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Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek ist in Russland untergetaucht

Die flüchtige Schlüsselfigur soll sich unter Aufsicht des russischen Militärgeheimdienstes befinden. Derweil gewinnt die Wirecard-Aufarbeitung in Deutschland an Schärfe.

Der Bafin-Präsident verweist auf die begrenzten Kompetenzen der Behörde. Foto: dpa
Der Bafin-Präsident verweist auf die begrenzten Kompetenzen der Behörde. Foto: dpa

Der wegen Bilanzbetrugs gesuchte Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hat sich offenbar nach Russland abgesetzt. Der seit Wochen untergetauchte Manager soll auf einem Anwesen westlich von Moskau unter Aufsicht des russischen Militärgeheimdienstes GRU untergebracht sein. Das erfuhr das Handelsblatt aus Unternehmer-, Justiz- und Diplomatenkreisen. Zuvor soll Marsalek erhebliche Summen in Form von Bitcoins aus Dubai, wo Wirecard dubiose Operationen betrieben hatte, nach Russland geschafft haben.

Am Wochenende hatte das Magazin „Der Spiegel“ in Kooperation mit der renommierten Investigativ-Plattform Bellingcat, die auch die Klarnamen der russischen Auftragskiller des in England lebenden Doppelagenten Sergej Skripal und die russischen Hintermänner des Abschusses der malaysischen Zivilmaschine mit der Flugnummer MH17 enthüllt hatte, über Marsaleks Flucht nach Weißrussland berichtet.

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Am Tag seiner Freistellung, dem 18. Juni, soll Marsalek von Klagenfurt über die estnische Hauptstadt Tallinn in die weißrussische Hauptstadt Minsk in einer gecharterten Embraer 650 Legacy geflogen sein. Wegen des politischen Konflikts zwischen der russischen Führung und Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko war es dem GRU aber wohl zu riskant, Marsalek im Nachbarland zu belassen. Deshalb schaffte man ihn lieber nach Russland.

Marsalek hat sich in Gesprächen und Chats oft zum Geheimagenten stilisiert und muss bei von ihm angegebenen Besuchen im syrischen Palmyra sowie Investments in Libyen eng mit dem GRU kooperiert haben. Allein bei seinen häufigen Reisen nach Russland hat der 40-Jährige sechs Pässe genutzt.

„Er hat in den letzten zehn Jahren über 60 Reisen in das Land unternommen“, schreiben die Rechercheure von Bellingcat. „Seine Einwanderungsakte ist 597 Seiten lang. Das ist weit mehr als bei jedem Ausländer, dem wir in den fünf Jahren solcher Untersuchungen begegnet sind.“

Häufig soll Marsalek auch in Tschetschenien gewesen sein, der für Verbrechen und Geldwäsche berüchtigten früheren russischen Bürgerkriegs-Republik. 2017 soll Marsalek laut Bellingcat einmal vom russischen Inlandgeheimdienst FSB, der alle Reisen des Österreichers überwachte, die Ausreise verweigert worden sein.

Politik und Aufsicht in der Kritik

Wirecard hatte im Juni mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Wenige Tage später meldete der Dax-Konzern Insolvenz an. Die Wirecard-Affäre hat inzwischen auch das Kanzleramt erreicht. Wie zuerst „Der Spiegel“ berichtete, sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel am 3. September 2019 vor einer Chinareise mit Ex-Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der Wirecard beriet.

Am selben Tag schrieb Guttenberg an den Leiter der Abteilung für Wirtschafts-, Finanz- und Energiepolitik des Kanzleramts, Lars-Hendrik Röller, eine Mail zum beabsichtigten Markteintritt Wirecards in China und bat um „Flankierung“ im Rahmen der Reise. Nach der Reise antwortete Röller, dass das Thema beim Besuch in China zur Sprache gekommen sei, und sagte weitere „Flankierung“ zu, wie eine Regierungssprecherin bestätigte.

Die Opposition kritisiert die Rolle der Bundesregierung im Fall Wirecard scharf. „Wenn die Regierung einen Untersuchungsausschuss noch abwenden will, muss sie jetzt umfassend reinen Tisch machen und vollständig offenlegen, was genau sie über den Fall Wirecard gewusst hat und was sie an welcher Stelle veranlasst hat“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Florian Toncar.

Aus Sicht der Linksfraktion ist ein Untersuchungsausschuss zwingend geboten. Es müsse unter anderem geklärt werden, ob Merkel persönlich in China für Wirecard lobbyiert habe und ob das Kanzleramt von Unregelmäßigkeiten wusste, sagte der Linken-Finanzexperte Fabio De Masi. „Damit wir alle nötigen Unterlagen einsehen und wichtige Zeugen vernehmen können, wird ein Untersuchungsausschuss unausweichlich.“

Hufeld fordert neue Gesetz

Kritik gibt es auch am Finanzministerium, das die Aufsichtsbehörde Bafin kontrolliert. Bafin-Chef Felix Hufeld hat eingeräumt, seine Behörde habe im Wirecard-Skandal nicht effektiv genug gearbeitet. Er verwies jedoch auch mehrfach auf die begrenzten Kompetenzen der Bafin. Direkt beaufsichtigt die Bonner Behörde nämlich nur die Tochter Wirecard Bank, nicht aber die ganze Wirecard-Gruppe.

Hufeld fordert deshalb neue Gesetze für eine bessere Kontrolle von Technologiekonzernen. Es habe dem Geist der europäischen Regulierung entsprochen, Technologiefirmen und Innovation zu fördern, sagte Hufeld der „Welt am Sonntag“. Aber es gebe aktuell „zu viele Grauzonen. Der aufsichtliche Werkzeugkasten muss hier nachgeschärft werden.“

Auf die Forderung, die Bafin nach dem Vorbild der US-Börsenaufsicht SEC aufzurüsten, reagierte Hufeld verhalten. „Natürlich können wir von dem SEC-Modell etwas lernen“, sagte er. „Aber auch in den USA kam es zu Betrugsfällen. Zudem haben die Vereinigten Staaten ein anderes Rechtssystem, das nicht so einfach auf Europa übertragbar ist.“