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Ex-WestLB bildet zusätzliche hohe Millionen-Rückstellungen für Cum-Ex-Geschäfte

Lange hatte die frühere NRW-Landesbank bestritten, sich an Cum-Ex-Geschäften beteiligt zu haben. Jetzt bildet sie hohe Rückstellungen dafür.

Für seine Freunde von der WestLB hatte Investmentbanker Salim Malouf* eine ganz besondere Show gebucht. Eine halbe Ewigkeit mussten seine deutschen Gäste auf ihren VIP-Plätzen bangen, weil die deutschen Fußballer im Dortmunder Westfalen-Stadion das Tor nicht trafen. Dann brach die 90. Minute an, und Oliver Neuville schaffte es doch noch. Das Stadion stand Kopf, und Maloufs Gäste standen mitten im WM-Sommermärchen.

Es wurde ein fröhlicher Abend. Malouf lud seine Gäste von der WestLB nicht nur zum WM-Spiel ein, sondern auch zu allen möglichen anderen Vergnügungen. Die Kosten übernahm Maloufs Arbeitgeber, die US-Investmentbank Merrill Lynch. Die Landesbanker hätten keine Ahnung gehabt, wie sehr sie von den Amerikanern über den Tisch gezogen worden seien, sagte Malouf später.

Die Rechnung zahlte am Ende der Steuerzahler. Cum-Ex-Geschäfte hießen die Deals, bei denen Merrill Lynch und die WestLB gemeinsame Sache machten. Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch wurden dabei so gehandelt, dass die Beteiligten sich eine einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach „erstatten“ ließen.

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Nun wird der Steuerzahler noch einmal zur Kasse gebeten. Die WestLB wurde 2012 abgewickelt. Ihre Rechtsnachfolgerin Portigon teilte gerade mit, dass sie unter anderem wegen Rückstellungen für Cum-Ex-Geschäfte für 2019 einen Verlust von bis zu 600 Millionen Euro erwartet. Portigon gehört zu knapp 70 Prozent dem Land Nordrhein-Westfalen, die restlichen Anteile hält die NRW Bank. Diese gehört wiederum zu 100 Prozent dem Land Nordrhein-Westfalen.

Dass eine Bank, die dem Steuerzahler gehört, Geschäfte zulasten des Steuerzahlers tätigt, ist selbst in der von Moral weitgehend freien Cum-Ex-Welt eine besondere Perfidität, aber keine einzigartige. Mehr als hundert Banken und Finanzinstitute beteiligten sich an dem Spiel mit den mehrfachen Steuererstattungen. Auch Landesbanken anderer Bundesländer wie die HSH Nordbank, die Helaba oder die LBBW waren dabei. Die WestLB fiel nur mit einer besonderen Tollpatschigkeit auf.

WestLB im Glück

Es war am 12. April 2007, als der Stuttgarter Automobilhersteller Daimler-Chrysler eine Börsenmeldung verbreitete. Die WestLB habe das Unternehmen darüber informiert, dass sie am 4. April 2007 die Schwellen von drei, fünf und zehn Prozent der Stimmrechte an der Daimler-Chrysler AG überschritten habe. Die WestLB sei aktuell im Besitz von 144,2 Millionen Aktien im Wert von fast neun Milliarden Euro und damit größter Anteilseigner des Fahrzeugbauers.

Die seltsame Transaktion fand nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdiente. Ein „marktübliches Bankgeschäft“ sei das gewesen, sagte ein Sprecher der WestLB, als er 2007 zum ersten Mal danach gefragt wurde. Weil die Bank andere Probleme hatte, verfolgten weder Medien noch Staatsanwälte den Fall.

Das war ein Glück für die WestLB. Cum-Ex-Akteure waren darauf bedacht, beim Handel auf Kosten der Steuerzahler unter den sogenannten Meldeschwellen zu bleiben – oder sie zu umgehen. Wer einen bestimmten Prozentsatz von Aktien an einem Unternehmen kaufte, musste dies dem Unternehmen melden, und dies informierte wiederum den Finanzmarkt. Da es für eine Bank wie die WestLB keinen erklärbaren Grund gab, 14 Prozent aller Daimler-Aktien zu besitzen, war in der Gestaltung des Deals bei der Landesbank offensichtlich etwas schiefgelaufen.

Intern fand man das lustig. „Unsere Cum-Ex-Freunde von der WestLB haben einen Tag vor der Hauptversammlung ordentlich zugeschlagen“, schrieb Freshfields-Anwalt Thomas Maler* an einen Verteiler. Die Kanzlei Freshfields steht heute mitten im Skandal. Ihre Gutachten waren für viele Banken die Voraussetzung, in Cum-Ex-Geschäfte zu investieren.

Ulf Johannemann, bis vor Kurzem weltweiter Steuerchef von Freshfields, sitzt aktuell wegen seiner Verwicklung in den Skandal in Untersuchungshaft. Ermittlungsakten zeigen, dass Freshfields auch bei der Beteiligung der WestLB an Cum-Ex-Geschäften genau Bescheid wusste.

Die WestLB selbst wusste davon laut eigener Aussage nichts. „Der Portigon AG liegen keine Erkenntnisse vor, dass die WestLB dubiose Cum-Ex-Geschäfte betrieben hat“, sagte ihr Sprecher im November 2015. Das Handelsblatt hatte damals gerade berichtet, dass die WestLB sehr wohl solche Geschäfte tätigte.

500 bis 600 Millionen Euro Rückstellungen

Als der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick dies zu einer politischen Attacke gegen die NRW-Regierung nutzte, ging Portigon-Chef Hubert Beckmann in die Offensive. „Mit Verwunderung haben wir Ihre Aussage zur Kenntnis genommen, die WestLB habe am Betrug mit Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt“, schrieb Beckmann an Schick. „Wiederholen Sie diese Behauptung nicht mehr öffentlich.“

Es war schlechtes Timing von Beckmann. Als er seinen Protestbrief schrieb, stand die WestLB schon im Visier der Steuerfahndung. Fünf Millionen Euro zahlte diese an einen anonymen Informanten für einen USB-Stick, auf dem Cum-Ex-Geschäfte von vielen Banken dokumentiert waren. Auch dabei: die WestLB.

Wenn sich die WestLB heute zu Cum-Ex-Geschäften äußert, dann klingt dies auch ganz anders. Am Montag meldete sich der Vorstand: „Vor dem Hintergrund der fortdauernden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit Dividendenarbitragegeschäften der ehemaligen WestLB wird die Portigon AG für das Geschäftsjahr 2019 vorsorglich zusätzliche Rückstellungen für in Vorjahren möglicherweise unbegründet angerechnete Kapitalertragsteuer sowie damit im Zusammenhang stehende Zinszahlungen bilden.“

Der mögliche Verlust der Bank für das laufende Geschäftsjahr, bisher mit einem „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“ beziffert, werde sich deshalb erhöhen, und zwar auf „etwa 500 bis 600 Millionen Euro“. Auf Nachfrage räumte Portigon ein: „Die Geschäfte betreffen ausschließlich Cum Ex-Geschäfte.“
*Name geändert