt die gute Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung und den Verantwortlichen vor Ort: „Wenn Politik, Unternehmen und Gesellschaft mit einer gemeinsamen Vision als Partner an einem Strang ziehen, kann Dekarbonisierung sehr schnell gelingen.“

Das Projekt einer „energieautonomen Insel ohne ökologischen Fußabdruck“ geht auf eine griechische Initiative zurück, erläuterte Costas Fragkogiannis dem Handelsblatt. Als Vizeaußenminister ist er in Athen für die Wirtschaftsdiplomatie zuständig. Im vergangenen September konnte Fragkogiannis bei einem Deutschlandbesuch VW als Partner für das Vorhaben gewinnen.

„Astypalea bietet ideale Bedingungen für dieses Projekt“, sagt Fragkogiannis. „Hier können wir ein System der Elektromobilität von Grund auf neu planen. Astypalea hat genau die richtige Größe, um diese neuen Transportsysteme zu testen, und die Bewohner waren sofort von der Idee überzeugt.“

Die rund 1300 Einwohner der Insel, die auf halbem Weg zwischen Naxos und Rhodos liegt, leben überwiegend von Landwirtschaft und Fischfang. Astypalea liegt abseits der großen Touristenströme, nur etwa 72.000 Urlauber kommen im Jahr. Es gibt auf den knapp 100 Quadratkilometern Land 70 Kilometer asphaltierte Straßen.

Das öffentliche Verkehrsnetz besteht aus einer einzigen, zehn Kilometer langen Linie, die von zwei Bussen bedient wird. Hinzu kommen drei kleine Autovermieter, die nur im Sommer geöffnet haben. Die meisten Einwohner sind deshalb auf eigene Fortbewegungsmittel angewiesen. Auf der Insel gibt es rund 1500 Motorfahrzeuge, davon etwa 1000 Zweiräder sowie 500 Pkws und Nutzfahrzeuge.

Dieser Bestand soll in den nächsten zwei Jahren möglichst vollzählig durch VW-Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Dabei werde man die örtlichen Unternehmen und die Inselbewohner „umfangreich unterstützen“, heißt es bei Volkswagen. So soll das bestehende Autovermietungsgeschäft gemeinsam mit den vor Ort tätigen Unternehmen in einen Carsharing-Dienst umgewandelt und dann auch von diesen Unternehmen betrieben werden.

Wegbereiter für Energiewende

Als Erstes sollen die Fahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr und der Kommune durch E-Mobile ersetzt werden. Die beiden Linienbusse, die bisher nur tagsüber verkehrten, werden ausrangiert und durch mehrere kleinere elektrische Shuttlebusse ersetzt. Sie werden keine feste Linie bedienen, sondern 24 Stunden am Tag nach Bedarf alle Orte der Insel anfahren.

Geplant sind außerdem drei Carsharing-Stationen mit 50 Fahrzeugen und vier Sharing-Stationen für 67 elektrische Fahrräder und rund 100 Elektro-Motorräder.

Die Nutzung der Fahrzeuge wird über eine Smartphone-App gebucht und abgerechnet. „Wir wollen alle Mobilitätsbedürfnisse, vom Schulweg über die Fahrt zur Arbeit und zu Einkäufen bis hin zu Ausflügen für Touristen über diese smarten Lösungen abdecken“, erklärt Vizeaußenminister Fragkogiannis. Weil die Fahrzeuge effizienter genutzt werden, hofft man, den Bestand von jetzt 1500 auf rund 1000 Einheiten reduzieren zu können.

Ladestationen wird es an Privathäusern, Tankstellen, Taxiständen, Mietwagenfirmen, auf Parkplätzen und an den Badestränden geben. Der Strombedarf der Insel wird durch die Umstellung auf Elektrofahrzeuge um etwa 15 Prozent wachsen. Astypalea wird, wie viele kleinere griechische Inseln, derzeit noch aus einem Schweröl-Kraftwerk mit Elektrizität versorgt, eine der unwirtschaftlichsten und umweltschädlichsten Arten der Stromerzeugung.

Der Mehrbedarf soll ausschließlich mit Solar- und Windkraft produziert werden. Die Anlagen werden in Kürze ausgeschrieben. Vizeminister Fragkogiannis sieht den Übergang zur Elektromobilität als „zentralen Pfeiler unserer Strategie zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen“. Dazu haben Anfang Juni 2019 private und öffentliche Körperschaften auf Initiative der Regierung einen „Green Deal“ geschlossen. Das Projekt auf Astypalea sei „ein glänzendes Beispiel der zügigen Umsetzung dieses Aktionsplans“, sagt Fragkogiannis.

Griechenland will in den nächsten zehn Jahren rund 45 Milliarden Euro in die Energiewende stecken. Knapp 22 Prozent des Stromverbrauchs kamen bereits im vergangenen Jahr aus erneuerbaren Quellen. Noch vor zehn Jahren lieferte Braunkohle etwa 50 Prozent des griechischen Stroms, jetzt macht das Land beim Braunkohleausstieg große Fortschritte.

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres produzierte Griechenland 5,39 Terawattstunden (TWh) aus Wind- und Solarkraft. Das war eine Zunahme um 26 Prozent gegenüber 2019. Der Anteil der Braunkohle halbierte sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 4,96 TWh auf 2,28 TWh. Bis 2028 sollen alle diese Kraftwerke vom Netz gehen.

„Wir wollen auf Astypalea zeigen, dass vollelektrischer, emissionsfreier Verkehr machbar ist, ohne die Mobilität der Menschen einzuschränken“, sagte VW-Chef Diess dem Handelsblatt. Der Wechsel zu E-Fahrzeugen soll grundsätzlich freiwillig sein. Mit Subventionen und Steuervorteilen fördert der Staat die Umstellung aber massiv.

Auch Volkswagen verspricht, man werde „den Umstieg durch verschiedene Bausteine sehr attraktiv gestalten, sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen“. Wie viele Fahrzeugbesitzer sich tatsächlich von ihren Verbrennern trennen oder ganz auf private Autos verzichten, gehört zu den spannendsten Fragen dieses Pilotprojekts.